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Japans Abschied von der Weltpolitik

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THOMAS IMMOOS berichtet aus Tokio

In Amerika breitet sich eine starke Mißstimmung gegen Japan aus, weil es - obwohl 70 Prozent seines Öls aus der Golfregion stammen -nicht bereit ist, dorthin Truppen zu entsenden - nicht einmal für Hilfsdienste hinter der Front. Neun Milliarden Dollar, die jetzt als Beitrag zu den Kriegskosten im Parlament zur Diskussion stehen, sind gewiß keine Kleinigkeit; aber was Japan

leistet - vorher waren es schon vier Milliarden (siehe weiter unten) -geschieht nur langsam, dem Druck des großen Bruders folgend.

Bedenklich ist vor allem, daß in Japan ein Machtzentrum fehlt, ein Management, das Krisen bewältigen könnte. Normalerweise fällt das wenig auf. Denn die seit dem 8. Jahrhundert nach chinesischem Vorbild aufgebaute Bürokratie verwaltete seit jeher den Staat ziemlich unabhängig von den nach außen in Erscheinung tretenden Machthabern.

In der Krise aber erreicht dieses

System der indirekten Herrschaft seine Grenzen. Zudem besitzt Premier Kaifu Toschiki keine Machtbasis in der Partei und führt sein Amt nur nach Fernsteuerung aus. Traditionell ist seine Hauptaufgabe, möglichst vielen Kollegen zu Ministerwürden zu verhelfen, wobei staatsmännische Talente nicht gefordert sind. In der Golfkrise wirkt er daher hilflos und vermag seine Ideen nicht durchzusetzen. Seine Niederlage im Versuch, Streitkräfte für Hilfsdienste hinter der Front zu entsenden, scheiterte am Widerstand der Opposition und der öffentlichen Meinung.

Durchsetzen konnte Kaifu zunächst die Bezahlung von zwei Milliarden Dollar als Hilfe für die unter den Sanktionen leidenden Nachbarn des Irak und den gleichen Betrag an die Kosten des Aufmarsches. Nun aber fordern die USA im Klartext, Japan solle 20 Prozent der Kriegskosten übernehmen. Als ersten Beitrag versprach Finanzminister Haschimoto bei der Konferenz der sieben Industriemächte neun Milliarden Dollar sowie eine weitere Milliarde an die Nachbarn des Irak.

Größere Schwierigkeiten bereitet

der Plan, fünf Transportflugzeuge der Armee mit einer 250köpfigen Mannschaft an den Golf zu entsenden, um Zehntausende von Flüchtlingen aus Amman und Damaskus nach Kairo zu fliegen, von wo aus zivile Flugzeuge japanischer Fluglinien sie dann in ihre Heimat bringen sollten. Diese Operation auf Ersuchen der UNO gilt als Katastrophenhilfe, die nach dem Gesetz erlaubt ist, und soll als großangelegte Übung getarnt werden. Die Opposition verweigert ihre Zustimmung und die öffentliche Meinung ist zurückhaltend.

Nun zeigt sich aber, daß Japan doch am Golf präsent ist. Der eigentliche Held des Krieges ist die Patriot-Rakete, bei der mehr als 20 Prozent der Bestandteile aus Japan stammen. Das gilt überhaupt für alle amerikanischen Waffensysteme, die mit japanischen Chips funktionieren. Die japanische Technologie ist besonders fortgeschritten bei Infrarotstrahlen für Kommunikation und Nachtsicht sowie bei zielsuchenden Bomben.

Im September des Vorjahres wurde mit den USA ein Abkommen über den Austausch der Technologie in fünf Bereichen abgeschlos-

sen: Demagnetisierung für U-Boote, um ein Aufspüren zu erschweren, härtere Stahle für Panzer und Schiffe, Keramikmotoren, Infrarot-Suchgeräte und Raketenmotoren. Japan könnte sogar aus eigener Produktion Patriot-Raketen liefern, aber dagegen steht die Gesetzgebung gegen den Export von Kriegsmaterial.

Japan steht heute als Riesenzwerg da, weil es zu keiner Verantwortung in der Weltpolitik bereit ist. Der Krieg hat in japanischer Sicht eindeutig versagt. Darum wurden die Japaner auch von einem Tag auf den anderen Pazifisten. Sie ließen ruhig die beiden Großmächte sich zu Tode rüsten und setzten in aller Stille zur Eroberung der Weltmärkte durch friedlichen Handel und Verkehr an. Für Japan ist der Krieg längst kein Mittel der Politik mehr.

Rechtskreise nützen jetzt aber das Dilemma aus, das die von den Amerikanern auferlegte Verfassung mit dem Verzicht auf Kriegspotential bereitet, um die Abschaffung aller Hemmnisse zu fordern. Sie führen damit die Kampagne weiter, die schon anläßlich der Thronbesteigung zur Verletzung der Verfassung (FURCHE 46 /1990) geführt hat.

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