Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Tiongkok heißt noch immer Tjina
Noch im Februar dieses Jahres, als die japanisch-rotchinesische Liaison zustande kam, sandte Kakuei Tana-ka, der japanische Premierminister, seinen „Heiratsvermittler“ Takeo Kimura nach Djakarta, mit dem Zweck, Indonesien umzustimmen, eine Gipfelkonferenz Japans, Chinas und Indonesiens einzuberufen und die geschiedene Ehe zwischen den beiden letzteren wiederherzustellen. Doch Indonesien hat dieses Angebot abgelehnt.
Die indonesische Regierung unter dem Staatspräsidenten Generalleutnant Ibrahim Suharto ist antikommunistisch und Peking-feindlich. Sie erhält zwar große wirtschaftliche Hilfe von Washington, den anderen westlichen Ländern und den prosowjetischen Ostblockstaaten, doch bleibt das Reich der Tausend Inseln neutral und wird seine Blockfreiheit auch weiterhin bewahren; dies jedenfalls hat Generalmajor Soedjono Hoemardani, einer der beiden engsten Privatberater Suhartos, dem Verfasser gegenüber bei einem Gespräch am 8. Juli 1971 in Djakarta unterstrichen.
Seit der ehemalige Don-Juan-Präsident Ahmed Sukarno nach dem KP-Putsch vom 30. September 1965 unter der Pekinger Regie, wobei er selbst und Dewi, seine japanische Ehefrau Nr. 4, eine zwielichtige Bolle spielten, von seinem Thron gestoßen wurde, hat die neue Regierung an ihrer neutralen Außenpolitik nichts Wesentliches geändert; so hat die indonesische Regierung zum Beispiel das Saigoner Regime nicht anerkannt, sondern diplomatische Beziehungen zu Hanoi aufrechterhalten; außerdem wurde dem Vietkong erlaubt, eine Mission in der indonesischen Hauptstadt einzurichten. Daneben aber wurden die inoffiziellen Kontakte zwischen Djakarta und der
Regierung des südvietnamesischen Staatspräsidenten Ngyuen Van Thieu immer enger.
Indonesien sieht in Südvietnam einen Schutzschild seiner eigenen Sicherheit und eine Art von Barriere gegen die Expansion aus dem Norden. Djakarta ist der Ansicht, daß Thailand und Malaysia nun unmittelbar von Rotchina bedroht sind, während Indonesien dank seiner geographischen Lage derzeit noch im Windschatten liegt. Aber die Situation auf den Philippinen, wo die maoistisch beeinflußten Rebellen auf Mindanao sich gegen Manila auflehnen, beunruhigt Djakarta nicht wenig. Das südvietnamesische Steinchen im südostasiatischen Dominospiel darf daher auf keinen Fall umfallen. Pekings Appetit auf Indonesien ist traditionell. Schon im März 1953 hat Mao Tse-tung in einem Memorandum an Stalin seine diesbezüglichen Absichten recht un-verhüllt kundgetan: „Von der jetzigen Lage aus gesehen, müssen wir
Asien als direktes Objekt ins Auge fassen; falls die indochinesische Halbinsel befreit werden kann, wird unsere Basis fester sein. Birma wird ohne Kriegshandlung kapitulieren; danach wird die reaktionäre Clique in Thailand das Knie beugen, die Macht wird in die Hand des Volkes fallen; und Indonesien wird wie eine überreife Frucht fallen und ins kommunistische Lager rollen. Der Zusammenbruch Indonesiens wird die Einkreisung der Malaiischen Halbinsel vollenden.“
Der offene, aber kalte Krieg zwischen Rotchina und Indonesien geht weiter. Die von Peking gesteuerten „Volksguerilleros Nordkalimantans“ und die „Volksbefreiungsarmee Nordkalimantans“ versteckten sich bisher im Dschungel, an der indonesisch-malaysischen Grenze in Sara-wak und Sabah, im Norden Borneos. Sie bestehen zu mehr als 90 Prozent aus jungen Chinesen, die mit Waffen chinesischer Erzeugung gegen Indonesien und Malaysia kämpfen. Im Ausstellungsraum des indonesischen Ministeriums für Landesverteidigung in Djakarta sind die Beweise für die rotchinesische Aggression zu sehen: Militärbefehle, Anordnungen, Mao-Zitate und Propagandaschriften — alle in den vereinfachten Schriftzeichen rotchinesischer Prägung.
In Indonesien ist es Gewohnheit, China in verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Ausdrücken zu bezeichnen. Die freundliche und höfliche Form lautet: „Tiongkok“ für China und „orang Tionghoa“ für Chinesen; die beleidigende und degradierende Form: „Tjina“ für China und „orang Tjina“ für Chinesen.
Solange Peking seine Feindseligkeiten gegen Indonesien nicht aufgibt, kann Tiongkok nur Tjina heißen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!