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Schlimme Wendung

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Für die absurde Schmierenkomödie, die in den letzten Wochen auf der Politbühne in Tokio inszeniert wurde, hätte Friedrich Dürrenmatt die Stichworte liefern können, denn seine Dramaturgie läßt die Groteske mit der schlimmstmöglichen Wendung enden. Genau das geschah, als die beiden Großparteien, die sich seit Anbeginn der Dinge in den Haaren liegen, zur großen Koalition zusammenrauften.

Mit 206 Sitzen der Liberaldemokraten, 74 der Sozialisten und einigen der Splitterpartei Sakigake könnten sie jede Gesetzesvorlage durchsetzen - vorausgesetzt, daß sie in irgendeiner Frage, vom Postenschacher abgesehen, eine gemeinsame Linie fänden. Bis jetzt warteten die Sozialisten nie mit einem alternativen Programm auf, sondern geruhten einfach gegen alle Vorlagen der LDP zu stimmen. Sie lehnen den Sicherheitsvertrag mit den USA ab, erklären die Armee verfassungswidrig, lehnen Beteiligung an UNO-Truppen ab, wollen nichts von Sanktionen gegen Nordkorea wissen, obwohl die Barzahlungen aus Japan mit umgerechnet schätzungsweise zehn bis 20 Milliarden Schilling die Hauptstütze des letzten Stalinisten bilden.

Dem neuen Premier Tomiichi Murayama, der als radikaler Linker aus der Gewerkschaftsbewegung 1972 ins Parlament einzog, geht jede Regierungperfahrung ab, sodaß er von vornherein als Marionette seiner Drahtzieher tanzen muß. Das zeigt sich schon bei der Wahl des Kabinetts.

Von den 20 Posten nimmt die LDP 13 ein, darunter die Schlüsselpositionen Äußeres, Verteidigung, Außenhandel. Nur fünf Minister verfügen über Regierungserfahrung. Das beweist, daß die neuen Machthaber selbst nicht mit einer langen Dauer der Elefantenhochzeit rechnen, sondern die Gelegenheit packen, um 15 Junioren kurzfristig Ministerposten mit lebenslangen Pensionsansprüchen zuzuschanzen.

Die erste Aufgabe der vierten Regierung in Jahresfrist wird die Teilnahme am Gipfel der G-7 Mächte in Neapel vom 8. bis 10. Juli sein. Murayama, der seinerzeit die Pläne Hosokawas, auf deren Forderungen einzugehen, zum Scheitern brachte, wird mit leeren Händen anrücken. Seine Kollegen in der LDP sorgen zudem dafür, daß die Versuche der beiden Reformer Hosokawa und Hata (FURCHE 5/1994), die Erbhöfe in der Bürokratie zur Verteidigung ersessener Rechte gegen Importe zu beseitigen, ebenso zum Scheitern verurteilt sind. Offensichtlich bildeten die Großparteien die Koalition vorwiegend zur Vorbereitung von Parlamentswahlen.

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