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Feuer im Busch

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Timor, was im Malaiischen „Osten“ oder „Orient“ bedeutet, hat nun seine Orientierung offenbar verloren denn das Chaos in der „Metropole“ (Mutterland) hat auch Timor von weit her erreicht.

Diese Insel von insgesamt 33.850 Quadratkilometer (davon portugiesischer Teil 14.925 Quadratkilometer), die für Mitteleuropäer am Ende der Welt zu liegen scheint, besitzt eine sehr wichtige strategische Position. Als die Japaner im Zweiten Weltkrieg Australien - überfallen wolten, lieferten ihnen die ..Aussies“ hier einen- fünf Jahre dauernden Kampf, der erst durch den massiven Einsatz der australischen Luftwaffe und die Durchführung eines mörderischen Kleinkriegs im Dschungel gewonnen werden konnte. Damit verhinderte Canberra, daß die Japaner Timor als Sprungbrett zur Er-obreung des fünften Kontinents benutzten.

Nach 1945 wurde der alte Zustand von 1769 wieder hergestellt: die östliche Hälfte portugiesisch; die westliche holländisch und nach 1947 indonesisch. Wegen des wirtschaftlichen Rückstandes in seinem europäischen Territorium konnte Lissabon tatsächlich wenig Fortschritt und Entwicklung für diese kleine Inselkoloriie — immerhin so groß wie die Schweiz — herbeiführen.

Der höchste Erziehungsgrad der Einheimischen blieb die 4. Volksschulklasse; Beamten- und Polizistenposten niedrigerer Ränge werden von ihnen bekleidet, während eine kleine Anzahl von lusitanischen Beamten, Offizieren und Kaufleuten die Oberschicht mit dem unvermeidlichen Superioritätsgefühl bildeten. Unter der Bevölkerung Von 610.000 Einwohnern (indonesischer Teil: 267.000) sind 8000 Ausländschinesen, die den Handel, die Industrie und Landwirtschaft in ihrer Hand haben und die Rolle eines Vermittlers zwischen den Kolonialherren und den Eingeborenen spielten.

Das gesellschaftliche System der eingeborenen Timoresen ist eine feudale Häuptlingsstruktur, wobei das Volk den zahlreichen lokalen Häuptlingen absolut gehorsam ist.

Die einheimischen Fürsten können aber weder Portugiesisch sprechen noch lesen, sie sind außerdem der Verwendung der modernen Feuerwaffen nicht mächtig, ihre Krieger benützen nur Schwerter und Speere. Der portugiesiche Gouverneur konnte mit seinen 2000 Mann Negersöldnern aus Afrika der Insel völlig Herr werden.

Seit dem Sturz des Caetano-Regi-mes und nach der Abdankung General Spinolas sind in Ost-Timor drei politische Parteien wie Bambussprossen nach dem Tropenregen über Nacht entsstanden:

• FRETILIN, — „Timoresische Revolutionäre Volksfront für die Unabhängigkeit“, marxistisch und radikal-sozialdemokratisch, wie der Name besagt, für die volle Unabhängigkeit Ost-Timors einschließlich östliche Hälfte der Insel, Enklave Ocussi, Atauro-Ihsel und des winzigen Punktes zwischen den Flüssen Waiwiku und Sutrana. Sie hat die Sympathie Moskaus;

• UDT — „Demokratische Union Timors“, gemäßigt, für eine „schrittweise Selbständigkeit“ und einen vorläufigen Verbleib bei Portugal sowie eine politische Übergangsperiode bis zur Unabhängigkeit; von Lissabon und Canberra untertützt;

• APODETI — „Volksdemokratische Union Timors“, für den Anschluß an Indonesien, von Djakarta gesteuert.

Die Entwicklung seit Mitte August zeigt, daß die bewaffneten Einheiten der marxistischen FRETILIN die Oberhand gewonnen haben, sie sind anti-chinesisch. Der potugiesische Gouverneur ist nach der Atauro-Insel vor Dili geflüchtet, 'zahlreiche Flüchtlinge haben Darwin in Nordaustralien erreicht. Dagegen reagierte die indonesische Regierung mit der Drohung einer eventuellen militärischen Intervention, weshalb die Lage kompliziert geworden ist.

Die Timoresen sind im Grunde genommen melanesisch und sprechen timoresische Sprache, die wenig mit der indonesischen gemeinsam hat. Wirtschaftlich gesehen könnte eine unabhängige Republik Timor mit einer offenen Tür nach Australien und Europa bessere Aussichten haben als eine erzwungene Eingliederung in den ohnehin schon mit verschiedenen Schwierigkeiten übersäten indonesischen Staat.

Anfang 1972 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Lissabon und Djakarta auf die Ebene von Geschäftsträgern erhoben, was einen großen Fortschritt nach der langjährigen Verschlechterung darstellte. Doch Indonesien wollte damals wegen der Timor-Frage keine besseren Verhältnisse zu Portugal unterhalten, weshalb Adam Malik, der indonesische Außenminister, keinen Dialog mit seinem portugiesischen Amtskollegen führte.

Präsident Suharto hat noch zu Beginn dieses Jahres erklärt, daß er nicht beabsichtige, Ost-Timor zu annektieren. Das jetzige Spiel Djakar-tas mit dem timoresischen Feuer kann seine Finger verbrennen, zumal einige lokale politische und militärische Führer im indonesischen West-Timor, heute ein Teil der indo-nesichen Provinz Nusa Tenggara Timur (östliches Kleinsunda) mit Kupang als- Hauptstadt, schon seit 1973 gleichfalls mit dem Gedanken der Sezesion und der Gründüng einer von Djakarta getrennten Republik Großtimor spielen.

Natürlich interessierte sich die UdSSR für einen eventuellen Militärstützpunkt auf Timor, womit sie einen sehr weiten Vorstoß in den Südwest-Pazifik erringen kann. Bereits Ende der fünfziger Jahre hat Moskau versucht, eine Marinebasis auf der Insel Ambon zu erhalten.

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