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Keine Revolution in Japan

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Der neue japanische Premier, Morihiro Hosokawa, ist eine ungewöhnliche Erscheinung in der politischen Landschaft. Der 79. Ministerpräsident Japans hat die Hinterlassenschaft der 38 Jahre währenden Alleinherrschaft der Liberaldemokraten zu ordnen.

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Der neue japanische Premier, Morihiro Hosokawa, ist eine ungewöhnliche Erscheinung in der politischen Landschaft. Der 79. Ministerpräsident Japans hat die Hinterlassenschaft der 38 Jahre währenden Alleinherrschaft der Liberaldemokraten zu ordnen.

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Sproß einer Fürstenfamilie, die seit 18 Generationen im Westen eine dominierende Rolle spielte, Enkel des letzten Premiers des Militärregimes, des Fürsten Konoe, der bei Kriegsende Selbstmord beging, Graduierter der katholischen Sophia Universität, Skirennfahrer, Journalist, mit 33 Jahren jüngstes Mitglied des Oberhauses, dann Gouverneur von Kumamo-to, das seine Ahnen einst als Feudalherren regiert hatten, das er nun als Elektronikzentrum, das Silicon Valley von Japan, ausbaute.

Die Gründung seiner „Neuen Partei” vor zwei Jahren, die zunächst belächelt wurde, leitete den Zerfall der LDP ein. Er kam zum Schluß, daß nur eine Reform des ganzen Systems ohne LDP die Lösung der dringenden Probleme erlaube. Deshalb wagte er das Unmögliche: aus acht Fraktionen, von der äußerten Rechten bis zu den Splitterparteien auf der Linken, eingeschlossen die arg gebeutelten

Sozialisten, eine Koalition zu schmieden. Wie sich diese Antagonisten zusammenraufen, ist keineswegs klar. Die Sozialisten bestreiten die Legalität der Streitkräfte, während man im Land angesichts der wachsenden Bedrohung durch China und Nordkorea an Verstärkung der Rüstung denkt; sie bekämpfen die Nuklearenergie, während man zwanzig neue Atomkraftwerke plant; sie opponieren gegen UNO-Truppen aus Japan, während man sich um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bemüht und die Mitarbeit mit der UNO verstärken will. Die Sozialisten müßten, so scheint es, in dieser Umklammerung den Geist aufgeben.

Reform des Wahlsystems

In der Wirtschafts- und Auslandspolitik sind kaum große Veränderungen zu erwarten, denn hier schaut seit jeher die höchst qualifizierte Bürokratie nach dem Rechten, sodaß der Handlungsspielraum eines Premiers eng begrenzt ist. Japan könnte zur Not auch ohne Regierung bestens funktionieren.

Die wichtigste Aufgabe des neuen Regimes ist die Reform des Wahlsystems. Heute sendet jeder Wahlkreis mehrere Vertreter ins Parlament, sodaß sich Kandidaten der LDP gegenseitig bekriegen. Der Preis für den Sieger schlägt sich ungefähr mit 50 Millionen Schilling zu Buche. Für die

Unterhauswahl im Juli soll die LDP über 20 Milliarden Schilling aufgebracht haben.

Unter diesem System kann die Korruption unmöglich ausgerottet werden. Die Politik kostet mehr, als sie legal einbringt. Vorgeschlagen wird deshalb, daß jeder Wahlkreis nur einen Vertreter wählt. Das würde allerdings der LDP eine sichere Mehrheit zementieren, solange die anderen Parteien sich nicht auf je einen Kandidaten einigen. Erst wenn dies gelänge, wäre der Weg zu einem Zweiparteien-System gebahnt. Damit wären auch die Aufwendungen finanzieller Art eingeschränkt. Zudem könnte der Staat die Parteien mitfinanzieren.

Die Sozialisten furchten aber, dadurch zur Bedeutungslosigkeit abzusinken. Zu hoffen ist nur, daß die labile Konstruktion des Kabinetts mit zirka zwanzig Ministern aus acht Parteien solange steht, bis die Wahlreform durchgesetzt wird.

Hosokawa fehlt ein klares Aktionsprogramm. Vage fordert er den Übergang von einer produktionsorientier-ten zu einer konsumorientierten Wirtschaft, bekämpft die Eingriffe der Zentralregierung in die Lokalautonomie, möchte den Markt für ausländische Produkte öffnen und befürwortet die Revision der Verfassung zur Legitimierung der Streitkräfte und ihres Einsatzes im Ausland.

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