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Der neue Herr ist in sein Ministerium eingezogen. Würdevoll und ruhig. Die Scheinwerfer waren abgeschaltet, Massenmedien nahmen kaum Notiz. Es wurde auch von Programmen nicht gesprochen. Befürchtungen und Hoffnungen ersterben in dieser Nüchternheit. Das war so, wie es der Persönlichkeit des neuen Außenministers entspricht und wie es der hohen Diplomatie und der traditionsreichen Beamtenschaft ziemlich erscheint.

Doch die Aufgaben, die auf den neuen Außenminister zukommen, sind mit den Tugenden und Eigenschaften eines Modelldiplomaten nicht unbedingt kongruent. Sicher wird aber der neue Außenminister über den bewährten

Generalsekretär hinauswachsen. Sicher wird es seine Gewissenhaftigkeit nicht zulassen, daß er als platzhaltender und stellvertretender Außenminister in Erinnerung bleibt. Er kennt die Gefahren einer Außenpolitik, die zur Nur-Diplomatie degeneriert; er wird vermeiden, daß seine Amtsperiade als eine Periode des außenpolitischen Interregnums in Erinnerung bleibt. Freilich hat der neue Außenminister nur kurze Zeit, der österreichischen Außenpolitik seinen Stempel aufzuprägen. Der nächste Wahl-termin ist von Österreich wahrscheinlich genauso weit entfernt Wie der Pensionierungstermin vom Veteran der österreichischen Diplomatie.

Botschafter Bielka wird in einer Zeit' österreichischer Außenminister, in der Erfolge auf der Internationalen Bühne nicht mehr ganz die Lückenhaftigkeit eines außenpolitischen Konzepts verdecken. Und gerade ein kleines, vom Provinzialismus stets bedrohtes Binnenland bedarf der großen Vision seines Einsatzes in der internationalen Politik. Sicher gibt es außenpolitische Erfolge. Sicher sind die außenpolitischen Möglichkeiten noch größer. Doch es gibt auch Erscheinungen der Stagnation.

Österreichs Erfolge liegen ohne Zweifel im Rahmen der UNO. UNO-Generalsekretär Waldheim — aber auch Österreichs UNO-Botschaflter Jankowitsch — haben dort das Prestige unseres Landes weit über dessen materielle Bedeutung gehoben. Auf der UNO-Rohstoffkonferenz hatte Österreich als Inbegriff der agierenden Neutralität eine Schlüsselposition des Vertrauens beider Lager, der Rohstoffverbraucher und der Rohstoffbesitzer. Diese Vertrauensposition zeigt Österreichs Möglichkeiten in der sonst mißtrauischen Dritten Welt. Doch sie kann nicht über die Stagnation der österreichischen Europa- und Nachbarschaftspolitik hinwegtäuschen. Hier beginnt das Profil verschwommen zu werden; Österreichs Beziehungen mit den europäischen Großmächten sind — nicht so schlecht; nach Bernhard Shaw ist aber nichts so schlecht wie etwas, das nicht so schlecht ist. Die Naehbarschaftsbeziehungen mit Jugoslawien hängen noch immer an der Ortstafelmalaise, die Nachbarschaftsbeziehungen mit der CSSR an Prags Intransi-genz. Österreichs EG-Perspektive ist unklar und bleibt unformu-liert. Das Liebkind Europas ist auf dem Weg, zum Mauerblümchen Europas zu werden. Gelingt dem neuen Außenminister, auf diesem gefährlichen Weg kehrtzumachen, beweist dies, daß nicht ein parteitaktisches, sondern das außenpolitische Konzept zu seiner Berufung führten.

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