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Die Frage erhebt sich nun, inwieweit um den Preis des sittlichen Verfalls der Druck der Uberbevölkerung erleichtert und so die wirtschaftliche Katastrophe verhütet werden kann. Seit fünf Jahren predigt man der japanischen Regierung, daß Japans Boden nie und nimmer die wachsende Bevölkerung ernähren könne. Das ist durchaus richtig. Aber wenn Länder wie Großbritannien in ihren heimischen Bodenerzeugnissen weit hinter dem zurückbleiben, was zur Ernährung der Bevölkerung nötig ist und für den nicht gedeckten Bedarf durch ihren Handel mit dem Ausland sorgen, mit welchem Recht verwehrt man dasselbe Vorgehen dem kleinen Japan? Großbritannien erzeugte zum Beispiel im Jahre 1949 nur 54 Prozent, Japan aber 85 Prozent seiner Lebensmittel. Es liegt durchaus nichts Abnormales in der Tatsache, daß infolge klimatischer und geographischer Verhältnisse die Bodenerzeugnisse eines bestimmten politisch umschriebenen Gebietes für die Bevölkerung nicht ausreichen. Wohl aber erscheint es uns unverantwortlich, ein Land daran zu hindern, die fehlenden Nahrungsmittel durch legitimen Handel aus dem Ausland zu beziehen. Japan ist das industriell meist entwickelte Land im Fernen Osten und durchaus in der Lage, durch entsprechenden Handel sich selbst zu erhalten. Das asiatische Festland und die Inseln Südostasiens sind das natürliche Absatzgebiet für Japans Fertigwaren. Als Zahlung könnten die ostasiatischen Länder Japan Lebensmittel und Rohstoffe liefern. Dieser Austausch könnte sofort beginnen. Burmas Landwirtschaftsminister erklärte im Februar 1950, daß 800.000 Tonnen Reis zur Ausfuhr bereitstehen. 300.000 Tonnen Reis konnten von Thailand (Siam) als Entgelt für japanische Eisenbahnlokomotiven und Waggons erworben werden. Unter normalen Verhältnissen in Ostasien könnte Japan alle erforderlichen Lebensmittel importieren und mit seinen Industrieerzeugnissen dafür zahlen.

Außerdem ist nicht zu vergessen, daß ein gewaltiger Uberschuß an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche die amerikanische Regierung angekauft hat, in Amerika aufgespeichert ist. Im August vorigen Jahres betrugen diese Bestände

172 Mill. Bushel Weizen, 83 Mill. Bushel Korn, 23 Millionen Pfund getrockneter Milch und 3,750.000 Ballen Baumwolle. Wenn es Japan gestattet wäre, gegen Dollar seine eigenen Industrieprodukte zu verkaufen, könnte es genügend von diesen Vorräten kaufen. Wie verwickelt auch gegenwärtig die internationale Geldlage sein mag, es ist klar, daß Mangel an Nahrungsmitteln an und für sich niemals als Entschuldigungsgrund für. Geburtenverhütung gelten darf, solange solch enorme Vorräte vorhanden sind und noch jährlich wachsen. Die Potsdamer Erklärung, die Japan als Basis für die bedingungslose Ubergabe angeboten wurde, verspricht ausdrücklich, daß Japan die zu seiner wirtschaftlichen Stabilisierung nötigen Industrien behalten dürfe; daß ihm Zutritt zu Rohmaterialien gestattet wird und daß ihm die Beteiligung am Welthandel in Aussicht gestellt wird. Fünf Jahre sind seitdem verflossen. Japan ist noch immer vom Welthandel ausgeschlossen

Wie steht es mit der Auswanderung als Teillösung des Bevölkerungsproblems? Der von Jänner bis März 1949 in Japan weilende technische Berater für Bevölkerungsfragen bei der Besatzungsbehörde, Dr. Warren S. Thompson, trat in seinem 1945 kurz vor Kriegsende veröffentlichten Buche, „Bevölkerung und Frieden im pazifischen Raum“, entschieden für die Möglichkeit der Auswanderung ein. Vier Jahre also, bevor er die amtliche Beratungsstelle in Tokio antrat, ging seine Ansicht dahin, daß das Bevölkerungsproblem vielmehr ein psychologisches sei. „Es ist nicht die absolute Armut, die den Bevölkerungsdruck als Friedensgefahr bemißt, sondern die empfundene Bedürftigkeit, der empfundene Druck auf die eigenen Produktionsquellen und die (als ungerecht) empfundene Unterschiedlichkeit bezüglich des Zutritts zu den Produktionszeiten der Welt.“

Mit Bezug auf die BoHenfläche, die japanische Auswanderer kultivieren könnten, schreibt Dr. Thompson: „Es ist zweifelhaft, ob die bebaute Fläche in Ozeanien 2000 bis 3000 Quadratmeilen übersteigt... während die gesamte kultivierbare Fläche 40.000 Quadratmeilen beträgt... Selbst wenn gegenwärtig 4000 Quadratmeilen (1 Prozent) bebaut wären, aber 20 Prozent bebaut werden könnten, ist es klar, welch enorme Aussichten für künftige Ausdehnung bestehen.“ (Seite 44.) Nach Dr. Thompson könnten sich die Japaner in relativ großer Zahl in den dünn besiedelten Teilen von Borneo, Celebes und Neu - Guinea niederlassen und sich erfolgreich in Landwirtschaft, Bergbau und Industrie betätigen. (Seite 108.)

Trotz alledem erklärte derselbe Doktor Thompson 1949 als bezahlter Berater der Besatzungsbehörden, die Schwierigkeiten gegen ein japanisches Auswandererprojekt seien geradezu „phantastisch“ und so komme künstliche Geburtenverhütung als einziges Mittel in Frage.

Wird die intensiv betriebene Propaganda der Geburtenverhütung Japans

Bevölkerungsproblem lösen? Dr. Thompsons Assistent und Nachfolger, Dr. Paul K. W h e 1 p t o p, ist der Ansicht, daß, selbst wenn das ganze japanische Volk Geburtenverhütung praktiziere, dies für die nächsten 20 Jahre keine Lösung sei. Im Jahre 1970 wird Japans Bevölkerung mindestens 90 Millionen, nach anderen Schätzungen 100 Millionen betragen. Nach Dr. Thompsons Urteil sind wenigstens 30 Jahre nötig, um die Geburtenverhütung allgemein in Japan durchzuführen. Danach läßt sich errechnen, in welcher Dekade des 21. Jahrhunderts und mit wieviel Sünden an der natürlichen Ordnung und der sittlichen Kraft des Volkes die Bevölkerungszahl auf die erträglichen 80 Millionen herabgesunken sein dürfte.

Wenn die Geburtenverhütungspolitik aber innerhalb einer Generation keine Lösung bringt, ist sie als wertlos zu verwerfen.

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