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Als der Oktoberkrieg zu Ende war, half Moskau die Situation am Suezkanal zu entschärfen.

Doch fünf Monate später stärkte Gromyko in Damaskus den syrischen Widerstand gegen jede Befriedung des Nahen Ostens.

Was ist verändert?

Eine dritte Kraft ist entstanden. Zersplittert oder geschlossen beginnt das arabische Erdöl seine eigene Dynamik zu entfalten. Teile der Staaten des arabischen Erdölbesitzes sind dem Westen verbunden, Teüe dem Osten. Doch in Wechselbeziehung führen sie nun die Hände der Großmächte, der verbündeten und der gegnerischen. Das Beispiel: die Unsicherheit der Sowjetpolitik im Nahen Osten.

Jahrzehntelang ist in der Weltpolitik von der dritten Kraft gesprochen worden. Die Neutralen, die Blocklosen, die Afroasiaten. Doch es gebrach ihr an Substanz, an Bindestoff, sie wurde nie Realität und blieb die große Fiktion, verheißungsvoll für die einen, bedrohlich den anderen.

Erdöl ist die echte Substanz und zugleich ein wirksames Bindemittel selbst heterogener Kräfte. Und der Islam ist ein Überbau, unter dem Traditionalismus, Totalitarismus, Nationalismus und Sozialismus gut untergebracht werden können.

Auf dem erdölreichen Vorfeld zwischen dem Suezkanal und der Arabischen See ist die UdSSR nun auf diesen neuen Rivalen gestoßen, auf die zur echten dritten Kraft verwandelte Erdölmacht. Ihre historische und ideologische Verankerung zwingt die UdSSR, den bodenständigen Rivalen durch Hinauflizitieren der Forderungen des radikalen Nationalismus zu bändigen. Die Konferenz der islamitischen Staaten in Lahore beschloß im Bewußtsein ihrer Bedeutung ein Maximal-programm der arabischen Forderungen für den Mittleren Osten.

Syrien und der Irak betrachteten sich immer als das Kernterri-torium des arabischen Islam. Selbst im säkularisierten Syrien, im säkularisierten Irak schwingt der islamitische Auftrag als Programm des arabischen nationalen Sozialismus — des Baath-Sozialismus — mit. Die arabi-sierten und islamisierten Nordafrikaner sind — von Mesopotamien her gesehen — minderwertiger, westlich infizierter Islam. Als Quelle islamitischer Reformbestrebungen wurde

Ägypten, als einigermaßen moderne Streitmacht wurde der ägyptischen Armee widerstrebend Geltung zugebilligt. Jetzt aber, im Alleingang in der Richtung eines Kompromisses mit Israel, sind die Ägypter wieder Mischblütige, Glaubensschwache.

Die Länder Mesopotamiens aber wollen durch radikalen arabischen Nationalismus, durch Fürsprache für die Palästinenser den breiten Strom des arabischen Islams in die Richtung der Maximalforderungen zwingen.

Um aus dem neuen Rivalen einen Verbündeten zu machen, muß Moskau sich an die Spitze der radikalen Kräfte stellen. Sich mit dem radikalen Nationalismus zu verbinden — ohne die Grundlagen der den Atomkrieg verhütenden Vereinbarungen mit Washington zu sprengen —, das ist das Problem der Sowjetführung im Zeichen der neuen Erdölmacht.

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