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Manipulator mit Gluck

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Mit Kakuieno Tanaka hat beim Kongreß der Liberaldemokratischen Partei im Frühjahr die „Neue Rechte“ gesiegt. Manager des „Transistorennationalismus“ nützten den antiamerikanischen Nippon-Patriotismus aus und lösten das politische Patri-ziertum der Nachkriegszeit ab. Als Vorsitzender der Regierungspartei verwirklichte Tanaka die alte Forderung der Nationalisten nach Souveränität der japanischen Außen-und Handelspolitik. Miki, ein Minister vom linken Flügel, Ohta, ein Politiker des rechten Flügels der Regierungspartei bahnten Tanaka den Weg nach Peking. Tanakas Besuch in Peking kündete eine neue Ära der japanisch-chinesischen Beziehungen und besiegelte Japans langersehnte Mündigkeit als Supermacht des Fernen Ostens. Tanaka hatte Glück. Er ist ein routinierter Manipulator, der geschäftlich und politisch das Glück als sicheren Faktor in seine Rechnungen einsetzt. Tokios selbständige Chinapolitik fiel in die Zeit der neuen Chinapolitik 'Washingtons. Was dem Ministerpräsidenten daheim Beifall einbrachte, löste in Washington weder Mißtrauen noch Mißfallen aus. Im Gegenteil: Wie die negative Peking-Politik der Vorgänger Tanakas in den Rahmen der alten China-Politik Washingtons gepaßt hatte, so fügte sich Tanakas positive Chinapolitik in den Rahmen der neuen Chinapolitik Washingtons.

Gerade das brachte den neuen Ministerpräsidenten um persönliche Bestätigung bei den Parlamentswahlen. Waren die Zaibatsus (Riesenkonzerne) mit Tanakas außenpolitischem Geschick zufrieden, so sahen sich die Nippon-Nationalisten in ihren Hoffnungen auf eine Tokio-Washington-Konfrontation als Folge der Tokio-Peking-Annäherung betrogen. Die zwölften Parlamentswahlen seit Kriegsende brachten den erwarteten Wahlsieg der Liberaldemokratischen Partei, doch nicht den Wahltriumph des Ministerpräsidenten Tanaka. Die Partei konnte 271 von den 491 Parlamentssitzen erobern; um 26 Sitze weniger als bisher. Die Parteien der Identifizierung von Pro-China mit Anti-Washington-Politik, also die Parteien der Linken, konnten ihren Anteil unerwartet erhöhen: die (Links-)Sozialistische Partei, als kongenialster Vertrauter Pekings in Japan, von 87 auf 116, die Kommunistische Partei von 14 auf 38.

Die (Links-)Sozialistische Partei hat unter Führung des kontaktlosen und arroganten Doktrinärs Tomomi Narita die Nachfolge des traditionellen Nipponismus angetreten. An die Stelle des utopistischen Kaiser-Krieger-Bauem-Sozialismus des linken Flügels der Vorkriegspatrioten ist ein versteinerter Marxismus getreten. An die Stelle der japanischen Führung im Kampf der asiatischen Völker gegen den westlichen Imperialismus wurde die antiimperialistische Einheit, vor allem Tokios und Pekings, gesetzt. Diese neue Formel des marxistisch drapierten idealistischen Nationalismus und Asien-Universalismus hat durch Takitas Chinapolitik neue Triebkräfte erhalten: „Ihr seid so weit gegangen, als es Eurem Profitinteresse entspricht. Wir wollen weitergehen; bis zur chinesisch-japanischen Einheit gegen den Imperialismus.“ In den langen Jahren der Mißerfolge ihrer Pro-Peking-Politik ist die Sozialistische Partei in Stagnation und Fraktionierung verfallen. Takitas Reise nach Peking als ihren Teilerfolg proklamierend, hat diese Partei nun den Tiefstand überwunden und ist zur gefährlichsten Partei der Opposition in Japan, zur stärksten Partei der asiatischen Linken geworden. Vom Sohyo, dem (linken) Gewerkschaftsbund Japans unterstützt, bezieht sie die Position der liquidierten KP Indonesiens — und sucht ihren Sukarno.

Die Kommunistische Partei steuert unter der Führung des Schriftstellers Myiamoto einen Kurs der Unabhängigkeit von Peking und von Moskau. Von Peking als gefährlichster Feind in Japan bekämpft, von Moskau erfolglos umworben, ist sie der Sprecher aller Kräfte in Asien, die sich von Moskau und von Peking im Stich gelassen, wenn nicht betrogen fühlen. „Unsere Front liegt in Vietnam“ hieß es in einem Aufruf des Parteiorgans AKAHATA, „wir sind Vietnam.“ Damit kommt Myiamoto der Wahrheit sehr nahe. Akahata ist in Ost- und Südostasien als die Stimme der vietnamesischen kommunistischen Partei anerkannt. Sie formuliert und publiziert den Protest und die Enttäuschung der vietnamesischen Kommunisten, ihre Leitartikel gegen die Großmächteabkommen Moskaus und Pekings mit den USA sind meistens nicht unterzeichnet; man weiß, daß Hanoi sich hinter der Anonymität verbirgt. In ihrer „Rücken-gegen-die-Wand“-Position gegen eine Welt von Feinden, gegen Tanaka und Washington, entsprach die Kommunistische Partei Japans dem Idealismus eines großen Teiles der studentischen Jugend.

Tanaka will den Schwierigkeiten durch eine Flucht nach innen entrinnen. Seine Wahldevise: „Nachdem wir Souveränität der Außenpolitik erkämpft haben, müssen wir für ein entsprechendes Hinterland sorgen“, „Umkonstruierung der japanischen Wirtschaftstopographie, der. japanischen Bevölkerungsverteilung“, „Großzügigkeit der neuen Sozial-und Bevölkerungspolitik“ sind Ausweichpositionen. Will Tanaka aus dem Pandämonium der japanischen Industriestädte und der japanischen Industrielandschaft moderne Städte und eine Renaissance der Landschaft schaffen, so bedeutet das eine Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes vom Export auf den Binnenbedarf. Mit dieser Formel käme er auch den Forderungen der USA und der EWG-Staaten auf Drosselung des Exports entgegen, bis das erneuerte Hinterland Kraft zu einem neuen Vorstoß in die Richtung der wirtschaftlichen Dominierung von auswärtigen Territorien gesammelt hat.

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