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Dornroschen schlaft...

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In Manila wurde er am S. September 1954 vereinbart, am 19. Februar 1955 ist er in Kraft getreten: der SEATO-Pakt. Er entstand wie ein „Dornröschen mit umgekehrten Vorzeichen“. Die acht guten Feen: Amerika, England, Frankreich, Australien, Neuseeland, die Philippinen, Thailand und Pakistan konnten sich untereinander nicht einigen, wessen Wünsche dem neuen weltpolitischen Lebewesen mehr Glück bringen könnten. Dadurch verurteilten sie es zu einem endlosen Schlaf, und es müßte die böse Fee:Mao Tse-tung eingreifen, um den SEATO-Pakt zum Leben zu erwecken!

Der Vertrag hatte einen Vorläufer, den ANZUS-Pakt vom Jahre 1951, dem nur drei Mächte, Amerika, Australien und Neuseeland, angehörten. Deshalb sah ihn England von Anbeginn mit scheelen Augen an. Inzwischen hat sich der kommunistische Druck von Korea nach Südasien verlagert, und nun schien es Washington ratsam, im Südpazifik ein größer dimensioniertes Abwehrbündnis zu schaffen, dem die anderen beiden führenden westeuropäischen Mächte und womöglich alle freien Länder Süd-und Südostasiens angehören sollten. Washington schwebte ein Pakt mit vorwiegend militärischem Charakter vor, wogegen England und Frankreich (das damals bereits die Unhaltbarkeit seiner Position in Indochina einsah) die Abwehr gegen den Bolschewismus durch wirtschaftspolitische Mittel stärken wollten.

Das Ergebnis dieses Tauziehens war ein Vertragstext, der niemandem klar umrissene Verpflichtungen auferlegt. Artikel 4 besagt nämlich, daß Einstimmigkeit notwendig ist, um festzustellen, daß auf das Schutzgebiet der Si-ATO ein Angriff erfolgt ist und daß hernach alle Mitglieder der Gruppe gemäß ihren verfassungsmäßigen Bestimmungen verfahren werden. Von einem Automatismus bei der militärischen Hilfeleistung ist diese Bestimmung sehr weit entfernt. Wenn hingegen die feindselige Handlung anders als durch Waffengewalt erfolgt — also im Falle einer kommunistischen Durchdringung eines Landes, was viel eher der Fall werden könnte, als eine offene Kampfhandlung —, müssen sich die SEATO-Partner nur konsultieren.

Gelang es nun, zumindest die im Vertragstext vorgesehene Wirtschaftshilfe rasch zu organisieren? Auch nichtl England wollte die amerikanischen Hilfsgelder für ganz Ost- und Südostasien über die SEATO leiten, damit Malaien daran einen Anteil erhält. Eben das aber wollte Amerika nicht tun, weil seine Hilfsaktionen betiagsmäßig durch den Kongreß begrenzt werden. Wenn also das Verteilungsorgan, die FOA, gezwungen worden wäre, Teile des Betrages nach Südostasien zu lenken, dann hätte dies in Japan, Südkorea und in Formosa Unzufriedenheit verursacht — was wohl England nicht viel gestört hätte, aber Amerika recht unangenehm gewesen wäre. ' .

Geknebelt an allen Gliedmaßen hat nun die aktionsunfähige SEATO eine günstige Wirkung auf die Lage in Südostasien ausgeübt! Das verdankt sie aber nicht sich selber, sondern einer Verkettung von günstigen Umständen. Schon anläßlich des Besuches von Mao in Neu-Delhi hat ihm Nehru erklärt, daß ein Angriff von Ho-Chi-Minh gegen Laos oder den Südvietnam die indisch-rotchinesischen Beziehungen schwer belasten würde. Ebensowenig, wie einen Ein* marsch der Kommunisten in irgendeinem Lande südlich von China, könnte nun Indien ruhig hinnehmen, daß die SEATO-Mächte (lies: die Vereinigten Staaten) zum Schutz dieser Länder Truppen dorthin entsenden. Da nun weder Rotchina noch irgendeine der atlantischen Mächte lieh die Sache mit Indien verderben will, respektieren beide Parteien bis jetzt die Unabhängigkeit der Länder, auf die sich das Manilaabkommen bezieht. Nehru, der den SEATO-Pakt sehr ungern sah, verdankt ihm immerhin, daß Mao-Tse-tung sich und Ho-Chi-Minh Selbstbeherrschung auferlegte.

Auch die inzwischen abgehaltene Konferenz von Bandung blieb auf den SEATO-Pakt ohne Einfluß, obschon die erstere Asien „in sich“ organisieren, die letztere es hingegen mit der atlantischen Welt verbinden will. Die Bandungstaaten nahmen wohl gegen den Kolonialismus Stellung, aber offen konnten sie den SEATO-Pakt nicht angreifen, hat doch Dulles am 16. Februar 1955 betont, daß die Mitglieder dieses letzteren „as soverejgn equals“, als souveräne und gleichberechtigte Staaten zusammentraten. Tatsächlich wollte England die ganze Colombogruppe nach Manila führen, da aber Indien, Ceylon und Burma nicht mittun wollten, ließ man sie ihre eigenen Wege gehen. (Es ist merkwürdig, daß England beim Pakt von Bagdad eine andere Taktik befolgt hat — was ihm die Blamage in Jordanien eintrug.)

Wie wird, sich nun der SEATO-Pakt weiterentwickeln? Am 6. März 1956 treffen sich in Karachi die Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Mitgliedstaaten. Zwei Unterausschüsse, der militärische und der innerpolitische (dem die Bekämpfung subversiver Eingriffs von außen obliegt) werden ihre Berichte erstatten. Inzwischen hat man allseits begriffen, daß man wohl auch militärisch abwehrbereit stehen, daß man aber den gegnerischen Angriff im Felde des Wirtschaftslebens erwarten muß. Auch die Organisierung einer Zusammenarbeit in diesen Fragen steht in den Statuten der SEATO, aber eben diesbezüglich ist noch nichts unternommen worden. Anderseits steht diese Frage ohnehin im Vordergrund der atlantischen Planung. Es ist also durchaus denkbar, daß das zweite Jahr der SEATO im Zeichen einer Aktion stehen wird, die sowohl im politischen wie im weltgeschichtlichen und menschlichen Sinne viel mehr zu begrüßen wäre, als die Tätigkeit, die ursprünglich für die SEATO vorgesehen war.

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