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Kühle Kirschblüte für Rostow

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Knapp nach der Kirschblüte kamen die Staatsmänner; zuerst Faure, dann Rostow und zum Schluß Patrick Gordon Walker. Die Kirschblüte war in der Kälte dieses Frühjahrs verkümmert. Das Klima schlug auf die Außenpolitik über, besonders auf die Politiker aus dem Westen, im Frost mußten sie suchen, was es nicht gibt, Japans politische Position im Pazifik.

Faures gaullistische Rhapsodien erweckten nur distanziertes Interesse, da man gerade mit dem Grundriß eines eigenen Gaullismus beschäftigt ist. Doch die Ansätze zu einem autochthonen Gaullismus bekam Rostow mit erschreckender Schärfe zu spüren. Einigermaßen warm war das Klima nur bei Patrick Gordon Walker, der politisch keine Bresche schlug und wahrscheinlich auch keine schlagen wollte. Am Ende der Besuchsserie aus dem Westen und zu Beginn einer Serie von Besuchen aus den asiatischen Staaten blieb nur der Gentlemanaußenpolitiker der Labour-Party in der politischen Erinnerung der japanischen Staatsmänner als durchaus angenehme Erscheinung zurück. Sor gibt es nur Desinterep--Ablehnung.

Blutroter 1. Mai

Aufschlußreich und wesentlich für die Abschätzung der wahren Stimmung in Japan erscheint die kalte Distanz, mit der Rostow empfangen und behandelt wurde. Der Besuch Rostows spielte sich vor einem ungünstigen Hintergrund ab. Die Gewerkschaften stehen auf dem Höhepunkt ihrer Früh Jahrskampagne. Die Maidemonstration, die alle Linksparteien und alle Gewerkschaften, von den extremen Ultra-Chinesen bis zu den gemäßigten demokratischen Sozialisten vereint, wurden gerade vorbereitet. Als sie dann stattfand, knapp nachdem Rostow abgereist war, waren in ganz Japan sechs Millionen Menschen auf der Straße, unter roten Fahnen und nationalistischen antiwestlichen Losungen. Der größte 1. Mai, den Japan erlebte! In den internationalen Hotels trugen die Stubenmädchen und die Boys rote Schleifen, „We Want Higher Wages“ stand darauf. „Yankee go home“ wäre als Lösung der Gewerkschaften der Hotelangestellten doch nicht tragbar gewesen.

Zur gleichen Zeit kam Matsumoto nach Tokio zurück, den Sato auf Sondermission zur Erkundung nach Südvietnam geschickt hatte. Was Matsumoto berichtete, war de Gaulle-deutlich nachempfunden, doch

japanisch intoniert. Fast unausgesetzt gab Matsumoto in Interviews und Vorträgen der japanischen Öffentlichkeit seine Erkenntnisse aus Vietnam kund, ohne die Regierung dadurch zu belasten. Die Regierung hatte es nun leicht, ihre Ansicht erkennen zu lassen, ohne den Besucher aus dem verbündeten Land zu kompromittieren. Matsumoto gilt zwar als einer der Großen

im japanischen Außenministerium und war früher Botschafter in London; doch nach Vietnam war er in inoffizieller Mission gereist, und was er Tokio berichtete, ist die Ansicht eines Privatmannes.

1960—1965

Die japanische Politik und die japanische Diplomatie ist eine Arena der Fraktionskämpfe. Es gibt unter

anderen Fraktionen der afroasiatischen Politik und americophile Fraktionen, deren Wurzel bis in die Vorkriegs- und Kriegszeiten reichen. Die pro-amerikanischen Fraktionen sind im Moment in die Defensive gedrängt. Die Repräsentanten der proamerikanischen Politik sagen jetzt offen, daß die distanzierte Aufnahme Rostows ein fast schlechteres Zeichen als die wilde Ablehnung des Eisenhower-Besuches ist. Damals, 1960, gelang es der Linken hunderttausende Demonstranten in eine Massenhysterie zu jagen und den Besuch Eisenhowers zu vereiteln. In der Prosperität von 1965 sind die Gemüter friedlicher geworden und die antiamerikanischen Demonstrationen, ein Teil des Straßenbildes in Tokio, sind sanft und manierlich wie Prozessionen. Doch auch die Stimmen der Solidarität mit Amerika sind leiser geworden. Die heiter-besinnlichen Züge der Sozialisten von 1965 erzielen eine kaum schwächere Wirkung als das rote Padämonium von 1960.

China—Japan

Peking reagiert auf die strikte Weigerung des Ministerpräsidenten Sato, den japanischen Handel mit China durch Kredite der offiziellen Import-Export-Bank zu stützen, mit schweren Geschützen und erhebt die Kreditfrage auf die politische und grundsätzliche Ebene. Der Zorn der chinahandelshungrigen Firmen

Japans über die neue Gefährdung ihrer Beziehungen mit Peking richtet sich nicht so sehr gegen Sato, als gegen die USA.

Die Unentschlossenheit der japanischen Politik in Asien ist die wirkliche Ursache der allgemeinen Labilität der außenpolitischen Stimmung. Man kennt hier sehr gut die guten Gründe, die ein orthodoxes Festhalten am amerikanischen Bündnis ratsam erscheinen lassen. Das Sentiment wendet sich jedoch Südostasien zu, dem alten Magneten des nationalen Sehnens. Die Welle der afro-asiatischen Erwartungen geht weit über die Linke hinaus bis in die Zentren der Regierungspartei. Hinter den politischen Tagträumen und der Unrast der japanischen Wirtschaft steht das latente Unlust-gefühl am Gleichschritt mit den USA.

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