6718831-1965_03_07.jpg
Digital In Arbeit

Das Mehrfarben-Präsidium

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt Mitglieder verschiedener Klassen. Einzelne davon sind vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Keineswegs jene, welche die Satzung durch Kriegsdrohungen oder Kriegsvorbereitungen mit Füßen treten, sondern solche, die bei einer größeren oder kleineren Gruppe von Mitgliedern mißliebig sind. Portugal, Israel, Südafrika, Nationalchina und Kongo haben keine Aussicht mehr auf eine Wahl. Selbst das gewiß harmlose und daher indizierte Österreich wurde bei der letzten Präsidentenwahl absichtlich ausgeschlossen, weil der Präsident ein Farbiger sein sollte, damit er, flankiert von den Vertretern des Generalsekretariats, das einheitlich farbige Bild des Präsidiums nicht störe. Nicht genug, daß der Sicherheitsrat in jeder fruchtbaren Tätigkeit durch das Veto der UdSSR gelähmt wird; auch Wahlen sollen durch das Veto eines Mitgliedes mit genug Eideshelfern sabotiert werden. Da Indonesien deren nicht genug auftreiben konnte, tritt es gekränkt aus. Manchen mag der Anlaß lächerlich erscheinen, er ist aber ein ernstes Symptom einer geheimen Krankheit.

Jetzt werden Versuche gemacht werden, Indonesien seinen Entschluß durch Konzessionen abzukaufen, statt ihn mit Erleichterung zu begrüßen. Denn nach allen zwingenden Bestimmungen der Satzung (Art. 2, 4, 33, 52/2) gehört es gar nicht in die UNO, sondern hätte schon längst nach Art. 6 ausgeschlossen werden müssen, wenn die Satzung ernstlich gehandhabt würde. Nach ihr gibt es keinen Krieg zwischen Mitgliedern! Auch nicht unter dem Vorwand des Antikoloraialismus, den Sukarno ganz mutwillig gegen Malaysien verwendet, weil er weiß, daß das das rote Tuch ist, hinter dem man leicht die Mehrheit der farbenblinden Mitglieder versammeln kann; daß man damit jedes Verbrechen, wie den Kannibalenmord von Stanleyville, verteidigen kann. Der Eroberungsdrang, den Sukarno schon unter den Japanern bekannte, als er von ihnen 1945 einen Süzeränen Satellitenstaat von Sumatra bis zu den Philippinen verlangte, läßt sich eben nicht mit der Satzung der UNO vereinigen.

Nachdem er den Vertrag von Ligajati gebrochen und in Kolonialkriegen mit Sowjetwaffen die Bundesstaaten Sumatra, Celebes, Amboma in Kolonien Javas verwandelt hatte; nachdem er mit Hilfe der UNO West-Neuguinea erobert und nach dem Muster seines Vorbildes treuherzig versichert hatte: „Jetzt sind alle meine territorialen Ambitionen erfüllt!“, erklärte er noch im November 1961 durch sein Sprachrohr Subandrio: „Als wir von der Absicht Malayas unterrichtet wurden, sich mit Sarawak, Brunei und Nord-borneo in einen Bundesstaat zu verwandeln, haben wir erklärt, daß wir keinerlei Einwand hätten und ihnen Erfolg für ihren Zusammenschluß wünschen.“ Aber schon am 15. August 1963 sprach er nach dem Muster eines anderen Gesinnungsgenossen, Castro: „Früher haben wir unsere Gefühle für uns behalten. Aber schließlich haben wir eine klare und feste Haltung eingenommen. Wir wollen nicht bloß Zuschauer der Änderungen in der Lage um uns sein.“

Die weiteren Ereignisse sind bekannt. Zu ihrer psychologischen Erklärung sei aus Sukarnos Rede zum Unabhängigkeitstage vom 15. August 1963 zitiert: „Wir müssen immer mehr eine revolutionäre Masse mit Muskeln aus Draht und Knochen aus Eisen werden ... Imperialismus und Neokolonialismus sind nicht tot. Wenn wir unsere Siege auf dem Felde der Sicherheit und in West-irian nicht festigen, sind unsere Feinde jeden Augenblick bereit, auf uns loszuspringen ... Revolution ist eine Permanenz. Man kann die Geschichte nicht im Stich lassen. Man kann auch die Revolution nicht im Stich lassen ... Unsere Revolution hat ein neues Stadium erreicht. Früher haben wir um unsere Existenz gekämpft, jetzt hat sie das Stadium sich selbst fortschleudernden Wachstums erreicht. Das erfordert ständige Konfrontation. Was ist Konfrontation? Konfrontation mit allen Hindernissen auf der Bahn der Revolution, mit der Gegenrevolution, mit der Subversion, mit den erworbenen Interessen, durch Begründung neuer Begriffe, im Kampf für diese in unserer Gesellschaft und in der nationalen Welt... Die indonesische Revolution ist mit der Menschheit verbunden... Indonesien ist ein Teil der neuen aufsteigenden Kräfte, die aus den unterdrückten und den fortschrittlichen Nationen in Asien, Afrika, Lateinamerika zusammengesetzt sind, die sozialistischen Nationen und die fortschrittlichen Gruppen der kapitalistischen Nationen.“ Am 15. Dezember 1963 dagegen erklärte er: „Ich versichere euch — Indonesien wird nicht kommunistisch! Von seinen Vätern her hat das indonesische Volk“ (das es gar nicht gibt, sondern nur Dutzende von Völkern auf tausenden Inseln) „keine kommunistische Mentalität.“

Sukarno hat von Napoleon die Liebe zu den Frauen, von Mussolini den großen Mund und von Hitler die eiserne Faust, die sich von den Bücherverbrennungen bis zur Todesstrafe für „Abweichung von der Ideologie des Staates“ und „Sympathieäußerungen für eine feindliche Macht“ zeigt. Das hätte den Mitgliedern der UNO, welche die Nürnberger Strafen für Kriegsvorbereitung noch nicht vergessen haben, zeigen müssen, neben wem sie sitzen — wenn sie solche Kleinigkeiten beachten würden. Statt des leisesten Versuches, Sukarno von seiner Absicht abzubringen, sollte ihm nur bedeutet werden, daß Austritt nicht gegen Maßnahmen nach Kapitel VII. der Satzung schützt Allerdings weiß er, daß der Sicherheitsrat gegen ihn machtlos ist, weil er dort durch das Veto der UdSSR geschützt ist.

Die erste Masche im durch zu viel Dehnung brüchig gewordenen Strumpf hat sich gelöst. Einer der größten Nutznießer der UNO hat sie zerrissen. Als ich dem Außenminister Hollands einmal die Frage vorlegte, welchen Vorteil sein Land je von der Mitgliedschaft bei der UNO gehabt hätte, antwortete er schlagfertig: „Das ist nicht die Frage, sondern welchen Vorteil die UNO von unserer Mitgliedschaft gehabt hat. Wir glauben, daß der nicht ganz unbedeutend war.“ Aber von der UNO wurde Holland beinahe am schlechtesten, Indonesien am besten behandelt. Dankbarkeit und Gemeinsinn gehören nicht zu den dort gepflegten Tugenden. Nur mit dem Geist, den der Holländer ausdrückte, könnte die UNO das werden, wofür sie gegründet wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung