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Neue alte Kräfte wieder im Spiel

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Eine neue „Asienfraktion“ beginnt sich in der japanischen Politik und in der japanischen Wirtschaft zu formieren. In den Nachkriegsjahren, bis vor kurzem, liefen die Fraktionen in der Regierung, Regierungspartei und im Außenministerium wild durcheinander und gaben das Bild eines chaotischen Interregnums. Nun wird die Devise: „Hier Asien, dort der Westen“, korrekter die USA, zu einem polaroiden Kristalli- sationsprinzip. Das Asienlager fand Int Staatsminister Köne seihen politischen Repräsentanten und entwickelt in einem Teil des Außenministeriums seine diplomatische Hausmacht. Als Führer des amerikafreundlichen Lagers wird heute Sato angesehen, er muß sich vorsehen, daß es nicht „amerikahörig“ heißt. Staatsminister Kono gilt als Fossil der alten japanischen Politik im Nachkriegsjapan; nicht nur der Politik zwischen den beiden Weltkriegen, mehr der Politik der Meiji- zeit und der letzten Tokugawa-Jahrzehnte. Schwer, undurchdringlich, ist er ein politischer Daymio, ein „Boß“, dessen Hausmacht von der klassischen Spielerorganisation bis in die Zentren der Industrie reicht. Die Asiengruppe im Außenministerium ist leicht zu umreißen. Es sind fast genau dieselben Herren, die im Krieg als Achsenfraktion einer americophilen Minderheit gegenüberstanden. Nur sind die Kräfte jetzt anders gelagert. Die Herren der „Asienfraktion“ sind jetzt noch in der Minderheit, und sie sind nicht direkt amerikafeindlich. Zu gut wissen sie, daß ein Einschwenken Japans auf die politischen Wege Ost-

und Südostasi-ens und auf die Freundschaft mit Sukarnofür sie und für ihr Land nur dann nicht ungefährlich ist, wenn man es versteht, weiter unter dem Schutz der

USA zu bleiben und diesen Schutz klug zu nützen.

Satos Beginn steht in einem eigenartigen Licht. Japan erfreut sich einer Konjunktur, die nicht nur im Vergleich mit den anderen Staaten Asiens grandios ist. Innerhalb von fünf Jahren stiegen die Industrielöhne von einem etwas gehobenen asiatischen Standard zu einem durchaus mitteleuropäischen Standard an, und nur in der Landwirtschaft und im Meer des Kleingewerbes gibt es Rückzugsgebiete des Elends. Aus der Prosperität erwachsen aber Kräfte, deren Wurzeln man früher hauptsächlich in der Armut und Zurückgebliebenheit eines Landes gesucht hatte; Kräfte, die vom nationalen Selbstbewußtsein zum Nationalismus führen. Diese Kräfte sind in der japanischen Politik noch nicht entscheidend, und sie sind, wie überall, eingebettet in das Brackwasser politischer Indolenz einer breiten Prosperität. Doch es gehören zu diesen Kräften Politiker, Wirtschaftsgruppen, diplomatische Fraktionen, die Gewicht haben und aus verschiedenen Gründen ihr Gewicht gegen Sato in die Waagschale werfen wollen; gegen Sato, der als Repräsentant einer bedingungslos americophilen Politik gilt. Der neue Ministerpräsident wird größte Elastizität — und vielleicht einen neuen Außenminister brauchen, wenn er seinen Weg zwischen Asienpolitik und Treue zum USA- Bündnis erfolgreich gehen will.

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