6719298-1965_05_07.jpg
Digital In Arbeit

Sammlung gegen den Westen

Werbung
Werbung
Werbung

Im Scheinwerferldcht stand die große Szene: Indonesiens Austritt aus der UNO. Doch im Schatten lagen einige Szenen, die zum Ablauf des Dramas mindestens ebenso wesentlich waren; vor allem der Austritt des indonesischen Gewerkschaftsbundes, Gasbindo, aus dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften. Klarer noch als Indonesiens Abkehr von der UNO kündete der Austritt dieses indonesischen Gewerkschaftsbundes aus der Freien Gewerkschaftsinternationale Indonesiens zukünftigen Weg an. Der indonesische Nationalismus wirft den Graben gegen den Westen endgültig auf und hofft, auf seiner Seite des Grabens die „neu emporstrebenden Nationen“ zur Konfrontation gegen den Westen um sich zu sammeln. In Südostasien sieht man Sukarnos „Konfrontation“ Malaysias jetzt nur als Generalprobe an. Je spärlicher die Resultate dieser Aktion gegen Malaysia werden, desto breiter muß Sukarno die indonesische Aggressivität auf die Plattform der Weltpolitik projizieren, um die Enttäuschung in seinem Land, die sich in aufreibenden inneren Kämpfen Luft zu machen droht, auf die „Sammlung gegen den Westen“ abzulenken.

Gaspindo ist die kleinste Gewerkschaft Indonesiens. Ihr Austritt erschüttert nicht den Internationalen Bund Freier Gewerkschaften. Aber Gaspindo war als einzige Gewerkschaft Indonesiens dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften afiliert und so ein schwaches, doch durchaus fühlbares Gegengewicht gegen den alles beherrschenden und von der Regierung zum Teil unter Erpressung begünstigten Gewerk-schaftbund Sobsi, der dem kommunistischem Weltgewerkschaftsbund angeschlossen ist. Gaspindo ist eine islamitische Gewerkschaft auf religiöser Grundlage und hat gute Beziehungen zum Vereinigten Arabischen Gewerkschaftsbund in Kairo, der dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften mit großer Reserve gegenübersteht. Mit dem Austritt des Gaspindo verliert die Internationale der Freien Gewerkschaften in Brüssel ihren letzten Stützpunkt in Indonesien und eine wichtige Verbindung zu den arabischen Gewerkschaften. Die indonesische Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung ist aber von der demokratischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung im Westen nun völlig abgeschnitten;

Ganze Arbeit will Sukarno verrichten und nicht einmal bei den Konferenzen der „Blocklosen“ die neutralen Staaten in Europa als Verbündete anerkennen. Den neutralistischen und nationalistischen Teilnehmern an der Konferenz der „Blocklosen“ wurde von Indonesien .mitgeteilt, daß die nächste „Konferenz der Blocklosen“ frühestens 1968 stattfinden sollte. Bis dahin sei das Konferenzprogramm Indonesiens komplett. Wird eine Konferenz der „Blocklosen“ vor diesem Jahr einberufen, dann ohne Indonesien. Damit verurteilt Indonesien die Konferenz der „Blocklosen“ zur Inakti-vität, bis sie unaktuell ist. Sind aber die Staaten, die die Konferenz der „Blocklosen“ einberufen, damit nicht einverstanden, so gibt es eine Sezession wie in der UNO. Sein Verhalten zu den „Blocklosen“ verrät Sukarnos Rassismus. Nicht einmal mit Neutralen und Neutralisten will er zu tun haben, wenn sie nicht zu den „neu emporstrebenden Staaten“ in Afrika und Asien gehören. Jugoslawien, ein europäischer Staat, mit dem Sukarno nichts gemein haben will. Tito, ein Revisionist, Helfershelfer des imperialistischen Feindes, was könnte er als Europäer auch anderes sein. Von der UdSSR ist man eventuell bereit, Hilfe anzunehmen wie von den USA; doch auch die UdSSR ist ein europäischer Staat, daher eher Feind denn Freund.

Die Reaktion der südostasiatischen Völker auf den Austritt Indonesiens aus der UNO ist ziemlich komplex und birgt einige Möglichkeiten in sich. Schon im indisch-chinesischen Konflikt verfing sich der Westen in einer Fehleinschätzung der Reaktion der asiatischen und besonders der südostasiatisohen Völker. Im Gegensatz zu den Presseberichten waren die südostasiatischen Staaten damals über Rotchinas Aggression durchaus nicht empört, sondern verhielten sich ebenfalls als unbefangenes Publikum und viele, auch einige der mit dem Westen Verbündeten, verhehlten kaum ihre Sympathie zu Peking und ihre Verachtung gegenüber Neu-Delhi, das die Hilfe außerasiatischer Mächte in Anspruch nahm. Die Reaktion auf Sukarnos Entschluß ist nicht so verhältnismäßig eindeutig. Doch die Bestürzung ist zu einem großen Teil nur gemimt.

Es hieße den Kopf in den Sand stecken, sieht man nicht, wie das antiamerikanische und das antiwestliche Ressentiment unter der Einwirkung der ständigen Haßausstrahlung aus Peking, aus Djakarta und aus den anderen Hauptstädten des afro-asia-tischen „Antiimperialismus“ von Monat zu Monat wächst und sich über alle Ideologischen und politischen Grenzen ausbreitet. Jede Brüskierung des Westens oder einer Institution, die vom Westen geschaffen wurde und von der Propaganda mit den Zielen des Westens identifiziert wird, löst überall mehr oder weniger Genugtuung aus. Sogar in Japan ist es zu spüren und besonders in Kreisen, die Amerika ihre Existenz verdanken. Im konservativen Lager Japans formen sich die Cliquen des Nationalismus unter der Forderung „Annäherung an die afroasiatischen Staaten“.

Man erinnert sich natürlich gerade in diesen Kreisen an den Austritt Japans aus dem Völkerbund, nachdem der Völkerbund den Überfall der Kwantungarmee in Mukden verurteilt hatte, und man harrt, zum Teil in Angst, zum Teil erwartungsvoll, der Dinge, die nun dem Austritt Indonesiens aus der UNO folgen werden. Wird Indonesiens Austritt aus der UNO große Wellen werfen, so werden die Staaten Südostasiens aus Angst, im den Sog gezogen zu werden, sich eng an die UNO halten. Geht aber der Westen ruhig über diese Brüskierung der UNO zur Tagesordnung über und sieht er ruhig zu, wie Sukarno seine afroasiatische Internationale des Chauvinismus aufbaut, so ist das der größte Ansporn für die explosiven und nationalistischen Kräfte des alten Asienmythos in diesen Territorien — seit Pearl Habour.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung