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SonnefürneuesNippon-Wunder

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Japan wird oft von Erdbeben heimgesucht. Zuletzt verursachte hier das arabische ölembargo einen starken Schock. „Scheinbar wurde unsere Wirtschaftsmacht auf Sand gebaut, der sich plötzlich als Treibsand erweisen kann“, sagte ein japanischer Journalist.

Das ölproblem ist ernst, denn die Basis des „japanischen Wunders“, des großartigen Aufschwungs der Industrie ist das öl, von dem 90 Prozent aus Ländern am Persischen Golf importiert werden. Vom Embargo und von den höheren Preisen wurde Japan daher schwer getroffen. Derzeit sind zwar die notwendigen Mengen nahöstlichen Öls gesichert Japan versucht aber, Öl auch aus anderen Ländern, wie etwa Venezuela, anzukaufen.

Die Experten forschen unterdessen nach anderen Energiequellen, von denen die Sonne eine der wichtigsten sein könnte. Im vergangenen Juli zählten die japanischen Experten zu den aufmerksamsten Beobachter auf dem Ersten Weltkongreß für Nutzung der Sonnenenergie in Paris. Dutzende Projekte wurden dort erörtert, phantastische Ideen und Visionen wurden dargelegt. Man kam zu der Uberzeugung, daß es in relativ kurzer Zeit möglich sein werde, Sonnenenergie für Automotore, Air-conditioning, Heizungs- und Industrieanlagen zu nutzen.

Das „japanische Wunder“ begann damit, daß das Land nach dem Zweiten Weltkrieg neue Industrien, ausgestattet mit neuesten Maschinen, aufbauen mußte. Die internationale Wirtschaftskooperation und eine Art von fernöstlicher Marshall-Hilfe haben viel dazu beigetragen, daß in Japan die modernste Industrie der Welt entstehen konnte. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß Japan nun auch das erste Land sein wird, das große maschinelle Anlagen mit

Japanische Sonnenenergieuhr (in Osaka): Kein „Treibsand“?Sonnenenergie betreiben wird. Ein europäischer Wissenschaftler meinte dazu: „Tatsächlich ist Japan das Land der aufgehenden Sonne; es wird vielleicht auch das Land der aufgehenden Sonnenenergie werden“.

Natürlich braucht Japan auch Kohle, die in vieler Hinsicht öl ersetzen kann. Noch der mittlerweile zurückgetretene Ministerpräsident Tanaka verhandelte in Peking wegen eines chinesisch-japanischen Projekts zur gemeinsamen Ausbeutung enormer Kohlevorkommen in der Mandschurei. Mit erheblichen Investitionen und seiner technologischen Kapazität kann Japan viel zur Beschleunigung der Entwicklung in dieser nördlichen chinesischen Region beitragen, die reich an Mineralien, Kohle, Gas und vielleicht auch an Rohöl ist.

Abgesehen von der Ölkrise, gaben aber vor allem die antijapanischen Demonstrationen im Südwest-Asien den Japanern einen Schock. Wie erinnerlich, unternahm 1974 Tanaka in Thailand, auf den Philippinen, in Malaysia, Singapur und Indonesien eine „GoodwüT'-Besuchstour. In Bangkok, Kuala Lumpur und vor allem in Djakarta randalierten damals zahlreiche Jugendliche gegen Japan. Das Phänomen des „häßlichen Japaners“ wurde seither in der japanischen Presse breit erörtert. Japan hat eine Menge Geld in diesen Ländern investiert, es offerierte Wirtschaftshilfe und erweiterte dabei seinen Markt. Die japanischen Zeitungen ermahnten nun die Investoren, „bescheidener“ vorzugehen und aktiver an der Lösung der Probleme dieser Empfangsländer mitzuwirken.

Japan ist zwar ein Wirtschaftsgigant, es wird jedoch nur durch den amerikanischen Atomschirm gegen eventuelle Angriffe der Sowjetunion und Chinas verteidigt. Moskaus Beziehungen zu Japan sind eher delikat. Das japanische Volk hat niemals den letzten Tag des Zweiten Weltkriegs vergessen, als Moskau in den Krieg eintrat und die nördlichen Territorien, die Kurilen-Inseln, Shikotan, Etorofu, Kunashiri und Habomai besetzte. Moskau behauptet heute, daß diese strategisch wichtigen Inseln „Teile der Sowjetunion“ seien. Zwischen der UdSSR und Japan gibt es noch keinen Friedensvertrag, nur eine „provisorische Abmachung“ seit 1956, durch die der Kriegszustand beendet wurde.

Die Japaner fordern seit Jahrzehnten die; Rückgabe det nördlichen Gebiete, heftiger, noch- als bisher nach der Rückgabe der Insel Oki-

nawa durch die Amerikaner im Mai 1972. Als im vergangenen Oktober Tanaka nach Westeuropa auch Moskau besuchte, forderten beide Häuser des japanischen Kongresses einstimmig — einschließlich der Repräsentanten der Kommunistischen Partei —, daß die UdSSR die nördlichen Territorien an Japan zurückgeben solle. Als die arabischen Länder Japan baten, seinen Standpunkt in bezug auf den Mittleren Osten zu formulieren, antwortete die japanische Regierung mit einer Erklärung, derzu-folge Japan das Prinzip respektiere und immer respektiert habe, daß niemand Gebiete gewaltsam erobern und annektieren dürfe. In diplomatischen Kreisen verstand man schon damals, daß diese Erklärung nicht gegen Israel, sondern gegen die Sowjetunion gerichtet war.

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