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Im Geiste Azanumas?
Ein neuer Vorsitzender wurde gewählt und eine neue Epoche kündigt sich an. Die Sozialistische Partei Japans stand seit der Abspaltung des rechten Flügels 1956 so weit links, als es mit Sozialismus gerade noch zu vereinbaren war und manchmal noch weiter. Doch hinter den radikalen Phrasen, dem extremen Neutralismus und der afroasiatischen Besessenheit war sehr viel Unsicherheit und Schwäche. In Fraktionen und Loyalitätsgruppen zerspalten, ist die Sozialistische Partei Japans seit der Ermordung ihres Führers Aza-numa und den Straßenkämpfen von 1960 gegen das amerikanisch-japanische Bündnis kaum mehr imstande, ihren revolutionären Forderungen irgendeinen Nachdruck zu verleihen.
Der Widerspruch zwischen der revoluzzerischen Großsprecherei und einer Stagnation jeglicher politischen Aktivität führte im Frühjahr dieses Jahres zu einem Tiefpunkt ihres Prestiges. Da der mit der Sozialistischen Partei verbündete Gewerkschaftsbund Sohyo von den Lähmungserscheinungen infiziert war, schien jede Hoffnung auf eine Regeneration der sozialistischen Kräfte zu schwinden, und es bestand kaum Aussicht, daß die Sozialisten bei der Wahl zum Oberhaus im Juli ihr traditionelles Drittel halten können. In diesem Moment erzwang die Krankheit des Parteivorsitzenden einen Führungswechsel und der neugewählte Vorsitzende Sasaki zeigt nicht nur den Willen, sondern auch die Statur, den Lauf der Dinge au ändern.
Ein Mann mit Phantasie
Als Repräsentant des Linken und stärksten Flügels der Partei zum Vorsitzenden gewählt, entwickelte er sofort ein Programm, das zumindest Originalität verrät. Dem üblichen Repertoire der Linken wie Anti-imperialismus, Antiamerikanismus und Neutralismus schloß Sasakd eine
neue taktische Möglichkeit an, die bestätigt, daß er ein Mann mit politischer Phantasie ist: die Schaffung der Volksfront nicht nur mit Kommunisten, sondern auch mit der Kometo, der Partei der nationalistischen Buddhistensekte Soka Gakkai.
Die Zeloten der Soka Gakkai predigen eine primitive Heilbotschaft und trommeln für die Erneuerung Japans im Führerprinzip. Sie wurden bisher von der gesamten Linken als fernöstlich-skurrile, aber nicht ungefährliche Erscheinungsform des Faschismus verbittert bekämpft.
Doch Soka Gakkai schien unter der
Schimpfkanonade zu gedeihen und wurde immer mehr zum Sammelpunkt der Massen des japanischen Kleinbürgertums, die im Strom der Prosperität sich nach Erneuerung im Sinn der „alten Ideale“ zurücksehnen. Auf diesem Weg sammelte Soka Gakkai fünf Millionen „Haushalte“, das sind zumindest zwanzig Millionen Menschen; mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten. Der Zulauf der Massen weckte neuen Appetit, den die Führer der Soka Gakkai durch eine Stärkung ihres verschwommenen Sozialprogramms stillen wollen; das zwischen Pouja-dismus und dem widererwachenden Asienmythos der patriotischen Geheimbünde unseligen Angedenkens liegt. Ohne Zweifel gibt es Berührungspunkte zwischen Soka Gakkais Kometo und den Sozialisten. Beide Parteien sind gegen die von den Liberaldemokraten angestrebte Novellierung der Verfassung von 1946, fordern positive Beziehungen mit dem kommunistischen China und sind sehr asienbewußt. Da Soka Gakkai vor dem Wind segelte, die Sozialisten aber im Windschatten liegen, ist Sasakis taktischer Plan zwar originell, doch durchaus verständlich.
Fernöstlicher Aneurin Bevan
Der neue Führer der sozialistischen Partei Japans ließ keine Unklarheit, daß er seine Linkspolitik in der Innen- und in der Außenpolitik konsequent durchsetzen will. In seinen ersten Erklärungen übertraf er die afroasiatische Diktion der Kritik an Amerika mit der Feststellung, daß die USA von heute der Feind der Menschheit seien. Er bekannte sich zum Geist und der Politik Azanumas, der knapp vor seiner Ermordung, Amerika als gemeinsamen Feind der chinesischen Kommunisten und der japanischen Sozialisten proklamierte. Zum Debüt als Parteiführer und Staatsmann unterbreitete Sasaki den Vorschlag, daß ein süd-
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