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Borneo - eine vergessene Front

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Um für seine Ambition zur Annektierung Sabahs und Sarawaks einen plausiblen Grund zu finden, beschuldigte Sukarno Großbritannien, die Eingliederung dieser beiden Länder in die malaysische Föderation sei ohne zureichende Volksbefragung und unter Druck erfolgt. Außerdem behauptete er, daß das von ihm verlangte Untersuchungskomitee der UNO im September 1963 schlampige Arbeit in Sabah und Sarawak geleistet habe. Das Untersuchungskomitee, das aus zehn Mitgliedern bestanden hat und von U Thant erstellt wurde, hatte nur einen Monat Zeit, um im nördlichen Teil Borneos den Volkswillen zu erkunden. Die Leistung war daher von Anfang an fraglich.

Kurz vor der Teilnahme an dem Staatenbund bildeten die frischgebackenen „Politiker“ Sarawaks und Sabahs übereilt drei politische Gruppen, deren Aufgabe nichts anderes zu sein schien als der Hochruf für Malaysia. Um sich dafür zu bedanken, schenkte Tunku Abdul Rachman großzügig den beiden Ländern 70 Abgeordnetensitze im Parlament der neuen Förderation, was für eine Bevölkerung von nur 1,250 Millionen im Vergleich zu Singapur (1,665 Millionen Einwohner mit nur 25 Sitzen) unrecht erscheint. Rachman hatte die Absicht, durch ein solches Arrangement den Einfluß der Chinesen in der Förderatdon auszugleichen. Die malaiischen Führer haben also noch vor dem 16. September 1963, dem Tag der Entstehung Malaysias, schon fleißig die Samen der heutigen Zersplitterung gesät.

Sabah — nicht malaiisch

Die Abgeordneten Sabahs und Sarawaks im Bundesparlament sind überwiegend Malaien, was natürlich auf keinen Fall das wirkliche rassische Bild der beiden Länder zeigt. Denn Borneo — entweder der malaysische oder indonesische Teil — ist vom anthropologischen Gesichtspunkt weder malaiisch noch indonesisch. Die Ureinwohner Borneos sind Dajak, die mit den Malaien oder Indonesiern nur in diesem Sinne verwandt sind wie das etwa bei den Deutschen und Schweden der Fall ist.

Nehmen wir zum Beispiel Sabah: Die größte Volksgruppe des Landes sind Dusun, auch Kadazan genannt, die 32 Prozent der Gesamtbevölkerung Sabahs ausmachen und mit den Chinesen auch durch Heirat blutsverwandt sind. Alle Volksgruppen mit Dajakursprung, wie Dusun, Bajau, Murut, Binadan, Hamm und Punan, die vorher Kopfjäger waren und jetzt Bauern sind, bilden 63 Prozent der Gesamtbevölkerung Sabahs. Wenn man noch die Chinesen, 23 Prozent der Gesaintbevölkerung, die sich hauptsächlich in den drei größeren Städten Jesselton, Sandakan und Tawau konzentrieren, dazurech-net, bleiben die Malaien, die größtenteils aus Sumatra herübergekommen sind und sich an der Küste und den Flußufern niederließen, nur in der Minderheit. Man kann daher Sabah schwer als einen malaiischen Staat bezeichnen; wenn wir diese Tatsachen respektieren, dann müssen wir Sabah wohl „Kadazanland“ nennen. Die Demission Donald Stephens, des Bundesministers für Angeleigenheiten Sabahs in Kuala-Lumpur, hat sicherlich ihre Gründe.

Sabah ist reich an Holz, Kautschuk, Reis, Sago, Kampfer, Wachs, Kopra, Kohle, Perlen, Riesenschildkröten sowie Petroleum und könnte daher wirtschaftlich autonom sein — viel besser als zum Beispiel Malta oder Trinidad-Tobago. Die Wirtschaftslage Sabahs ist gut, obwohl das Land hinsichtlich der Industrie noch sehr zurückgeblieben ist. Die Sabahchinesca sind noch wenig vom Pekingkommunismus infiziert und mit ihrem Dasein zufrieden. Der 4566 Meter hohe Kinabalu-Berg (Du-sunsprache, bedeutet „Chinesische Witwe“, eine interessante Sage), der im Nordwesten des Landes liegt und der höchste Gipfel Borneos ist, wird von den Dusun als „Gottesberg“ und zugleich als „Geisterland“ betrachtet. Die Kinabalu-Bergkette erstreckt sich südwärts bis zur indonesischen Grenze und bildet eine natürliche Schutzmauer zwischen Sabah und dem indonesischen Kalimantan Ti-mur (Ostborneo).

Sukarno liebt den Partisanenkrieg

Im August 1964 sandte Sukarno seine javanischen Truppen aus nach Borneo. Zwei Bataillone der regulären indonesischen Armee eines der Bataillone soll modern ausgerüstet sein — unter dem Deckmantel „Pasukan Pembebasan Rakjat Kalimantan Utara“ (Volksbefreiungsarmee Nordborneos) und eine Anzahl durch KP organisierte sogenannte „Sukarela“ (Freiwillige) zwecks „Agiprop“ (Agitation und Propaganda). Diese Truppen waren zunächst in Samarinda in Ostborneo stationiert. Später schlössen sie sich den regionalen Einheiten Südostborneos an und marschierten zusammen an die Grenze Sabahs. Um Sabah vor den Eindringlingen zu verteidigen, stellten die Briten ihr „Oberkommando Borneo“ in Tawau auf, eine 2000 Mann starke „Ostfrontbrigade“ steht ihm zur Verfügung. Auf der rechten Flanke der Borneofront sind die Briten ebenfalls kampfbereit. Dort sind die tapferen Gurkhaein-heiten am Kap Datu von Westsara-wak stationie-1, und außerdem kreuzen längs der Küste 70 Kriegsschiffe unter dem Union Jack. Anfang 1965 begannen die Indonesier ihre Militärtätigkeit südlich des Kinabalu, kleinere Inflltrationsverbände wurden über die Grenze geschickt. Auf der Sebattik-Insel in der St.-Lucia-Bucht gab es besonders oft Zusammenstöße zwischen indonesischen Guerillas und britischen Truppen. Eine echte Invasion in großem Maßstab indonesischerseits scheint ja doch kaum möglich zu sein, da Sukarno lieber beim störenden Partisanenkrieg bleibt.

Schmugglerromantik

Die Celebessee ist in Kriegs- und Friedenszeiten eines der freisten und geheimnisvollsten Gewässer der Welt. Wer hier eine wirksame Kontrolle durchführen will, kann ohne eine ganze Kriegsflotte keinen Erfolg erzielen. Manchmal tauchen U-Boote unbekannter Nationalität auf. Im ganzen Seeraum treiben sich Schmuggler herum, deren Schmuggelschiffe meistens aus Sulawesi (Celebes) und den Suluinseln der Philippinen in Richtung Sabah auslaufen. Sie führen illegal Kopra nach Tawau und Sandakan ein und verkaufen sie den dortigen chinesischen Händlern. Auf dem Rückweg bringen sie amerikanische Zigaretten und japanische Elektrogeräte nach Indonesien und den Philippinen.

Die Vorfahren dieser Schmuggler waren jene malaiischen Seeräuber, die die eingeborenen Dajak unterwarfen oder verdrängten, zahlreiche Seeräuberstaaten an den Küsten

Borneos, Celebes' und der Südphilippinen gründeten und vor einem Jahrhundert dieses Gebiet terrorisierten. Wenn die Schmuggler schlechte Geschäfte machen, überfallen sie heute noch die kleinen Schiffe und die Fischerdörfer Sabahs.

Außer der Piraterie treiben sie als einen Geschäftszweig auch Menschenschmuggel. Da sich die Lebensbedingungen auf Sulawesi täglich mehr verschlechtern, wandern jeden Monat viele Indonesier illegal nach Sabah aus. Allein in Tawau gibt es 16.000 illegal eingewanderte Indonesier. Als Flüchtlinge bekommen sie von der Sabahbehörde Aufenthaltsund Arbeitserlaubnis. Diese neuen Arbeitskräfte sind für die Wirtschaft Sabahs sehr nützlich, aber es besteht auch eine Gefahr der „fünften Kolonne“. Da Sukarnos Agenten mit allen Mitteln Sabah infiltrieren, befinden sich unter den illegalen Einwanderern natürlich auch subversive Elemente. 1965 wurden 50 Agenten vom britischen Militär in Sabah verhaftet; sie gaben zu, im Auftrage Djakartas eine Untergrundorganisation in Sabah zu gründen zu beabsichtigen. Ob Sabah und Sarawak in Hinkunft bei der malaysischen Föderation verbleiben oder nicht, wollen die Engländer und Australier sie auf alle Fälle mit Waffengewalt verteidigen, weil sie außer Südvietnam die letzten Bastionen des Westens in Asien sind.

Solange der nördliche Teil Borneos im westlichen Verteidigungssystem bleibt, können Indonesien und Rotchina noch als Verbündete zusammenarbeiten. Da Sabah während der mongolischen Yuan-Dynastie eine chinesische Provinz, während der Sung-Dynastie ein .Tributstaat Chinas gewesen ist, Brunei während der Ming-Dynastie ein Vasallenstaat Chinas war und Westborneo sogar 1777 bis 1885 eine überseechinesische Lamfong-Republik, wird Rotchina das „Recht zur Einverleibung“ nicht Indonesien allein überlassen. Zu diesem Zeitpunkt wird Sukarnos Herrlichkeit aber schon vorbei sein.

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