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Sukarno am Scheideweg

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Der eindeutig prokommunistische Putsch der sogenannten „Gestapu“ (Gerakan September Tiga Puluh — Bewegung des 30. September) Untungs geschah unter dem Vorwand, daß die sechs von ihr auf grausame Weise ermordeten Generäle am 5. Oktober, dem Tag der indonesischen Streitkräfte, einen Staatsstreich „im Auftrag der CIA“ durchführen und die Macht der Zentralregierung übernehmen sollten. Der Putschversuch ist dank der zum größten Teil noch antikommu-nistischen Armee unter General Nasution gescheitert. Die indonesische Armee, vor allem die Siliwangi-Division auf Westjava, die einst als Vertrauensdivision Mohammed Hat-tas, des ehemaligen Vizepräsidenten der Republik, galt, und die Armee auf Sumatra unter General Mogogin-tang hat sich diesmal wieder traditionsgemäß der PKI gegenüber unnachgiebig gezeigt und bewiesen, daß sie die indonesische Nation nicht im Stich lassen will. Der Putsch ist vorbei, der Treueid der Armee gilt nur mehr der indonesischen Nation, nicht aber mehr der Person Sukarnos.

Ein Statist Rotchinas?

Es besteht zwar die Möglichkeit, daß Untung, ein vorher kaum bekannter Oberstleutnant und zugleich der Kommandant eines Bataillons der regimentsstarken Palastwache des Staatspräsidenten, selbst wie Abdullah es-Sallal von Jemen an das Ruder kommen wollte, doch sprechen mehr Tatsachen dafür, daß 'dieser mißlungene coup d'etat wieder ein Drama unter der Regie Pekings war und Untung nur ein Statist ist. Da Rotchina im Vietnamkrieg keinen schnellen Sieg sieht und sich aus der mit Indonesien gemeinsam durchgeführten Konfrontationspolitik gegen Malaysia auch keine allzu großen Vorteile zu ergeben scheinen, anderseits aber die Zeit zur planmäßigen Expansion nach Süden drängt, ließ Peking Aidit, seinen Generalmanager in Indonesien, zwei Jahre früher losschlagen als der PKI-Chef selbst plante: .....bis 1967 werde ich

Sukamo nicht mehr brauchen!“

Noch im Juni stachelte die PKI die prokommunistischen Marineoffiziere in Surabaya, der Hauptstadt Ostjavas, zu einem Putsch auf, der jedoch von Sukarno mit Gewalt niedergeschlagen wurde. Einer vom Westen fast übersehenen Nachricht einer Hongkonger Zeitung „Tien Tien Jih Pao“ vom 16. September zufolge, soll Rotchina kürzlich eine Unmenge von Waffen und Munition heimlich über Hongkong in verschiedene Orte an der Nordküste Javas für die PKI geschickt haben. Die Polizei von Djokjakarta in. Mitteljava hat damals bereits 13 Kommunisten verhaftet. Solche Zeichen haben Sukarno wohl zum Bewußtsein gebracht, daß ein KP-Coup vor der Tür steht. Kurz vor dem Unternehmen Unitungs deutete Sukarno in einer Rede an: „ ... ada orang (jemand) will mich versetzen ...“ Er hat zwar nicht direkt ausgedrückt, wer dieser „jemand“ sei, doch war er vorher schon von einem Putschplan unterrichtet — wie immer, durch den Verrat irgendeines Putschteilnehmers. Das Kranksein Sukarnos vor der Stunde X Aidits war vielleicht gar seine Taktik gewesen, um die wirklichen Verschwörer herauszulocken.

Liste der Argumente

Daß dieser Putsch ein prokommunistischer war, beweisen die in drei Punkten zusammenfaßbaren Pressemeldungen, nämlich: 1. KP-Zeitungen haben in Leitartikeln den Putsch unterstützt. 2. Bei KP-Mitgliedern und bei als Kommunisten geltenden Chinesen wurden Waffenlager gefunden. 3. Bei KP-Organisationen wurden Pläne über den Putsch gefunden. Dazu kommen noch folgende merkwürdige Tatsachen: 1. Untung ist längst als linksgerichtet bekannt. 2. Bei der Stellungnahme der Parteien kurz nach dem Putsch schwieg die PKI. 3. Nach — oder vor — diesem Akt hat Aidit Djakarta aus „gewissen guten Gründen“ verlassen, nur Njoto und Lukman blieben noch als „Symbole der Koalition“ in der Hauptstadt. 4. Die rotchinesische

Botschaft in Djakarta war die einzige ausländische Mission, die dem Aufruf der indonesischen Regierung, während der Trauerwoche für die ermordeten Generäle die Flaggen auf Halbmast zu setzen, nicht nachgekommen war.

Der große Spieler

Sukarno ist ein großer Spieler gewesen, in der Politik auf internationaler und innenpolitischer Ebene wie in seinem Privatleben. Nach der Unabhängigkeit Indonesiens am 17. August 1945 hat er als autokratisch regierender Staatspräsident außer den dauernden territorialen Ansprüchen nicht viel für das Wohl des indonesischen Volkes hinsichtlich der Wirtschaft getan. Seine Politik beschränkt sich nur auf die „Neutralisierung“ des Kampfes zwischen verschiedenen streitenden Machtgruppen — zuerst Masjumi-PSI einerseits und PNI-PKI andererseits, und dann PKI und

Partei Murba — um seine eigene Herrschaft so lange wie möglich zu sichern. Sein persönlicher Einfluß reichte aus, um öffentliche Konflikte innerhalb des Landes für kurze Zeit zu vermeiden. Da er nun aber seine Schwäche zeigte, kommt ein neuer Streit zwischen der PKI (drei Millionen Mitglieder, drittgrößte KP der Welt) und den Streitkräften (420.000 Mann) sofort ans Tageslicht.

Die Streitkräfte aber sind seit langem innerlich gespaltet. Nicht nur durch regionale Ursachen, wie das bei der Konkurrenz zwischen den Javanern und Außerjavanern der Fall ist, sondern auch politisch. Die Luftwaffe und Marine erhielten zumeist materielle sowie technische Hilfe aus Rotchina und der Sowjetunion, so daß sie mehr “'on Kommunisten infiltriert sind als die Armee. Ob Nasution nach einem eventuellen Sturz Sukarnos der neue „sträng man“ Indonesiens siehi kann, bleibt noch dahingestellt.

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