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Wachablöse in Hanoi
Die kommunistische Führung Vietnams galt als die stabilste innerhalb des kommunistischen Blocks. Doch die Feiern zum 50. Jubiläum der Parteigründung, die am 3. Februar in Hanoi stattfanden, leiteten weitgehende Veränderungen an Haupt und Gliedern der Staatsführung ein.
Die kommunistische Führung Vietnams galt als die stabilste innerhalb des kommunistischen Blocks. Doch die Feiern zum 50. Jubiläum der Parteigründung, die am 3. Februar in Hanoi stattfanden, leiteten weitgehende Veränderungen an Haupt und Gliedern der Staatsführung ein.
Ersetzt durch ihre Stellvertreter wurden der Verteidigungsminister Vo Nguyen Giap, der Außenminister Nguyen Duy Trinh und der Chefplaner Le Than Nghi; aller drei behalten aber das Amt des Vizepremiers. Abgesetzt wurden vier weitere Minister. Es wird erwartet, daß Premier Pham Van Dong das neue Amt des Präsidenten des Staatsrates übernehmen wird, wenn im April der Nationalkongreß eine neue, nach dem Vorbild der Sowjetunion geschaffene Verfassung annehmen wird.
Möglich ist es auch, daß General Giap bald Haupt der Regierung sein wird. Dieser 68jährige General hatte aus einem Häuflein Reisbauern die mächtigste Kriegsmaschine Südostasiens geschaffen und nacheinander die Japaner, Franzosen und Amerikaner besiegt. Der Sieger von Dien Bien Phu (1954) hatte nie eine militärische Ausbildung erhalten, sondern als Schulmeister die Feldzüge Napoleons studiert.
Sein Nachfolger, General Van Tien Dung, hatte den letzten siegreichen Feldzug gegen Südvietnam geführt und auch den Blitzkrieg gegen Kambodscha geplant. Mit diesen zwei „Falken" an der Spitze ist keine nachgiebige Haltung Vietnams zu erwarten. In Thailand befürchtet man, daß in diesen Tagen die an der Grenze massierten Truppen Vietnams einen Schlag gegen die grenznah liegenden Flüchtlingslager unternehmen könnten.
Anläßlich der Jubiläumstagung leitete der Parteisekretär Le Duan außerdem eine Säuberung der Parteikader und der Bürokratie ein. In seiner Marathonrede beklagte er sich bitter über die Korruption in der Partei. Wurden noch 1976 beim 4. Kongreß 1,5 Millionen Parteiglieder bekanntgegeben, sollen es heute nur noch gut eine Million sein.
Gesäubert wurden vor allem die prochinesischen Sympathisanten (so schied Hoang Van Hoan aus dem Politbüro aus und setzte sich nach China ab), Maoisten, aber auch die Bauern, die einst als Guerilleros „gute Dienste" leisteten, heute jedoch durch Technokraten und Militärs ersetzt werden.
Ein Beispiel: Der 40jährige, in der Sowjetunion ausgebildete Atomphysiker Nguyen Dinh Tu wurde 1976 als alternierendes Mitglied des Zentralkomitees gewählt. Bald darauf wurde er Erziehungsminister, obwohl er Sohn eines Großgrundbesitzers ist und sich an der Revolution nicht beteiligt hatte.
1976 fanden so viele Militärs Aufnahme in das ZK, daß sie heute ein Drittel der Mitglieder stellen. Dieser Trend dürfte sich verstärken, wenn 1981 ein neues ZK und Politbüro gewählt werden sollen.
Vietnam sieht sich in einer überaus schwierigen wirtschaftlichen Situation. Nach dem dreißigjährigen Krieg bedürfte das Land dringend aller Kräfte zum Wiederaufbau. Der Feldzug in Kambodscha, der nach einem Jahr noch immer nicht beendet ist, war mit überhaupt keinem Bedürfnis des Landes in Einklang zu bringen, aber die von den französischen Kolonialherren übernommene Konzeption eines Vereinten Indochina überwog alle Erwägungen der Vernunft.
Durch dieses kolonialimperialistische Abenteuer verscherzte sich Vietnam die dringend benötigten Kredite aus dem Westen, zog sich die Feindschaft Chinas zu und verlor gegenüber der Sowjetunion die von Ho Chih Minh so eifersüchtig gewahrte Selbständigkeit.
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