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Warten auf Tag X

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In Phnom Penh ist kein Ende des Krieges abzusehen, der seit langem an den Toren der kambodschanischen Hauptstadt rüttelt. Die Khmer Rouge kontrollieren heute bereits vier. Fünftel der Oberfläche des Landes und fast die Hälfte der,sieben Millionen Kambodschaner. Fast eine Million Menschen sind vor dem Krieg in die Hauptstadt geflüchtet, die dadurch aus ihren Fugen zu bersten droht.

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In Phnom Penh ist kein Ende des Krieges abzusehen, der seit langem an den Toren der kambodschanischen Hauptstadt rüttelt. Die Khmer Rouge kontrollieren heute bereits vier. Fünftel der Oberfläche des Landes und fast die Hälfte der,sieben Millionen Kambodschaner. Fast eine Million Menschen sind vor dem Krieg in die Hauptstadt geflüchtet, die dadurch aus ihren Fugen zu bersten droht.

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Die Kambodschaner sind schon lange müde eines Kampfes, den nur keiner zu beenden weiß. Die lange währende Uneinigkeit in der Regierung hat auch eine erneute Kabinettsumbildung nicht beseitigt, die unbekannte jüngere Leute an die Spitze brachte. Die Amerikaner möchten gerne Sirik Matak, einen Vetter von Prinz Sibanuk, auf dem Präsidentensessel sehen, der aber auch kaum das Steuer herumwerfen könnte.

Phnom Penh gleicht einer belagerten Stadt, die auf den „Tag X“ wartet; einen Tag, der aber vielleicht niemals kommen wird. Angesichts der Knappheit an Lebensmitteln und Konsumgütern haben sich die Preise gewaltig erhöht. Der Reispreis ist seit einem Jahre um rund 600 Prozent gestiegen. Die Korruption in Regierungs- und Armeekreisen hat Ausmaße angenommen, wie sie selbst Südvietnam nicht gekannt hat. Oftmals zahlen die Offiziere ihren Soldaten nicht einmal den mageren Sold von 15 Dollar im Monat aus; sie haben „Geistersoldaten“ auf ihren Listen, die in Wirklichkeit gar nicht existieren.

Deswegen auch kommt es gelegentlich vor, daß Soldaten die Gewehre auf ihre Offiziere richten. Doch nur wenige Soldaten sind bisher auf die andere Seite übergelaufen. Erstaunlich, daß es den Lon-Nol-Truppen gelungen ist, ihre Positionen am Rande von Phnom Penh überhaupt zu halten. Konvois bringen Kriegsmaterial und andere Ausrüstung den Mekong hinauf,-und aus Thailand kommen Hilfsgüter mit der Eisenbahn nach Battambang, von wo sie mit den kleinen kambodschanischen Fluggesellschaften „Khmer Akas“ und „Khmer Hansa“ in die Hauptstadt geflogen werden.

Solange die Vereinigten Staaten die notwendigen Hilfsgüter zur Verfügung stellen, kann die Lon-Nol-Regierung den Krieg weiterführen, und Phnom Penh dürfte kaum ausgehungert werden. Die Amerikaner unterhalten schließlich auch die 230.000 Mann starke kambodschanische Armee und liefern die gesamte Kriegsausrüstung. Ohne die amerikanische Hilfe wäre die Lon-Nol-Regierung überhaupt nicht existenzfähig. In ihren Händen befinden sich zur Zeit praktisch nur noch Phnom Penh und einige Provinzhauptstädte.

Doch auch die Gegenseite hat im Kriege nicht die erwarteten Forcschritte gemacht, was wohl auf die beträchtlichen Differenzen zurückzuführen ist, die heute zwischen den kommunistischen „Khmer Rouge“ und den „Khmer Rumdos“, wie die Sihanük-Anhänger heißen, bestehen.

Seitdem am 5. April in Laos eine Koalitionsregierung gebildet wurde, hat sich das äußere Bild der laotischen Hauptstadt, in der es heute nur weniger Soldaten gibt, kaum geändert. Das Leben geht seinen gemächlichen Gang, nur daß in den Ministerien die Pathet-Lao-Beamten mehr arbeiten als die, die anderen Richtungen angehören.

Der kommunistische Pathet Lao hat innerhalb der Regierung die Initiative ergriffen und Entscheidungen getroffen. Das Parlament, in dem die Rechtsopposition stark vertreten war, ist inzwischen aufgelöst worden. Die politische Linie legt der Nationale Politische Rat aus 42 Mitgliedern fest, dem der rote Prinz Souphannouvong, ein Stiefbruder von Prinz Souvanna Phouma, vorsteht.

Die Vientiane-Regierung war bisher weitgehend von den Dollarmillionen Wirtschaftshilfe der Vereinigten Staaten abhängig, mit der unter anderem auch die Armee finanziert wurde. Laos wird auch in Zukunft amerikanische Unterstützung brauchen. Washington selbst scheint recht optimistisch, daß im Lande die Koalitionsregierung von Bestand sein wird.

Doch ihr Schicksal hängt weitgehend von Ministerpräsident Prinz Souvanna Phouma ab, der als einziger ausgleichend wirken und einen Zusammenbruch der Koalition verhindern kann. Es dürfte als ein Erfolg für Souvanna Phouma gewertet werden, daß die laotische Regierung die Bitte der Provisorischen Revolutionsregierung von Südvietnam nach diplomatischer Anerkennung ablehnte. Doch der 72jährige Ministerpräsident, der sein Leben lang für die nationale Einheit seines Landes gekämpft hat, soll jetzt angeblich einen Herzinfarkt erlitten haben, so daß bezweifelt werden muß, ob er noch weiterhin dem Kabinett vorstehen wird.

Sollten die gut organisierten Kommunisten sich eines Tages ganz in den Besitz der Regierungsgewalt setzen, dann könnte dies nicht nur für Laos weitreichende Folgen haben, sondern für Südostasien insgesamt. Denn man kann sich leicht ausrechnen, daß die prekäre politische Situation in Vietnam und insbesondere in Kambodscha nicht unberührt bliebe von einer Zerstörung der gegenwärtigen Machtbalance in Vientiane. Auf weite Sicht wären Unruhe bewirkende Kräfteverschiebungen im sogenannten „Machtdreieck“ Moskau, Washington, Peking denkbar.

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