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Insel der Interesselosen

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Untersuchungen über den Grad der Informiertheit und des Interesses für Politik im allgemeinen und für Außenpolitik im besonderen ergeben ein düsteres Bild: Zwar geben laut Erhebungen des Fessel- und des IMAS-Institutes 13 Prozent der Befragten an, daß sie sich „sehr“ für Politik interessierten, 33 Prozent tun dies nur mehr „etwas“, der Rest von mehr als 50 Prozent interessiert sich aber „eher wenig“ für diese Materie.

Demgegenüber ist es sehr aufschlußreich, daß nur vier Prozent der Österreicher sich über Außenpolitik „sehr gut“ und 21 Prozent sich „gut“ informiert fühlen. Dieser geringe Grad der Informiertheit, darüber hinaus höchst subjektiv, ist sowohl Folge des geringen Interesses der breiten Bevölkerung wie auch der offensichtlich mangelhaften Aktivität der für Information und Bewußtseinsbildung Verantwortlichen.

Nicht zuletzt ist er aber auch ein Niederschlag der Tatsache, daß das „Produkt“ selbst - im engeren Sinn die österreichische Außenpolitik -scheinbar uninteressant ist und nicht zu Diskussion und Reflexion herausfordert - oder auch an neuen Gegebenheiten und aktuellen Gewichtungen innerhalb der internationalen Szene vorbeigeht.

Der zitierte Sachverhalt ist umso erschreckender, als eine aktive innerstaatliche Meinungs- und Willensbildung in einer Zeit der zunehmenden internationalen Konflikte und der immer deutlicheren wechselseitigen Abhängigkeit der internationalen Gemeinschaft äußerst wichtig wäre.

Internationale Politik ist längst nicht mehr etwas, das in erster Linie Diplomaten angeht. Sie fordert in steigendem Maß die Anteilnahme und das Verantwortungsgefühl des einzelnen Bürgers heraus.

Das war der Hintergrund für das 23. Außenpolitische Gespräch der „österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik“, das jüngst aufschloß Hernstein stattfand und im Zeichen des Themas „Außenpolitik und Öffentlichkeit“ stand.

Bei dieser Tagung wurden in einer sehr offenen und kritischen Auseinandersetzung zwischen leitenden Beamten des Außenministeriums einerseits und Vertretern der Medien, des Parlaments, der Wissenschaft und der politischen Bildung andererseits die Ursachen des mangelnden Interesses an außenpolitischen Fragen und die Möglichkeiten der Verbesserung diskutiert.

Mit den Worten, „Nicht gesetzte Handlungen bewirken einen katastrophalen Mangel an Folgen“ umriß Rudolf Bretschneider, Geschäftsführer des Fessel-Instituts, die Situation. Der Grund, weshalb nach verschiedenen Befragungen die Bevölkerung so geringes Interesse für Außenpolitik zeigt, verweist bereits auf den Kernpunkt der Gesamtproblematik:

Der Österreicher hat das Gefühl, mit „ungreifbaren Mächten konfrontiert“ zu sein, er fühlt sich inkompetent und überfordert, er überträgt dieses Gefühl auch auf sein Land und gesteht ihm nur geringe Chancen in internationalen Auseinandersetzungen zu. Anderseits sieht er die Außenpolitik als etwas an, das keine Beziehung zu seinem täglichen Leben und zur „Insel der Seligen“ hat.

Das Desinteresse und die Unsicherheit der Bevölkerung in außenpolitischen Fragen steht nach Meinung von Univ.-Doz. Hans Heinz Fa-bris in direktem Zusammenhang damit, daß diese in den österreichischen Massenmedien eben keine ihrer Bedeutung entsprechende Bearbeitung und Aufbereitung erfahren.

Dozent Fabris sah in diesem Zusammenhang die wichtigste Aufgabe in der Erstellung einer neuen Perspektive: einerseits in einer bewußten Internationalisierung und Verbreiterung der Informationsbasis unter Heranziehung alternativer Informationsquellen, anderseits in einer konsequenten Herstellung des Österreich-Bezuges und in einer Betonung der Kleinstaatlichkeit.

Ebenso zur Verantwortung zu ziehen wie die Medien seien aber auch die Gestalter des Kommunikationsinhaltes Außenpolitik selbst: Das war jedenfalls die Meinung von Univ.-Doz. Andreas Khol, der in seinem Referat zu den Beziehungen zwischen Außenpolitik und Parlament feststellte, daß diese in höchstem Maße verbürokratisiert seien. Die österreichische Außenpolitik hätte an den internationalen Demokratisierungsprozeß keinen Anschluß gefunden und sei infolge der Tatsache, daß auf Grund der geforderten Konsenspolitik Konflikte häufig ausgeklammert würden, gar nicht geeignet, Interesse zu wecken und „veröffentlicht“ zu werden.

Die angesprochenen Kommunikations-Achsen wurden in sehr angeregten Arbeitskreisen weiter untersucht. Dabei und in der darauffolgenden Plenardiskussion wurde die grundlegende Bedeutung der politischen Bildung betont. Sie allein könne den verantwortungsbewußten, kritischen Bürger heranziehen, der für innen- und außenpolitische Gegebenheiten und Erfordernisse sensibel ist.

Von Seiten des Außenministeriums wurde nachdrücklich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Offenlegung der Information betont. Zwei konkrete Vorschläge von Außenminister Wülibald Pahr sind dabei besonders interessant:

Einmal das Angebot, Wissenschaftler und Journalisten für kurze Zeit als „Stagiaires“ in Abteilungen und Außenstellen des Ministeriums zu beschäftigen, um die Uberbrückung der Kluft zwischen Theorie und Praxis zu ermöglichen; zum anderen die Ankündigung eines monatlichen Bulletins der Presseabteilung des Außenministeriums, in dem sowohl aktuelle Nachrichten aus der Arbeit des Ministeriums wie auch Standpunkte zu außenpolitischen Fragen vorgestellt werden sollen.

Darüber hinaus wurde klar, daß Kommunikation ein umfassender Prozeß des wechselseitigen Gebens und Nehmens ist und daß es zum Beispiel auch zu den Aufgaben des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten gehört, Informationen und Anregungen von außen entgegenzunehmen und seine Politik darauf abzustellen.

So wesentlich und substantiell die Beiträge dieser Tagung auch waren, ihre Bedeutung wird sich erst in Zukunft erweisen. Erst da wird sich zeigen, ob sie eine echte Richtungsänderung bewirken konnte, die auch weiterreichende Anstöße in anderen Bereichen auslöst.

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