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Zwischen Skylla und Charybdis

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Malaysien ist ein Pufferstaat zwischen dem gelbeft Kommunismus Chinas und dem roten Faschismus Indonesiens. Wird es überrannt, so bildet sich eine gefährliche Grenze wie zwischen Deutschland und Rußland nach der nicht nur Unrechten, sondern auch unklugen Beseitigung Polens am Ende des 17. und in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Malaysiens größtes Problem sind seine Chinesen, die im Malayischen Bund eine sehr beachtliche Minderheit und in Singapur eine überwältigende Mehrheit bilden. Im Bund mit sei nen 7 Millionen gibt es 35 Prozent und in Singapur mit 1,7 Millionen 75 Prozent Chinesen, in den anderen Teilen machen sie auch ein Viertel der Bevölkerung aus. Nun vereinigen die Chinesen die Nützlichkeit der Inder in Ostafrika oder der Japaner in Brasilien mit der Gefährlichkeit der Ausländsdeutschen zur Zeit Hitlers. Sie sind tüchtiger, fleißiger und daher wohlhabender als die Gastvölker, neigen aber zum größeren Teil, geblendet oder gezwungen, zu Rotchina statt zu Formosa. Das Verhältnis zwischen den

Anhängern Pekings und Taipeis ist ähnlich wie das unter den Ausländsdeutschen zur Glanzzeit des Nationalsozialismus. Zu den Anhängern Pekings gehören einige der reichsten chinesischen Handels- und Industriemägnaten. Die beiden größten von Singapur und Makao zwingen sogar ihre Arbeiter, den roten Organisationen beizutreten. Was sie dafür in der Gegenwart erhalten, ist bekannt; was sie sich in der Zukunft erhoffen, ist nicht ganz klar. „Nur die allergrößten Kälber wählen ihren Metzger selber.“ Singapur, das für den Welthandel wichtiger ist als die anderen Teile Malaysiens, würde ohne die Vereinigung über Nacht eine Kolonie Pekings werden. Zum Glück ist sein Ministerpräsident Lee Kuan Yew, der mit Hilfe der Kommunisten 43 von den 51 Sitzen des Lokalparlaments eroberte, seither vom Kommunismus bbkehrt und. ein besonders energischer Anti- koriimunist geworden. Dank seiner Führung haben die Chinesen Singapurs die Vereinigung nicht abgelehnt, wie Peking und Djakarta hofften, sondern für sie gestimmt. Viele von ihnen taten dies in der Hoffnung, den Staat chinesisch und damit rot zu machen, so Rotchinas Juniorpartner zu werden — so wie es die Nazis Österreichs noch 1938 hofften und schon 1939 bitter enttäuscht wurden.

Die Chinesen Malaysiens möchten aber nichts weniger, als unter indonesische Herrschaft zu kommen. Sie sind zu klug, um nicht die wirtschaftliche Zerstörung Indonesiens zu sehen, die in phantastisch kurzer Zeit ein reiches Land arm gemacht hat. Sukarno ist darin nicht einmal von Perön übertroffen worden. Sie haben auch die Verfolgung der zwei

Millionen Chinesen in Indonesien nicht vergessen, die Peking ebenso preisgegeben hat wie Moskau die Kommunisten Deutschlands. Das politische Hauptproblem Malaysiens schrumpft daher darauf zusammen, ob seine 4,6 Millionen Malayen die 4,25 Millionen Chinesen — die Million Inder, Europäer und Wilde sind nebensächlich — verdauen können.

Stadt und Land

Die 1,7 Millionen Singapurs sind im Durchschnitt wesentlich reicher als die 7 Millionen des Bundes, aber ihre wirtschaftliche Zukunft ist mehr gefährdet. Sie leben vom Handel, diese von Landwirtschaft und Bergbau.

Der Handel spielt sich hauptsächlich als Zwischenhandel, und zwar zu 90 Prozent in Singapur und zu 10 Prozent im malayischen Hafen Penang ab. Fast die Hälfte der Einfuhr (43 Prozent) wird wieder ausgeführt, mit sinkender Wertsteigerung, die nur noch 10 Prozent beträgt. Die Hälfte des Zwischenhandels wickelte sich mit Indonesien ab. Durch dessen katastrophale Wirtschaftsverschlechterung schrumpfte er schon vor dem Boykott auf ein Sechstel, durch den Boykott um ein weiteres Drittel. Dadurch wird Singapur zweieinhalbmal so hart getroffen als der Bund, aber Indonesien fünfmal härter als Malaysien. Indonesien ist aber viel größer und seine Führer sind heldenhafter gegenüber den Leiden ihrer Bevölkerung.

Für die Landwirtschaft kommt Singapur nicht in Betracht. Im Bund ist die landwirtschaftliche Bevölkerung im letzten Jahrzehnt nur minimal gewachsen, aber bezüglich ungefähr 10 Prozent derselben haben Malayen Chinesen verdrängt. Das hängt damit zusammen, daß Landbesitz, auch in der kleinsten Form, ohne Rücksicht auf den Ertrag, dem Malayen, aber nicht dem Auslandschinesen, Statussymbol ist, wie dem Neger der Besitz von Vieh oder dem Franzosen die Staatsanstellung. Das führt zu Ertragsminderung durch Zersplitterung, so daß hier eine ganz andere „Agarreform“ vonnöten war (Gesetz 13 vom 1960), die Minimalgrößen für verschiedene Produktionsarten festsetzt.

Außer den großen Existenzfragen, die nicht ohne Bundesgenossen gelöst werden können, gibt es auch kleinere Schwierigkeiten, Niemand weiß, welche internationalen Verträge für Malaysien noch Geltung haben. Malaysien hat noch nicht einmal alle Verträge, die England einmal für diese Gebiete abgeschlossen hat, erfahren können!

Das sind aber nur Kleinigkeiten gegenüber der ernsteren Frage: Schließt das von der UNO auf gestellte Axiom der „Selbstbestimmung“ das Recht auf Vereinigung ebenso wie das auf Trennung ein? Ist unsere Zeit sosehr auf Zersplitterung mit oft katastrophalen Folgen für Wirtschaft und Recht eingestellt, daß Neid den gegenteiligen Zug wie ein Verbrechen behandeln darf? Oder steht Selbstbestimmung nur jenen zu, denen die Vorbedingungen dafür abgehen?

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