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Hanois zweite Front

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Noch vor ein paar Monaten waren Vietnam und Biafra im Vordergrund. Dann machte die CSSR Schlagzeilen. Wann und was wird das nächste sein?

Eine Reihe „vergessener Kriege“ könnte morgen zu großen Krisenher- den werden. Laos, dieses „schläfrige Land", wo bereits seit langem der Krieg tobt, wird die Zukunft Süd- ostasiens sehr ernst beeinflussen.

Während der ergebnislosen Verhandlung mit der nordvietnamesischen Delegation in Paris beschuldigte US-Botschafter W. AverillHary- xnan am 5. Juni 1968 Hanoi, „nicht nur einen, sondern mehrere Kriege" geführt zu haben. Er appellierte an Ho Tschi-minh, die Neutralität Laos’ zu respektieren und den Krieg in Vietnam zu beenden. Der amerikanische Chefdelegierte wollte damit die Welt auf eine Tatsache aufmerksam machen, die den Asienbeobachtern schon lange bekannt ist: Ho Tschi- minh, der „Lenin Vietnams“, will seinen alten Traum seit 1930 verwirklichen — eine kommunistische Indochinesische Föderation, die außer Vietnam, Laos und Kambodscha auch den nordöstlichen Teil Thailands umfassen soll. Außer in Vietnam lodert seit 20 Jahren ein Krieg in Laos. Anfang 1968 starteten die nordvietnamesischen Einheiten in Laos eine „Offensive der Trockensaison“, die größte seilt zwei Jahren. Die kommunistischen Verbände haben die laotischen Regierungstruppen weit hinter die Linie gedrängt, die die letzteren im vergangenen Jahr erreicht haben. Hanois Infiltration in Laos begann schon 1950, als seine Truppen damals in Laos einfielen, die lokalen kommunistischen Pathet-Lao-Ein- heiten unterstützten und gegen die königliche Regierung in Vientiane kämpften. Nordvietnam hat praktisch die Pathet-Lao mit allen Mitteln am Leben erhalten. Außer Waffen, Kleidungen und Lebensrnitteln werden auch frische Offiziere und Soldaten der vietnamesischen Volksarmee (d. h. nordvietniamesi- »che reguläre Truppen) in die Pathet-Laos-Bewegung „gepumpt“. Militärfachleute schätzen, daß Hanoi bisher schon 57 Bataillone der regulären VNVA nach Laos eingeschleust hat.

Das Genfer Abkommen 1962

Seit 1962 wuchs die Zahl der in Laos eingedrungenen nordvietnamesischen Truppen ständig. Es war das Jahr, in dem das zweite Genfer Abkommen bezüglich Laos von Burma, Kambodscha, Kanada, Frankreich, Indien, Polen, der Volksrepublik China, der Demokratischen Republik Vietnam (Nord), Laos, der Republik Vietnam (Süd), der UdSSR. Großbritannien und den USA unterzeichnet, wurde (die USA waren nicht die Signatarmacht des Genfer Abkommens 1954). Das Abkommen von 1962 verlangt den Abzug aller fremden Truppen aus Laos. Aber den offiziellen Berichten der Kontrollkommission (Kanada-Polen-Indien) nach hat Hanoi nur 50 Mann wirklich abgezogen. Die USA zogen ihre 800 „Berater“ ab.

Nach jenem symbolischen Abzug stieg die Zähl der Nordvietnamesen in Laos von einigen tausend auf 30.000 bis 45.000 Mann.

Der Grund des großen Unterschieds zwischen der niedrigeren und höheren Ziffer der VNVA-Ein- heiten ist an folgendes zurückzuführen: Außer den erwähnten 57 Bataillonen, die unabhängig ihre militärische Aufgabe in Laos erfüllen, existieren noch mehrere tausend nordvietnamesische Truppen, die in die Pathet-Lao-Truppen eingegliedert wurden. Es gibt außerdem noch viele nordvietnamesische Militär- und Zivilkraftfahrer, die den Mili- tämachschub aus dem Norden über Ostlaos nach Südvietnam und Kambodscha transportieren. Eine solche Infiltration im großen Ausmaß kann monatlich zirka 12.000 Mann aus Nordvietnam in den tiefen Süden einschleusen.

Die jetzige Lage in Laos sieht etwa so aus: 15.000 Mann nordvietnamesische Truppen und zirka 28.000 Mann Pathet-Lao-Einheiten führen einen Guerillakrieg im Nord-osten des Landes. Im Südosten Laos’ erhalten 7000 nordvietnamesische Soldaten und 18.000 Mann laotische Hilfstruppen den Ho-Tschi- minh-Pfad aufrecht. Die Kommunisten haben fast die Hälfte von Laos „befreit“. Laos ist praktisch schon wieder ein geteiltes Land in Asien. Nach japanischer Schätzung befinden sich heute zwei Drittel des Bodens und 75 Prozent der Bevölkerung vorläufig noch in der Hand der Vientia- ner Regierung, die eine Streitmacht von 100.000 Mann unterhält, was für die Verhältnisse in Laos eine enorme Leistung und zugleich Belastung darstellt.

Prinz Souvanna Phouma, der neutrale Premierminister von Laos, machte Ende Juni einen „privaten Besuch“ in Paris. Dort führte er geheime Gespräche mit der amerikanischen Delegation. Außerdem veröffentlichte er eine Erklärung, worin er den Abzug der nordvietna- mesischen Truppen aus Laos forderte. Trotzdem ist er gegen jegliche Einmischung durch irgendeine internationale Intervention in seinem Land. Er sagte, die Sowjetunion (als ein Mitvorsitzender der Genfer Konferenz) unterstütze den Standpunkt seiner Regierung in Vientiane, und seine Position wird davon abhängig sein, ob die Neutralität Laos’ fortgesetzt und gesichert werden kann. Moskaus jetzige Haltung gegenüber Laos ist leicht zu verstehen, da die Pathet-Lao pekingoriemtiert sind.

Die laotische Regierung ist nach dem Genfer Abkommen ein Troikasystem: Neutrale, Rechtsgerichtete und Linksgerichtete haben jeweils ihre Sitze in der Koalitionsregierung. Doch seit 1963 haben die Pathet- Lao unter ihrem Führer, dem roten Prinz Souphanouvong, dem Halbbruder von Souphanna Phouma, ihre vier Minister als Protest gegen die Beschuldigung Phoumas, daß die Pathet-Lao die Neutralität des Landes verletzten, aus der Koalitionsregierung abgerufen.

Die USA haben der Vientianer Regierung bereits seit langem militärische oder sonstige Hilfe gewährt. Es sind 1750 amerikanische Offiziere einschließlich 880 Angehörigen in Laos. Sie bilden sozusagen die Vorhut der in Thailand stationierten US-Truppen. Die durch das Genfer Abkommen 1962 nominell garantierte Neutralität Laos’ ist auf eine harte Probe gestellt worden. Moskau hat die Pathet-Lao weiterhin durch Flugtransport mit Kriegsmaterialien unterstützt, ganz Zu schweigen von dem Engagement Pekings und Washingtons.

Laos besteht aus drei Königreichen, die früher von den französischen Kolonialherren zusammengeschlossen wurden. Das Land ist ungefähr so groß wie Großbritannien.

Die laotische Regierung wollte das Land zu einer „Schweiz des Ostens“ machen. Dieses Schlagwort gefällt dem Hanoier Machthaber überhaupt nicht. Nun ist es soweit, daß Laos zur zweiten Front Hanois wurde. Nach Laos wird der Weg zu Thailand ganz offen sein…!

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