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Kundendienst — eine Wissenschaft

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Im gesamten Wirtschaftsleben ist heute der Kundendienst fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Firmen, die diese Einsicht noch nicht gewonnen haben, würden sich wundern, welche Verkaufssteigerung sie durch entsprechende aufmerksame Kundenbetreuung erreichen könnten. Es ist nun eigentlich nicht erforderlich, vom wirtschaftlichen Standpunkt über Kundendienst zu sprechen, denn besonders von großen Firmen wird schon heute das denkbar Mögliche unternommen, um dem Käufer das Kaufen so angenehm wie möglich zu machen. Kundendienst heißt nicht — wie es etwa auf dem Jahrmarkt geschieht — zu einem gekauften Gegenstand noch einen oder mehrere gratis hinzuzufügen, die dann möglicherweise alle zusammen nichts taugen. Das ist im Grunde nichts weiter als Bauernfängerei. Kundendienst bedeutet vielmehr, dem Käufer dabei behilflich zu sein, das Produkt, das er erworben hat, für ihn möglichst zweckmäßig und daher lukrativ und zufriedenstellend einzusetzen. Dem liegt die Ueberlegung zugrunde, daß der Kunde den von ihm erworbenen Gegenstand möglichst beschwerdefrei und leicht verwenden können soll, denn dann wird der Kauf als gut empfunden werden, da Beanstandungen dann von selbst wegfallen. Dies natürlich nur insofern, als es sich auch um ein einwandfreies Erzeugnis handelt.

Schulbeispiele dafür, was Kundendienst bedeutet, werden heute sehr augenfällig erbracht. Spezielle Abteilungen befassen sich in geradezu wissenschaftlicher Art mit dem Problem des wirksamsten Kundendienstes. Und hier sind es vor allem die Oelflrmen, deren Kundendienst sich rasch, unaufdringlich und möglichst wirkungsvoll abwickelt.

Wir wollen heute eine der großen Oelfirmen, die Mobiloil, herausgreifen. Hier erstreckt sich der Kundendienst an den Tankstellen und Servicestationen von der Verteilung von Landkarten bis zur Evidenzhaltung notwendiger Servicearbeiten und beinhaltet so ziemlich alles an absichtsvollem, aber auch sinnvollem Entgegenkommen. Dies erfolgt in einer Form, die dem Kraftfahrer im allgemeinen nicht einmal so richtig zum Bewußtsein kommt, in Wirklichkeit aber geradezu militärisch exerzierte Vorgänge beinhaltet. Jeder Handgriff ist bei diesen Kundendienstleistungen von vornherein festgelegt und muß vom Tankwart strikte eingehalten werden, denn jede dieser vorgeschriebenen Bewegungen oder Handreichungen ist das Produkt jahrzehntelanger Erfahrung.

Nur um ein Beispiel herauszugreii n: Der Tahkwart nimmt den Tankverschlußdeckel her-

unter, soweit er nicht, wie bei manchen Fahrzeugen, aufklappbar ist. Laut Firmenvorschrift muß er ihn nun solange in der Hand behalten, bis der Tank wieder verschlossen wird. Der Grund hierfür ist mannigfaltiger Art. Steckt er ihn in die Tasche, dann ist damit zu rechnen, daß sich irgendwelche Stoffasern oder sonstige Verunreinigungen festsetzen und damit als absolut unerwünschte Beigabe in den Kraftstoff gelangen. Das Ablegen auf dem Fahrzeug selbst kann Kratzer verursachen bzw. gleichfalls zu Verschmutzungen des Verschlusses führen. Das Weglegen in eine bereitgestellte saubere Schachtel kann zum Vergessen oder Vertauschen der Tankverschlüsse führen. Daher lautet die Vorschrift: Tankverschluß bleibt solange in der Hand, bis der Tank verschlossen wird.

Die Suggestivfrage: „Darf ich anfüllen?“ hat nicht nur den Sinn, dem Kraftfahrer mehr Kraftstoff zu verkaufen, als dieser ursprünglich vielleicht beabsichtigt hat, sondern geht auch von der Ueberlegung aus, daß ein nur teilweise gefüllter Tank wesentlich mehr Möglichkeit einer stärkeren Kondenswasserbildung durch größere Luftpolster aufweist als ein vollgefüllter. Außerdem ist es natürlich immer zweckmäßig, ein Fahrzeug vollzutanken, denn abgesehen davon, daß der im Tank befindliche Kraftstoff ohnehin verbraucht wird, erspart man sich das häufige Zur-Tankstelle-Fahren, das Zeit kostet und dadurch, daß man geringe Mengen tankt, auch nicht billiger wird. Wir sind dabei der Meinung, daß der vollgetankte Wagen eine weit bessere Möglichkeit der Verbrauchskontrolle bietet als ein Fahrzeug, das einmal mit fünf, dann wieder mit zehn Litern aufgetankt wird. Wenn er nicht sehr systematisch ein Fahrtenbuch führt, verliert der Fahrer in diesem Fall sehr rasch den Ueberblick über den effektiven Verbrauch seines Fahrzeuges, und gerade er ist oft ein sehr entscheidender Faktor bei der Beurteilung des Zu-standes der Maschine oder gar eventueller Kraftstoffverluste durch undichte Leitungen.

Der Tankwart wird von der Firma angehalten, einmal rund um das Fahrzeug zu gehen, wobei eine optische Reifenprüfung stattzufinden hat, die Rückscheibe gereinigt wird, eine Reinigung der Frontscheibe sowie der Scheibenwischerblätter erfolgt, damit auf den Scheiben durch auf den Blättern verbliebene Verunreinigungen keine Kratzer verursacht werden. Sobald der Tankwart festgestellt hat, daß ein Reifen zuwenig Luft hat, wird dieser kontrolliert, gleichzeitig aber auch i lle anderen drei Reifen und

möglichst auch das Reserverad auf den \ _ r-geschriebenen Wert gebracht. Unter der Motorhaube wird der Oelstand, der Kühlwasserstand, auf Wunsch auch der Flüssigkeitsstand in der Batterie geprüft. Außerdem ist der Tankwart angewiesen, die Kabel und Gummiteile unter der Motorhaube kurz in Augenschein zu nehmen. Bei Servicearbeiten am Fahrzeug wird sofort ein Kartothekblatt angelegt, in welchem aufscheint, welche Arbeiten durchgeführt wurden, so daß bei der nächsten Servicearbeit am Fahrzeug der Kunde darauf hingewiesen werden kann, daß diese oder jene Arbeit bereits fällig wäre, da sie entweder beim letztenmal nicht vorgenommen wurde oder eben überhaupt fällig ist. Dadurch nimmt man dem Kraftfahrer eine ganze Menge mitunter lästiger Gedankenarbeit ab, vor allem aber braucht er nicht unbedingt fachliches Verständnis aufzubringen.

Vielfach wird es auch angenehm empfunden werden, daß bei Abschmierarbeiten der durchführende Arbeiter beauftragt ist, das Fahrgestell, die Lenkungsteile, die Versplintungen und ähnliches zu kontrollieren und eventuelle . Mängel in einer dafür vorgesehenen, an der Türschnalle zum Fahrersitz zu befestigenden Karte zu vermerken. Wenn der Wagen dann vom Besitzer oder Benutzer übernommen wird, ist er in der Lage, Schäden rechtzeitig beheben zu lassen. Eine nachahmenswerte Idee ist ein kleiner Zettel, der nach dem Wagenwaschen jeden Fahrer daran erinnert, daß durch nasse Bremsen vielfach die Bremswirkung nachläßt. Er kann sich dann durch eine kurze Bremsprobe davon überzeugen, wie weit dies der Fall ist, und durch längeres leichtes Bremsen die Trommeln trocknen.

Es handelt sich hier im Grunde um Kleinigkeiten, die jedoch unter Umständen für den Kraftfahrer und die Erhaltung des Wertes seines Fahrzeuges von großer Bedeutung sein können. Die Tatsache, daß sie sich nicht aufdringlich vor seinen Augen abspielen, ist eher zu begrüßen.

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