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„Dort wird sich Europas Schicksal entscheiden“, sagte mir ein Diplomat mit Asienerfahrung aus der Umgebung des Bundeskanzlers. Wir sprachen über die Dritte Welt im allgemeinen, über Asien im besonderen. Und s war am Tag, nachdem der österreichische Außenminister Österreichs Bundespräsident geworden war.

„Wo gibt es zwischen uns und unseren westlichen Nachbarn einen Berg Hebron, daß Waldheim und seine Österreicher uns dort jenen UNO-Geist und jenes Neutralitätsbewußtsein vorexerzieren, die wir in Asien nicht mehr kennen, und die im Westen außer Österreich, fast kein Staat je gekannt hat?“ Das sagte mir — einen Tag später — ein südasiatischer Diplomat.

„Waldheim und seine Österreicher“, wie oft habe ich das in Asien gehört. Stellvertretend stehen sie dort, wo eine österreichische AsienpoMtik Geltung haben sollte.

Der neue Außenminister wird wenig auf die Dritte Welt Ausgerichtetes in seinem Ministerium finden. Die meisten österreichischen Missionen in der Dritten Welt sind erstklassig besetzt. Zuletzt wurde eine neue Mission im aufblühenden Malaysia etabliert. Die jungen Diplomaten auf dem Ballhausplatz reißen sich um Aufträge in Entwicklungsländern. Das ist viel, doch noch keine Politik gegenüber der Dritten Welt. Noch herrscht in der österreichischen Diplomatie die Handelskammerperspektive. Die Handelsbilanz eines Landes mit Österreich bestimmt die 3edeutung dieses Landes für Österreich. Und in den Staaten der Dritten Welt fühlt sich die österreichische Diplomatie als „Hilfskorps“ des österreichischen Außenhandels.

Diese politische Fehleinschätzung beruht nicht auf Gegenseitigkeit.

Denn Österreichs wirtschaftliche Bedeutung und Österreichs politische und moralische Haltung stehen in den Staaten der Dritten Welt in verkehrter Proportion zueinander.

Denn überall in Asien wurde Österreich spätestens 1955 ein Begriff, und ist es in den folgenden Jahren noch viel stärker geworden — ein politischer, ein kultureller, viel mehr als ein wirtschaftlicher: dank „Waldheim und seinen Österreichern“, dank einiger gutgezielter, doch viel zu vereinzelter Einsätze der österreichischen Außenpolitik.

Österreichs Vertrauenskredit in Asien ist fast unbegrenzt. Österreichs Möglichkeiten der „Landesverteidigung durch Prestigeerweiterung“ sind gerade in der Dritten Welt groß. „Lehrmeister Österreich“ und „Beispiel Österreich“ heißt es nicht nur, wenn man über die österreichische Neutralität spricht. Auch Sozialpolitik und Gewerkschaftswesen fallen oft in diese Kategorien. Unbekannt, doch sicher überaus interessant ist allen Staaten Asiens Prinzip und Struktur der vertei-digungsibereiten Neutralität, der österreichischen Landesverteidigung.

Österreichs Neutralität, als Ausgangsposition für Österreichs außenpolitische Initiative zu sehen — das galt als Loitspruch für die österreichische Diplomatie. Nirgends ist dafür das Parkett besser und erfolgversprechender, als in der Dritten Welt. Den Leitspruch in die politische Wirklichkeit umzusetzen sind die österreichischen Diplomaten durchaus bereit — wenn es der kommende Außenminister will.

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