6963508-1985_05_05.jpg
Digital In Arbeit

Nippon handelt

Werbung
Werbung
Werbung

Tokio zu Beginn der siebziger Jahre: ein unerträglicher Smog liegt über der Stadt. Viele Fußgänger tragen einen Mundschutz. Das Waldsterben in der Umgebung geht in beängstigender Weise vor sich. Die Umweltverschmutzung hat eigene Krankheiten hervorgerufen.

Tokio zu Mitte der achtziger Jahre: Der Straßenverkehr hat eine nicht mehr zu überbietende

Dichte erreicht. Der mundschutz-tragende Fußgänger ist aber fast völlig aus dem Straßenbild verschwunden.

Zwischen diesen beiden Bildern liegen eineinhalb Jahrzehnte, in denen Japan nicht nur die Dramatik der Umweltverschmutzung erkannt, sondern vor allem rasch, konsequent und beispielhaft gehandelt hat.

Japan ist jenes Land unter den OECD-Staaten, das in der Nachkriegszeit die höchsten Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes aufweist. Im Sog dieses wirtschaftlichen Wachstums wuchs die Belastung der Umwelt.

Als man aber erkannte, daß die Grenzen der „Selbstreinigungsfähigkeit der Natur” überschritten waren, die Umweltverschmutzung sich im täglichen Leben der Bürger auswirkte, die Öffentlichkeit auch entsprechend sensibilisiert war, wurden einschneidende politische Maßnahmen gesetzt.

1971 erfolgte die Gründung der Umweltagentur. Ganz anders als das vor einer Woche vom österreichischen Parlament mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ beschlossene Umweltamt, hat diese Umweltagentur weitreichende Kompetenzen. Sie ist nicht nur administrativ für alle Bereiche des Umweltschutzes zuständig, sie kann auch viele Maßnahmen durchführen, wie z. B. die Normierung von Verschmutzungsgrenzen, die Beobachtung und Überwachung dieser Normen.

Japan ist heute eine wirtschaftliche Weltmacht. Japan ist aber heute gleichzeitig ein Vorbild auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Ein Beispiel, das zeigt, daß Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz sehr wohl auf einen Nenner gebracht werden können.

Natürlich hat auch in diesem 120-Millionen-Bürger-Staat alles seine Zeit gebraucht. Aber man hat nicht nur die Probleme erkannt, politische Absichtserklärungen abgegeben, sondern auch die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften erlassen und dann dafür gesorgt, daß die Theorie in die Praxis umgesetzt wird.

Die japanische Wirtschaft steckt nicht nur enorme Investitionen in die Technologieforschung, sondern sorgt vor allem auch dafür, daß neue, praktikable

Erfindungen möglichst rasch in die Produktionspraxis umgesetzt werden. Während in Österreich diese Zeitspanne sechs bis acht Jahre beträgt, beläuft sie sich in Japan auf zwei Jahre.

Die Frage, die man sich wie in Osterreich natürlich auch in Japan immer wieder stellt: Was kostet der Umweltschutz? Die Antwort: Der Umweltschutz belastet den japanischen Steuerzahl und den Konsumenten.

Rund 3 Prozent der Gesamtausgaben des japanischen Budgets entfallen auf Umweltschutz-Maßnahmen. Allein 90 Prozent dieses Betrages gehen in die Kontrolle der Umweltverschmutzung.

Die Investitionskosten für Umweltschutzeinrichtungen werden direkt von den Haushalten bzw. von der Industrie getragen. So etwa wurden bei der Errichtung des Stahlwerkes Nippon-Kokan 20 Prozent der Gesamtinvestitions-summe allein für Umweltschutz-Einrichtungen aufgewendet.

Funktionierender Umweltschutz verlangt freilich nicht nur klare Gesetze, die eingehalten werden, sondern auch Motivationsanreize. Von der Regierung wie von Organisationen, die der Regierung unterstellt sind, werden daher für Umweltschutz-Maßnahmen langfristige Kredite mit niedrigem Zinssatz vergeben. Diese Begünstigungen sind hauptsächlich für Unternehmen gedacht.

Anlagegüter, die für Umweltschutzzwecke angeschafft wurden, dürfen rascher abgeschrieben werden. Dazu gibt es auch noch einige spezielle Steuererleichterungen. Parallel dazu freilich gibt es auch zusätzliche Steuerbelastungen. Und zwar für Unternehmen, die mit ihren Abgasen bzw. Abfällen die Umwelt zu stark belasten.

Viele dieser Umweltmaßnahmen führen zwangsläufig zu einer Erhöhung des Preisniveaus. Daß Tokio die teuerste Hauptstadt der Welt ist, ist allerdings auf ganz andere Faktoren zurückzuführen. So etwa wirken sich die Umweltmaßnahmen beim Stromverbrauch nur mit 14 Groschen pro Küowattstunde (die übrigens 2,70 Schilling kostet) aus.

Die Verpflichtung der Industrie, für eine saubere Umwelt Sorge tragen zu müssen, hat nicht zu jenen Diskussionen geführt, wie wir sie derzeit in Europa erleben, sondern letztlich zu neuen Erkenntnissen, zu technischem und wirtschaftlichen Fortschritt. So ist zum Beispiel die japanische Autoindustrie durch die Umweltschutzauflagen nicht geschwächt, sondern sogar wettbewerbsfähiger gemacht worden. Und auch mit seinem Umwelt-Know-How macht Japan heute bereits weltweite Geschäfte.

Wir in Europa, wir in Österreich, haben allen Grund, von Japan zu lernen.

Der Autor ist Pressesprecher der OVP und begleitete Bundesparteiobmann Alois Mock auf seiner Japan-Reise.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung