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Japans Innenpolitik ist erschüttert. Die führenden U-beraldemokraten bangen um Stammwähler. Korruption gehört zur Kultur. Mock und Vranitzky klopfen demnächst beim Inselstaat an.

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Japans Innenpolitik ist erschüttert. Die führenden U-beraldemokraten bangen um Stammwähler. Korruption gehört zur Kultur. Mock und Vranitzky klopfen demnächst beim Inselstaat an.

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Mit der Wahl des früheren Erziehungsministers ToshM Kaifu zum Ministerpräsidenten hat Japan Ende Juni innerhalb eines halben Jahres seinen dritten Regierungschef erhalten. Das ist äußerst ungewöhnlich für ein Land, dessen Stabilität Henry Kissinger rühmte, weil man schon im voraus berechnen könne, wer in zehn Jahren an der Spitze der Regierung stehen werde. Daß diese Kontinuität durchbrochen wurde, beruht auf dem Umstand, daß die liberaldemokratische Partei wegen einer Reihe von Skandalen die Unterstützung ihrer Stammwähler verlor und erstmals seit 35 Jahren nicht mehr unbeschränkt das Sagen hat.

Von der Wahl ausgeschlossen war die ganz alte Führungsspitze der Partei, sodaß ein Generationensprung aus dem Altherrenbund stattfand. Zur Wahl waren außerdem -man erinnere sich - der frühere Wohlfahrtsminister Yoshiro Hayas-hi und der frühere Transportminister Shintaro Ishihara gestanden, der einst als Romancier debütiert hatte. Kaifu schwang oben aus mit Hilfe der drei stärksten Fraktionen der Partei. Man erwartet, daß er den Posten solange besetzt, bis die vom Recruit-Skandal angeschlagenen Anwärter Shintaro Abe und Kiichi Miyazawa nach einer Weile des wohltätigen Vergessens nochmals ihre Chance wahrnehmen können.

Die LDP verlor ihr Monopol, weil der Ree ruit-Konzern (Medien und Immobilien) allzu freigebig die Führung gekauft hatte, weil zudem die Bauern rebellierten, die ihre überhöhten Preise durch von den USA erzwungene Einfuhren von Fleisch und Zitrusfrüchten gefährdet sahen und wegen der ohne genügende Vorbereitung verhängten Konsumentensteuer von drei Prozent, die zwar unbedingt notwendig ist für die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates in einer schnell überalternden Gesellschaft, die aber vom Publikum, vor allem von den Frauen, die den Finanzhaushalt führen, abgelehnt wurde.

Als Folge dieser Unglücksfälle verlor die LDP bei den Neuwahlen für die Hälfte der Sitze im Oberhaus ihre Mehrheit. Da sie im Unterhaus immernoch über eine solide Mehrheit verfügt, kommt die Opposition noch nicht an die Macht, doch lehrte sie die LDP das Fürchten. .

Die LDP ist weder liberal noch demokratisch, auchkeinePartei, sondern ein verschworener Haufen von Feudalherren, die unter Leitung von fünf Häuptlingen um Ministerposten und Einfluß schachern. Japan besitzt ein gutbezahltes Berufsparlament, doch fordert die Pflege des Wahlkreises in einer Kultur, in der Geschenke nach allen Seiten verpflichtend sind, größere Summen, als ein Abgeordneter legal verdienen kann.Daraus bildete sich die Verfilzung von Politik mit Geschäft, die selbst bei großzügiger Auslegung zur Kor-rup lion fuhren muß. Die Opposition aber war so schwach, unfähig und zerstritten, daß die LDP sich auf andauernde Alleinherrschaft einrichtete.

Sie bescherte dem Land einen Aufschwung, der das Erstaunen des Auslands erregt. Die Sozialisten, als stärkste Oppositionspartei, hatten sich-abgefunden, daß sie niemals Verantwortung zu übernehmen hätten, und richteten sich im ideologischen Abseits ein mit unerfüllbaren Forderungen eines ideologischen Puritanismus, wie Abschaf-

fung der Armee, unbewaffnete Neutralität, Verzicht auf Atomenergie (über 30 Prozent des Bedarfs). Da üblicherweise intelligente Leute ihre Karriere nicht auf der Linken planten, konnten die Sozialisten unbekümmert ihre inneren Streitigkeiten austragen.

Plötzlich aber beriefen sie als Kompromißkandidatin die Staatsrechtsprofessorin Takako Doi an die Spitze, die sich als effektvolle Rednerin und als Magnet für jene Frauen erwies, die sich auf ihre politi-scheMacht besannen, besonders, als der damals amtierende Premier Sosuke Uno wegen sexueller Eskapaden von den Medien angeprangert wurde.

Zuvor waren solche Vorfälle mit Tabu belegt gewesen. Nachdem die Amerikaner gezeigt hatten, wie Gary Hart deswegen als Kandidat abgeschossen worden war, sahen auch die in heftigen Kämpfen um Auflagen verstrickten Medien hier ein zugkräftiges Thema. Das war einer der Gründe, warum Uno nach kaum 50 Tagen abtreten mußte.

Japans Innenpolitik ist in Bewegung geraten. Verlierer der letzten Wahlen sind nicht nur die LDP, sondern auch die Amerikaner, die nun auf einmal die Gefahr erkennen, einen zuverlässigen Bündnispartner im drohenden Abseits sehen zu müssen. Obwohl Japan schon jetzt der größte Importeur ihrer landwirtschaftlichen Produkte ist, übten sie immer stärkeren Druck, vor allem auf Freisetzung der Reisimporte, aus.

* DieBauernaber waren das zuverlässige Stimmvieh der LDP, die ihre Machtbasis auf dem Land bis jetzt wahrte. Sollten die Sozialisten an die Macht kommen, würden sie keine willigen Partner für die USA sein, selbst wenn ihre Präsidentin Doi jetzt schon beruhigende Erklärungen ablegt, sie würde nicht an Abschaffung der Armee denken.

Und die Geschäftswelt Japans steht auch nachdenklich in den Kulissen und denkt nach über die Fortsetzung des Wirtschaftswunders unter roten Fahnen.

Der jetzigen Regierung räumt niemand eine große Zukunft ein. Japan kann notfalls auch ohne sie funktionieren, denn die Macht ruht wie ehedem in der Elitebürokratie, die mit „administrativen Weisungen“, die von keinem Kabinett oder Parlament abgesegnet sind, nach dem Rechten sieht.

Die Krise wird erst voll ausbrechen bei den Erneuerungswahlen für das Unterhaus im nächsten Jahr. Sollte die LDP auch dort die Mehrheit verlieren, käme zum zweiten Mal nach Kriegsende die Opposition an die Macht.

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