6829272-1974_29_06.jpg
Digital In Arbeit

To the point

Werbung
Werbung
Werbung

Solange in Portugal kein stabiles Regime herrscht, ist es um den südwestlichen Zipfel des westeuropäischen Konzeptes schlecht bestellt. General Spinola ist nach wie vor der unumstrittene Felsen des nachrevolutionären Geschehens. Und als neuer Regierungschef debütiert in diesen Wochen der führende Intellektuelle der Revolution des 25. April. Durch Terrorakte und Militäraktionen sucht die Befreiungsbewegung Frelimo den Übergang nach europäisch-demokratischen Spielregeln zu verhindern. Die Forderung nach bedingungslosem Abzug der Portugiesen ist zugleich eine Forderung nach uneingeschränkter Macht für Frelimo. Das frühere autoritäre Regime soll durch ein afrikanisches Gewaltregime abgelöst werden. Ein neuer Krisenherd der Stammesfehden und der chauvinistischen Unterdrückung glost, wo noch vor kurzem der Kampf gegen den Kolonialismus und für die Unabhängigkeit die scheinbar so einfache Formel war.

Eine Woche in Portugal: Das gefährliche Flackern der Wirtschaftskämpfe, die von einer total heterogenen Radikallinken geführt waren, ist fast verlöscht; vielleicht nur temporär. Die maoistischen Kader, zum Teil aus den studentischen und lumpenproletarischen Kreisen der portugiesischen Überseeterritorien in das neue Portugal eingeschleust, haben die (sowjetisch-loyale) Kommunistische Partei Portugals zur Stütze der Gesellschaft — und des neuen Regimes gemacht. Und die Konflikte zwischen Politikern und Militärs, zwischen den jungen Offizieren und den alten Grandseigneurs um den Präsidenten sorgten für die neue Unruhe. Das KP-SP-Liberale Koalitionskabinett des Adelino 'de Palma demissionierte. Dem Verteidigungsminister schien die Führung der neuen Regierung sicher zu sein. Da überraschte Präsident Spinola mit der Ernennung des Obersten Vasco dos Santos Goncalves zum Ministerpräsidenten. Nach der politischen und militärischen Verwurzelung des weithin unbekannten Namens suchte und fand man das Koordinationskomitee der Streitkräfte. Der Oberst war der Vorsitzende dieses Gremiums gewesen, das Spinola stützte — und oft führte. Unmittelbar nach seiner Ernennung bekundete der Oberst seinen Koalitionswillen in einem Gespräch mit dem Führer der KP Portugals. Und er bekundete seinen Willen, zu regieren — durch die Festigung des „Kontinentalen Operationskommandos“ —, spezialisiert auf den inneren Notstand. In seinem politischen Manifest erklärte Goncalves: Gegen alle Angriffe ein geschützter Weg zur Demokratie — mit dem Ziel einer Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung im März 1975. Der Seiberstreifen Portugal auf dem westeuropäischen Horizont muß also nicht verblassen.

Allerdings in Afrika: in totaler Feindschaft gegen das von Präsident Spinola geplante Referendum, sucht Frelimo die Städte zu erobern, treibt Einheimische und Weiße in die ziellose Flucht. Wo sie Territorien besetzt, verschwinden die Mitglieder der rivalisierenden Gruppen und Organisationen. Offen bekennt Frelimo, daß heute die Beseitigung der „geheimen Imperialisten“ im afrikanischen Lager, das Machtmonopol in den Händen der Frelimo das dominierende Ziel der Aktion ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung