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Fäden nach Hanoi

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Nun ist auch Laos Volksrepublik, per König hat „freiwillig“ abgedankt, ein kommunistischer Prinz wurde, wie das in Südostasien zur Regel geworden ist, volkdemokratisches Oberhaupt.

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Nun ist auch Laos Volksrepublik, per König hat „freiwillig“ abgedankt, ein kommunistischer Prinz wurde, wie das in Südostasien zur Regel geworden ist, volkdemokratisches Oberhaupt.

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Mitte November sperrte Charles sein Bistro in Vientiane zu. Er mußte, mit allen Ausländern aus dem Westen, Laos verlassen. Selbst das Rote Kreuz wird die Arbeit einstellen. Nur Diplomaten dürfen bleiben, unter strenger Kontrolle allerdings. Die Kontrolle gilt aber auch für alle Missionen der kommunistischen Staaten, mit Ausnahme Nordvietnams. Ein Bistro wie jenes von Charles konnte es nur in Laos geben; Treffpunkt aller Nationen, aller Rassen, aller Geheimdienste und mitten im Bürgerkrieg alkoholische Freistätte für Freunde von Aperitivs und Diskussion aus beiden Lagern, jenem der „Neutralisten“ der i bisherigen Regierung in Vientiane, und jenem der Kommunisten des Pathet Lao. Doch in diesem Frühjahr spürte man bereits im wohltemperierten Laos den rauhen Wind aus Hanoi.

Zuerst blieben die Pathet Lao dem Bistro fern. Sie kamen bald wieder; dienstlich, als Exekutoren von Razzien. Das Klima wurde grimmiger, als es während des Bürgerkrieges gewesen war. Die Fassade des Friedensabkommens zwischen den Neutralisten und dem Pathet Lao war nur noch ein Netzvorhang; dahinter lugte schon die reine Architektur eines kommunistischen Regimes hervor. Laos hatte sich längst den kommunistischen Nachbarstaaten angeglichen; ob es das von Moskau bevorzugte Nordvietnam sein sollte, oder das von Peking gestützte Kambodscha, war zuerst eine Streitfrage in der Führung des Pathet Lao.

Auf einer Gipfelkonferenz der kommunistischen Parteien Indochi-nas, am 12. Oktober in Vieng-Siang, dem Hauptquartier des Pathet Lao, zeigte es sich, daß diese Frage nicht mehr ganz aktuell war. Kambodscha, wie Laos, schwenkte in das Kielwasser des Staates Ho-Chi-Minhs ein. Und Hanoi setzte zur regionalen Flurbereinigung an.

Dem Friedensschluß nach dem Bürgerkrieg in Laos folgte der Einzug der Pathet Lao in Vientiane. Die neue Koalitionsregierung sollte über eine Exekutive gebieten, die aus Neutralisten und Pathet Lao zusammengesetzt war. Sanftmut ist eine laotische Eigenschaft. In Vientiane übertraf Pathet Lao zuerst geradezu das buddhistische Ideal. Man fragte sich, wie lange es dauern werde, bis die sauberen Soldaten den Versuchungen der Hauptstadt unterliegen würden. Sie unterlagen nicht und sie hoben mit Samthandschuhen die allgemeine Moral, besonders behutsam die Moral der Feinde von gestern. In offenen Umschulungslagern erhielten Reumütige nach einer kurzen Zeit freiwilliger Exerzitien die Legitimation des Patriotismus, ein begehrtes

Papier, Dann wurde „freiwillig“ gestrichen und die Lager waren auch nicht mehr offen, Und, wie das so geht in fast allen Staaten Asiens, wurde alsbald den unfreiwilligen Kursteilnehmern das Ende ihres Kurses nicht mehr mitgeteilt. Einige erhielten sogar „Stipendien“ für die Umschulung im Ausland, in Nordvietnam.

Auch die Stufung der Hauptstädte von Laos wurde zunehmend deutlicher. Vientiane war die Stadt, in der alle offiziellen Geschäfte abgewickelt wurden. Luang Prabang, die Königsstadt, war bis zuletzt heilige Schutzstätte für den Hof, die buddhistischen Bonzen und die ruhebedürftigen Neutralisten, die ihre guten Dienste geleistet hatten. Vieng Sai, die alte Hauptstadt des Pathet Lao jedoch, war das politische Zentrum, in dem die Konferenzen tagten und die Entscheidungen fielen.

Im Bürgerkrieg hielten sich sowjetischer, chinesischer und nordvietnamesischer Einfluß die Waage. 1973 erschien es mir freilich bemerkenswert, daß in Vientiane — es war noch Bürgerkrieg — die chinesichen Diplomaten sich mehr mit Souvannaphou-ma und den „Neutralisten“ abgaben als mit den Delegierten des Pathet Lao, die in der feindlichen Stadt, einige hundert Meter vom gegnerischen Militärkommando entfernt, ihre Mission unter diplomatischem Schutz aufrechterhalten durften. (Laos — damals!) Doch draußen, in den militärischen Operationsgebieten des Pathet Lao, gaben nordvietname-siche Militärs und Komissare den Ton an. Unter dem Koalitionsregime, nach dem Friedensschluß, ging der Kampf zwischen den kommunistischen Mächten um den Einfluß in Laos im stillen weiter.

Am zwölften Oktober wurde die dreißigjährige Unabhängigkeit gefeiert. Nprdvietaamesische Uniformen, nordvietnamesische Delegierte beherrschten das Bild auf den Gästetribünen, Vientiane war der Schauplatz des Festes für die Zweitrangigen, die Parteilosen und das diplomatische Korps. Die Führung und die Macht versammelten sich bei den Feierlichkeiten in Vieng Sai. Dort waren auch die Chefs der Delegationen aus den anderen kommunistischen Staaten Indochinas. Nordvietnam war von Troung Ching vertreten, dem Repräsentanten und Experten der Gesamtindochinapolitik unter den Großen Vier seines Landes. Kambodscha — heute nennt es sich Kamputschai — hatte den Vizepre-mier und Außenminister Leng Sary entsandt, den Mann der engen Zusammenarbeit mit Hanoi. Die laotischen Kommunisten vertrat Außenminister Phoune Siprasseuth, der konsequent das Laos-Schicksal mit Ho Chi-Minhs Indochinakonzept verknüpft hat. Für sie ist die Zusammengehörigkeit der Staaten Indochinas so unerläßlich, wie es Indiens Einheit vor der Unabhängigkeit für Gandhi und Nehm war.

Durch die Befreiungsreden in Vientiane zog sich das Motiv „Neutralität und Koalition“. Durch die Reden der Kommunisten in Vieng Sai die Kampflosungen des Antiim-perialismus, des Antiamerikanismus, der Feindseligkeit gegen das benachbarte Thailand.'

Eine Woche nach der Konferenz von Vieng Sai wurde den Ausländern der Ausreisebefehl befristet mit dem 1. Jänner des nächsten Jahres erteilt.

Troung Ching, der am 12. Oktober in Vieng Sai Hauptredner der Gäste war, gehörte 1945 dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Indochinas an, das die Auflösung der

Gesamtpartei und die Eingliederung der Sektionen in die nationalen Organisationen der um ihre Freiheit kämpfenden Länder beschloß. „Ein taktischer Schritt“, sagte er später zu dem kommunistischen Journalisten aus Australien, Birkett. Troung Ching hat immer als der entschlossenste Exekutor der Indöchinapläne Ho Chi-Minhs gegolten und wurde bald zum Exekutor der politischen und der administrativen Maßnahmen für die Vereinigung von Süd- und Nordvietnam.

In Vientiane sprechen die Kommunisten schon von einer „Kommunistischen Partei Indochinas“. Und allgemein glaubt man, daß von Hanoi die Ratschläge kommen, die Pathet Lao befolgt Mit Ieng Sarys wachsender Macht im Khmer Rouge dehnt Hanoi seinen Einfluß auch Schritt für Schritt über Kamboodscha aus. Langsam kommt es zutage, daß der Beschluß der Selbstauflösung der Kommunistischen Partei Indochinas von 1945 nur eine Phase im Befreiungskampf der verschiedenen Länder betraf. Im neuen Indochina sucht Hanoi den aus taktischen Gründen aufgespaltenen Kommunismus der Region wieder zusammenfügen: als ein Moskau' der kommunistischen Staaten Indochinas. . Seit Jahren blicken die von Moskau und von Peking im Stich gelassenen Befreiungsbewegungen in Malaysia, Burma, Thailand und den Philippinen auf Nordvietnam, das vom Opportunismus und von den Machtkämpfen der kommunistischen Großmächte unbefleckt geblieben ist

In das Lager der Blocklosen zieht Nordvietnam als der Führer der Kommunistischen Staaten Iridochi-nas, als der Vertreter der militanten „Antiimperialisten“ Südostasiens ein; eine politische Macht, deren Freundschaft für Moskau und Peking eine asiatische Existenzfrage ist.

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