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Japan unter dem neuen Premier Nakasone

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Mit dem japanischen Hurra- Ruf „Banzai!“ begann Ya- suhiro Nakasone, 64, sein Amt als Premierminister. Nach dem überraschenden Rücktritt Zenko Su- zukis und nach einem heftigen innerparteilichen Streit der Liberaldemokratischen Partei (LDP) war der Lebenstraum des ehrgeizigen Nakasone erfüllt: mit großer Mehrheit hatte er die Wahlen gewonnen und durfte sich Premierminister von Japan nennen.

Beinahe zwei Monate nach seinem ersten „Banzai“-Ruf jedoch dürfte die erste Freude über den Sieg abgenommen haben. Die Probleme und Tatsachen, die Na-

kasone und sein Kabinett zu konfrontieren haben, sind beachtlich.

Dazu kommt, daß der neue Premier beim Volk keineswegs beliebt ist. Als politischer Opportunist bekannt, der sich durch alle innerparteilichen Fraktionskämpfe in den letzten 20 Jahren über Wasser halten konnte, traut man nun seinen Versprechungen nicht mehr, und der Mann auf der Straße sieht der Zukunft Japans unter der neuen Regierung skeptisch entgegen.

Nakasones Geschick, den starken Fraktionskampf innerhalb der LDP zu seinen Gunsten auszunützen, haben ihm den Ruf eines politischen Wetterhahns «ingehandelt. Eben dieses Geschick war auch für seinen Wahlsieg im November letzten Jahres ent

scheidend. Denn mit der Unterstützung der zur Zeit größten Fraktion unter Kakue Tanaka und derer des zurücktretenden Suzukis war ihm der Sieg von vornherein sicher.

Da nützte es nichts, daß der ehemalige Premier Takeo Fukuda seine relativ kleine Fraktion hinter die Gegenkandidaten gestellt hatte. Als Dank sozusagen an seinen Unterstützer Tanaka hatte Nakasone zur großen Überraschung ganz Japans gleich sechs Minister seines neuen Kabinetts aus der Tanaka-Fraktion geholt, was ihm seinen neuen Namen „Tanakasone“ eintrug.

Tanaka selbst hat sich seit beinahe acht Jahren wegen angeblicher Beteiligung beim Lockheed- Bestechungsskandal vor Gericht zu verantworten; das endgültige Urteil über ihn soll im Jänner oder Februar fallen. Da jedoch der neue Justizminister aus der lanaka-Fraktion stammt, rechnet man mit Milde seitens des Obersten Gerichtshofes.

Wie sein Vorgänger Suzuki, der ihm einen wahren Berg nicht gehaltener oder nicht erfüllter Versprechen hinterließ, machte auch Nakasone die Fiskusreform und

die Beschränkung der Monsterbürokratie zu seinen innenpolitischen Schwerpunkten. Bis jetzt jedoch zeigen sich wenige Anzeichen, daß Nakasone schneller handeln könnte als sein Vorgänger.

Einer der umstrittensten Punkte im Wunschprogramm des neuen Prmiers ist die Verfassungsreform. Laut Nakasone „wurde sie Japan von einer fremden Macht aufgezwungen“, und als souveräner Staat müsse Japan seine Verfassung selbst bestimmen können.

Bei der angestrebten und viel diskutierten Reform geht es in erster Linie um die Wiedereinführung regulärer Streitkräfte und die Reinstitution des Kaisers als aktives Staatsoberhaupt. Beides sind nach wie vor Tabus im noch immer von den Ereignissen des letzten Krieges geschockten Japan.

Vor allem die Oppositionsparteien wehren sich vehement gegen dahingehende Verfassungsreformen und verweisen mit einigem Recht auf den friedlichen Aufschwung Japans unter einer pazifistischen Verfassung.

Nakasone und seine Leute ie-

doch können mit nur allzu ruhigem Gewissen auf die Warn- und Mahnrufe der USA verweisen, die mit immer größer werdendem Druck Japan dazu bringen wollen, mehr zu seiner eigenen Verteidigung zu unternehmen, vor allem im Hinblick auf die gespannte Weltsituation und die stetig wachsende sowjetische Bedrohung in Fernost.

Es wundert denn niemanden, daß Nakasone im Rahmen seiner außerpolitischen Zielsetzungen die Beziehungen zu Amerika als absolut vorrangig darstellte. Es ist jedoch zu früh, um abschätzen zu können, ob Nakasone seine dahingehenden Reformziele durchsetzen kann.

Die asiatischen Nachbarn Japans stehen der neuen Regierung in Tokio mit abwartender Skepsis gegenüber. Die konservativ-nationalistischen Untertöne der neuen Führer Japans lassen sie nichts Gutes ahnen, und noch mit der Erinnerung an japanische Heere auf ihrem eigenen Boden während des Zweiten Weltkrieges vor Augen, wehren sich die meisten der asiatischen Regierungen gegen jegliche Aufrüstung Japans.

Wirtschaftlich sieht sich die neue Regierung in Tokio mit gigantischen Problemen konfrontiert: zum einen gegen den wachsenden Protektionismus und den Zorn der EWG-Länder und der USA wegen der japanischen Produkteflut kämpfend, zum anderen unter einem für japanische Verhältnisse stark zurückgehenden Wirtschaftswachstum leidend, verlangt die gegenwärtige Situation schnelles und entschlossenes Handeln.

Inwieweit jedoch den Forderungen der wichtigsten Handelspartner EWG und USA nachgegeben werden kann, ist fraglich, da die Erfüllung vieler dieser Forderungen an den japanischen Wirtschaftsnerv rühren würden.

China hat den Regierungswechsel in Tokio strahlend begrüßt, gleich mit der Nebenbemerkung, daß Peking hoffe, die Zweckfreundschaft zwischen den beiden .Staaten unter Nakasone weiter ausdehnen zu können. Und in der Tat: der wirtschaftliche, kulturelle und sonstige Austausch zwischen den beiden fernöstlichen Nachbarn scheint blühender denn je.

Es wird viel davon abhängen, wie schnell Nakasone und sein Kabinett das Vertrauen ‘der Japaner gewinnen können. Gelingt ihm dies nicht, so müßte er bei den im Frühjahr stattfindenden Wahlen zum Oberhaus eine vernichtende Niederlage einstecken.

Inzwischen sind keine großen Änderungen der japanischen Innen- wie Außenpolitik zu erwarten. Der status quo ist nicht so schlecht als daß man ihn radikal ändern müßte.

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