6815326-1973_05_10.jpg
Digital In Arbeit

Die Vogel-Strauß-Prinzen

Werbung
Werbung
Werbung

Der Bruderzwist im „Land der tausend Elefanten“ ist zweifellos einer der seltsamsten Kriege der modernen Zeit.

Als 1962 die erste laotische Koalitionsregierung gegründet wurde, holte der rote Prinz Suvannavong von der aristokratisch-kommunistischen Neo-Lao-Haksat (Neue Patriotische Partei) aus den „befreiten Gebieten“ der Provinzen Khang Khay und Xieng Khuang eine Kompanie der roten Sondereinheit, die als Leibwache der Minister der Koalitionsregierung fungieren sollte, nach Vientiane.

Als die Koalitionsregierung später aufgelöst wurde und der Bürgerkrieg zwischen den Regierungstruppen und den Pathet Lao erneut aufflammte, blieb diese rote Sonderkompanie nach wie vor im Zentrum der Hauptstadt Vientiane. Sie hatte nach wie vor die Aufgabe, die Sicherheit der Regierungsgebäude und der Prominenten zu garantieren. Eine bewaffnete feindliche und dennoch friedliche Einheit inmitten der Hauptstadt — was für eine seltsame Szene!\

Da die Hauptstadt des laotischen Königreiches eine Einflußzone des neutralen Prinzen Suvanna Phuma ist, erwog dieser, die seltsame Situation zu beenden und die kommunistische Kompanie aus der Stadt zu jagen. Infolge einer Intervention des Internationalen Komitees zur Überwachung des Waffenstillstandes konnte er aber nicht auf seine Rechnung kommen.

Im derzeitigen Laos ist die politische und militärische Macht zwischen der Zentralregierung unter Suvanna Phuma und dem Kommunistenführer Suvannavong geteilt. Der laotische König, Boroma-Setha-Kathia-

Suria-Vongsa-Phra-Maha-Sri-Savang-Vatthana, der in der Königsstadt Luang Prabang residiert, hat nur den leeren Titel, stellt eine sakrale Präsenz dar und besitzt keinerlei Macht.

Prinz Suvanna Phuma und Prinz Suvannavong sind Brüder mit gleichem Vater und verschiedenen Müttern. Phumas Frau ist eine französische Adelige, seine politischen Gedanken sind dementsprechend neutral und eher prowestlich. Sein Bruder . Suvannavong hat eine nordvietnamesische Frau; allein diese Tatsache läßt ihn engere Beziehungen zu Hanoi pflegen.

In den Truppen der kommunistischen Pathet-Lao-Bewegung von Suvannavong gibt es viele nordvietnamesische Soldaten in Pathet-Lao-Uniform. Doch die nordvietnamesische Botschaft in Vientiane spielt hartnäckig Vogel Strauß, ohne dies zuzugeben. Die Anwesenheit der rotchinesischen Inflltrations-einheiten in Laos ist jedenfalls allgemein bekannt.

Die thailändischen Militärbehörden haben kürzlich einen rotchinesischen Deserteur namens Li Jao-jing westlichen Journalisten vorgeführt. Li ist 20 Jahre alt und vom Meo-Stamm, aus der südwestchinesischen Provinz Jünnan. Er ist gemeinsam mit 200 rotchinesischen Soldaten der 11. Armee (früher Grenzschutzeinheit) über Laos nach Nordthailand eingedrungen. Im Juni vergangenen Jahres ergab er sich den thailändischen Behörden. Grund: Sein Vorgesetzter hatte ihm verboten, eine Thailänderin zu lieben.

Durch Li's Aussage wurde bekannt,, daß es in der laotischen Provinz Xaignabouri (Sayaboury) das „59. Kommando“ der rotchinesischen Volksbefreiungsarmee gibt, das die Guerillatätigkeit sowohl in Laos als auch in Nordthailand leitet.

Jetzt, nachdem der blutige und grausame Krieg in Vietnam vorläufig zu Ende geht, ist auch eine Friedenstendenz in Laos zu bemerken. Sogar die extrem rechtsgerichteten Generäle rund um Suvanna Phuma, wie Phumi Nosavan und Prinz Bun-Um-Na-Champassac sind mit der Feuereinstellung einverstanden. Diese rechtsgerichteten Kader bilden seit einem Jahrzehnt eine Militärgruppe, die sich von der weichen außen- und innenpolitischen Linie Suvanna Phumas nicht bändigen läßt.

Die Friedensverhandlungen zwischen den Laoten verschiedenen Lagers sollen nun ebenfalls paraphiert worden sein. Man einigte sich bereits über die Fragen der Nationalfahne, des Regieru;v3ysterniS, der Reorganisierung der Truppen, der verschiedenen Parteien, der Gruppen und Fraktionen sowie der „Tagesordnung zur Staatsgründung“ des „Neuen Laos“.

Das schnelle Zustandekommen des Waffenstillstandes in Laos war aber nur durch das weitgehende Nachgeben der laotischen Neutralisten unter Prinz Suvanna Phuma möglich. In der Vier-Punkte-Vereinbarung erhält freilich der kommunistische Pathet Lao großzügige Zugeständnisse:

• Innerhalb von 30 Tagen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens sollen eine Koalitionsregierung und ein Politischer Konsultativausschuß gegründet werden. Das Kabinett wird von drei Gruppen gebildet: dem Pathet Lao, der Vientiane-Regierung und einer Gruppe von verschiedenen unabhängigen und neutralen Fraktionen. Der Politische Konsultativausschuß wird ebenfalls von Vertretern der drei Seiten gebildet und wird an die Stelle des jetzigen Parlaments in Vientiane treten.

• Vientiane soll Hauptstadt des

„Neuen Laos“ sein, die nicht von irgendeiner Gruppe allein, sondern von allen drei Seiten kontrolliert wird. Die Zone um die Hauptstadt soll entmilitarisiert werden und völlig neutral bleiben.

• Das Genfer Abkommen von 1962 stellt nach wie vor die Grundlage für die Lösung der laotischen Fragen dar; die Errichtung demokratischer Organe und die Revision der Staatsverfassung werden eingeleitet.

• Innerhalb von 90 Tagen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens müssen alle fremden Truppen aus Laos zurückgenommen werden.

Die große Frage ist, ob sowohl der Waffenstillstand in Vietnam als auch jener in Laos (und in Kambodscha) in Wirklichkeit etwa nur ein Intermezzo sind, das Zeit für eine Umgruppierung der Kräfte gewährt.

Niemand kann garantieren, daß die Rotchinesen nicht nach wie vor im Land bleiben werden, um einen echten Frieden zwischen den laotischen Brüdern und eine eventuelle , Helvetisierung“ des Königreichs, von der die Laoten träumen, zu verhindern. Weil ja die Rotchinesen längst Pathet-Lao-Uniformen tragen — und keine „Fremden“ mehr sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung