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Die Tragödie ohne Ende

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Seit 15 vietnamesische Divisionen zu Beginn dieses Jahres in einem Blitzkrieg ihren westlichen Nachbarn überrannten, tobt in Kambodscha (Kampuchea) ein blutiger Guerillakrieg. Die Dschungelkämpfer des gestürzten Diktators Pol Pot setzen sich mit chinesischer Hilfe gegen ihren traditionellen Erbfeind aus dem Osten und seinen Statthalter Heng Samrin erbittert zur Wehr. Zwischen den Fronten verblutet ein Volk.

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Seit 15 vietnamesische Divisionen zu Beginn dieses Jahres in einem Blitzkrieg ihren westlichen Nachbarn überrannten, tobt in Kambodscha (Kampuchea) ein blutiger Guerillakrieg. Die Dschungelkämpfer des gestürzten Diktators Pol Pot setzen sich mit chinesischer Hilfe gegen ihren traditionellen Erbfeind aus dem Osten und seinen Statthalter Heng Samrin erbittert zur Wehr. Zwischen den Fronten verblutet ein Volk.

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In den letzten Monaten hat sich die Situation noch verschärft: sechs Divisionen der Vietnamesen, unterstützt von Flugzeugen und Panzern, unternahmen eine Offensive gegen die im Grenzgebiet zu Thailand operierenden „Knabensoldaten“ Pol Pots.

Daß dieser jünste vietnamesische Angriff offensichtlich erfolgreich verläuft, beweist die Tatsache, daß nach dem 20. April angeblich 80.000 Kambodschaner, darunter mehrere tausend Guerilleros, auf einem zehn Kilometer breiten Abschnitt die Grenze nach Thailand überschritten haben.

Bangkok sieht sich angesichts des wachsenden Flüchtlingsstromes in einer zunehmend brenzliger werdenden Lage. Denn der vietnamesisch-kambodschanische Konflikt droht mit diesen Flüchtlingen immer mehr auch auf Thailand überzuschwappen. Schon rechnen Militärexperten in Bangkok damit, daß unmittelbar an der Grenze operierende vietnamesische Panzerverbände nach Thailand einfallen könnten, um den Roten Khmer den Weg zu ihren Stützpunkten abzuschneiden.

Offenbar versuchen die schwer angeschlagenen Guerilleros die im Südwesten vorbereiteten Stellungen in den Kardamom-Bergen zu erreichen. Dort hat der frühere Verteidigungsminister Son Sen mit chinesischer Hilfe genug Vorräte an Waffen und Lebensmitteln anlegen lassen, um den Widerstand auf Monate hinaus weiterführen zu können.

Vietnam führt die Offensive mit drei Divisionen, die es während des chinesischen Angriffs im Februar zur Verteidigung iHänöis zurückgezogen hatte. Nun kämpfen diese Truppen wieder in Kambodscha, verstärkt mit drei neuen, im Süden aufgestellten Divisionen. Aber selbst diese neuen Kräfte reichen nicht aus, um Kambodscha zu befrieden und der neuen

Regierung den nötigen Rückhalt zu gewähren.

Mit dem Ziel, in Kambodscha binnen kürzester Zeit einen integralen Kommunismus einzuführen und damit an ideologischer Reinheit alle anderen Genossen zu übertreffen, errichtete der Fanatiker Pol Pot die schlimmste Tyrannei der neuesten Geschichte.

Die Zahl der ermordeten Kambodschaner wird auf über eine Million

Menschen geschätzt. Flüchtlingsberichten zufolge werden die Massaker auch heute noch fortgesetzt, wenn den Roten Khmer von Vietnam vorübergehend „befreite“ Dörfer in die Hände fallen.

Der Terror der Roten Khmer an ihren Landsleuten manifestiert sich in unerbittlichen Strafgerichten, die sie gegen „Kollaborateure“ verhängen. Die Zivilbevölkerung wird gewaltsam gezwungen, sich in den Dschungel zurückzuziehen.

Unter diesen chaotischen Umständen ist die Wirtschaft Kambodschas völlig zusammengebrochen: die Felder werden nicht mehr bestellt, die Infrastruktur des Landes ist völlig zerstört, Tausende von Leichen auf Marktplätzen und neben Straßen verwandeln das Land in ein Totenhaus.

Im Bereich der gesamten „indochinesischen Föderation“, die Hanoi aus den Bestandteilen des französischen Kolonialreiches (Vietnam, Laos, Kambodscha) zu schaffen versucht, droht in nächster Zukunft eine Hungersnpt,

Vietnam mit seiner ebenfalls dar-' niederliegenden wirtscnaft kann sich weder die Besetzung Kambodschas und Laos leisten, noch viel weniger den permanenten Konflikt mit seinem großen Nachbarn China.

In dieser Situation hofft Prinz Si-hanouk, als „rettender Engel“ noch einmal an die Macht zu gelangen. In einem Marathon-Interview in seinem Pekinger Exil erklärte er, daß China nicht nur die Roten Khmer Pol Pots, sondern auch die „Blauen Kumer“ des früheren rechtsgerichteten Premiers In Tarn unterstützt. Der ehemalige „Gottkönig“ Sihanouk scheint tatsächlich die einzige politische Persönlichkeit zu sein, die dem gepeinigten und zerrissenen Volk der Khmer eine neue Sammlung ermöglichen kann.

Sihanouk beteuerte allerdings auch, daß er nicht gewillt sei, die Rolle einer machtlosen Marionette zu spielen. Eine Alternative zu ihm scheint es keine zu geben. Hanoi kann nur in den gleichen Sumpf geraten, den es seinerzeit den Amerikanern in Südvietnam bereitet hatte. Für das kambodschanische Volk, das in den letzten zehn Jahren mindestens um ein Viertel reduziert worden ist, würde das noch mehr Leid bedeuten.

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