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Hemmungen abgebaut

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Der erste Besuch eines amerikanischen Verteidigungsministers in Peking ist auf jeden Fall ein politisches Ereignis erster Ordnung. Im Schatten der sowjetischen Aggression in Kabul wurde Harold Browns Visite zur Sensation.

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Der erste Besuch eines amerikanischen Verteidigungsministers in Peking ist auf jeden Fall ein politisches Ereignis erster Ordnung. Im Schatten der sowjetischen Aggression in Kabul wurde Harold Browns Visite zur Sensation.

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Beide Gesprächspartner legten ihre Worte nicht auf die Goldwaage, um das Gefühl der gemeinsamen Bedrohung durch den Imperialismus der Roten Zaren auszudrücken. Ohne Zweifel kamen sich die Partner gerade deswegen in wichtigen Belangen näher.

Die Amerikaner waren zwar schon vorher zur Mitarbeit bei den vier Modernisierungen, die die Pekinger Führung durchführen will, bereit, machten t aber vor zwei Objekten Halt: dem Verkauf von Waffensystemen und kompilierter Elektronik, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen kann. Allzu klar erinnerten sie sich der plötzlichen Kehrtwendungen in der chinesischen Politik der letzten Jahre.

Die Ereignisse in Kabul aber bauten diese Hemmungen ab. Zwar erklärte Harold Brown, auch heute sei nicht der Verkauf von Waffen vorgesehen, schon aus dem einfachen Grund, weil China sich diese Ausgaben gar nicht leisten könnte. Es ist immer noch erstes Anliegen Pekings, vom Ausland unabhängig zu bleiben, gerade in Fragen der Landesverteidigung. China würde höchstens eine beschränkte Zahl von Prototypen erstehen, die zum Muster für Eigenentwicklungen dienten.

Die USA aber sind heute bereit, die modernste fortschrittliche Technologie zu liefern, selbst wenn sie militärische Anwendung finden kann. In Frage kommen Datenverarbeitungsanlagen mit ihrer „Software" für industrielle Anwendung, Oelbohr-und Prospektionstechnik, Anschluß an die Land-sat-D-Photoaufklärung durch Satelliten. Sogar die Lieferung einer Satelliten-Bodenstation ist in Diskussion, die China Anschluß an die neueste Fernmeldetechnik bieten würde.

Nach Browns Beobachtungen steht die chinesische Rüstung 12 Jahre im Rückstand gegenüber der Roten Armee, besonders was Flugzeuge betrifft. Trotzdem war Brown von den Leistungen beeindruckt. China besitzt heute die technische Basis und Expertise, um erstklassige Waffensysteme zu konstruieren. Die USA sind jetzt bereit, die Lücken im Know-how aufzufüllen.

Der Generalsekretär der Militärkommission der CKP, Keng Piao, wird bald die USA besuchen, um diese Möglichkeiten zuerkunden. Vorauszusehen ist ein Strom von chinesischen Ingenieuren, Technikern und Offizieren zu Studienaufenthalten in Amerika und längere Besuche amerikanischer Fachleute in China.

Besuche der amerikanischen 7. Flotte in chinesischen Häfen seien nicht besprochen worden, gab

Brown bekannt. Offenbar gibt es aber doch Stellen, die daran denken. Auch eine Militärallianz stehe nicht zur Diskussion. Die neueste Entwicklung aber ist nicht sehr weit davon entfernt.

Den Chinesen liegt viel daran, die letzten noch bestehenden Differenzen zu bereinigen. Chinas Vizepremier Deng Xiaoping forderte die USA auf, die Beziehungen mit Nordkorea zu verbessern. Nordkorea habe ■dürdi seine Zurückhaltung anläßlich der Konfusion in Seoul bei der Er-mordung"Präsident Parks-guten Willen bewiesen.

China braucht Frieden auf der koreanischen Halbinsel, denn der Norden deckt eine sehr lange, offene Flanke an seiner Grenze zur Mandschurei.

Die Sowjetunion beklagt sich be-Teits über die Bildung eines feindlichen Militärblocks zwischen China, den USA, Korea und Japan in Nordostasien. Davon ist heute noch kaum die Rede, doch deutet vieles darauf hin, daß die Sowjets durch ihre Aggressionen gerade das zu bewirken im Begriffe sind, was sie am meisten fürchten.

Vor der Auslandspresse in Tokio forderte Lester Wolff, Vorsitzender der amerikanischen Kommission für Asien und den Pazifik, unverblümt die Schaffung eines gemeinsamen Verteidigungsfonds für eine sofort zu bildende Pazifische Gemeinschaft. Ebenfalls verlangte er von Japan eine stärkere Beteiligung bei der gemeinsamen Verteidigung.

Obwohl US-Stellen immer häufiger die Unzulänglichkeiten der japanischen Verteidigungsanstrengungen bemängeln, ließ Ministerpräsident Ohira den Verteidigungsetat unverändert bei 0,9 Prozent des Bruttosozialproduktes stehen. Japans Flotte wird sich aber erstmals mit amerikanischen, australischen, kanadischen und neuseeländischen Marineverbänden an gemeinsamen Manövern im Südpazifik beteiligen.

Indessen wird es für Tokio immer schwieriger, seine äquidistante Außenpolitik zu allen Ländern aufrechtzuerhalten. Zwar wurde bereits erklärt, daß sich Japan nicht an den Sanktionen gegen die Sowjetunion beteiligen, man die Entwicklungsprojekte in Sibirien also nicht einer Revision unterziehen will, zumal man die dort anfallenden Rohstoffe braucht. Anderseits haben die Sowjets den Japanern in Kabul deutlich demonstriert, wie gefährlich ein „Freundschaftsvertrag" mit Moskau sein kann. Und der Kreml versucht schon seit Jahren, die Japaner mit einem solchen Vertrag an sich zu binden. Bislang vergeblich.

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