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Glosen oder Explosion?

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Die beiden Krisenherde, der Mittlere Osten und Südasien, beginnen zu einem geschlossenen Krisenterritorium zu verschmelzen. Die Beteiligten der Mittelostkrise und die Beteiligten der südasiatischen Krise schließen Bündnisse. Indien hat Syrien und den Irak als Verbündete erworben, Pakistan hat die Waffengemeinschaft mit dem Iran gewonnen: gemeinsame Feinde, gemeinsame Freunde.

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Die beiden Krisenherde, der Mittlere Osten und Südasien, beginnen zu einem geschlossenen Krisenterritorium zu verschmelzen. Die Beteiligten der Mittelostkrise und die Beteiligten der südasiatischen Krise schließen Bündnisse. Indien hat Syrien und den Irak als Verbündete erworben, Pakistan hat die Waffengemeinschaft mit dem Iran gewonnen: gemeinsame Feinde, gemeinsame Freunde.

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Der israelisch-arabische Konflikt und der pakistanisch-indische Konflikt, bisher voneinander getrennt, sind ineinander verwachsen, und die glosende, immer aufbruchbereite Brandlinie verläuft nun von Jerusalem bis Dakka. Damit verbindet auch die Demarkationslinie zwischen den Einflußgebieten der Großmächte das Krisengebiet im Mittleren Osten mit dem Krisengebiet in Südasien: aus zwei Brandherden mach einen!

Indien hat jahrelang an die verschlossenen Tore der arabischen Welt gepocht. Vergeblich. Dort beschuldigte man den Staat mit der Hindu-Majorität der Verfolgung der islamischen Minorität. Der pakistanisch-indische Krieg verbesserte nicht Indiens Prestige in der arabischen Welt. Erst die solide Parteinahme der USA für Pakistan und gegen Indien verschob die Sympathien der arabischen „Antiimperia-listen“. Die Annäherung zwischen dem mit USA-Hilfe gewaltig aufrüstenden Iran und Pakistan schuf dann in den arabischen Staaten die Voraussetzungen für eine Annäherung an die Verbündeten Moskaus. Der Besuch des indischen Außenministers in Damaskus und in Bagdad kündigt eine Bündnispolitik der Verbündeten Moskaus im Mittleren Osten und der Verbündeten Moskaus in Südostasien gegen die gemeinsamen Feinde an.

Pakistans Präsident Bhutto hoffte, daß nach dem Verlust von Ostpakistan, Bangladesch, sein islamischer Sozialismus, die Sympathien der Bevölkerung Restpakistans und die Loyalität der islamischen Staaten sichern werde. Dieser islamische Sozialismus ist an der Armee und an den „zweihundert Familien“, den Privilegierten, gescheitert. Die Erfolglosigkeit seiner Innen- und Außenpolitik zehrte an der Loyalität der islamischen Staaten. Von außenpolitischer Isolierung und innenpolitischer Zerfallserscheinung bedroht, demonstrierte Bhutto säbelrasselnd die Waffenbrüderschaft mit dem allen arabischen Staaten verhaßten Iran. Tikka Khan, dessen Kriegsrecht 1972 in Bangladesch im Bengalengemetzel endete, fuhr als Bhuttos Kriegsminister zu gemeinsamen Stabsbesprechungen nach Teheran. Wie die Sowjets hinter der Bündnispolitik Indiens mit Irak und Syrien, stehen die USA hinter dieser Waffenbrüderschaft. China zeigt sein Einverständnis durch beharrliche Unterstützung Bhuttos und bessere Beziehungen mit dem Iran.

Um den Iran drehen sich die neuen Bündnisse und Entwicklungen. Innerhalb eines Jahres ist der Iran zur führenden Militärmacht zwischen China und dem Mittleren Osten geworden. Der Schah und Nixon haben ein Beispiel für die „Asiatisierung der asiatischen Politik“ gesetzt. Mit neuen Waffen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar zeigt der Iran seine Muskeln als Beschützer Pakistans in Südasien und als Wächter des freien öltransportes im Arabischen Meer. Der Iran soll die aggressiven Erdölerzeuger des arabischen Raumes und auch Indien in Schach halten. Die Spitze ist gegen die unruhigen Erdölproduzenten des arabischen Lagers gerichtet, in erster Linie gegen den Irak. Aber von der Rolle des Iran als Beschützer Pakistans fühlt sich Indien bedroht. So ist die Position des größten Erdölproduzenten, des Iran, als der größten Kriegsmacht am Arabischen Meer, der letzte Anstoß für eine Bündnispolitik Indiens mit den „fortschrittlichen“ Staaten der, arabischen Welt, vor allem mit dem Irak. Die Propaganda gegen den

[ran unter den „Antiimperialisten“ im Mittleren Osten und in Südasien nat schon wohlbekannte Intensität jnd Färbung erlangt. Frustrierter Sozialismus und Nationalismus werden überall auf den neuen Zielpunkt [ran abgelenkt. Der Gipfel in Washington wird entscheiden, ob das Krisenterritorium in mehr oder weniger friedlichem Glosen bleibt, ader ob der Fusionspunkt Iran zum Explosionspunkt wird. „Die potentielle Gefahr eines Erdölvietnam“, kommentiert man in Bombay.

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