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Bilanz der bisherigen Heimatland-Politik

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Am 26. Oktober 1976 wurde das erste Bantu-Heimatland, die Transkei, unabhängig, am 6. Dezember 1977 Bo-phuthatswana. Es ist nicht verfrüht, eine erste Bilanz zu ziehen, inwieweit dieses Experiment der südafrikanischen Politik als geglückt anzusehen ist.

Die erste Beobachtung, die in beiden Fällen zu machen war: Der Ubergang vollzog sich ruhig, ohne große Spannung oder Unruhen. Die Regierung und alle Behörden waren seit Jahren gut eingearbeitet, so daß sich am Tag X nichts änderte, außer der Übernahme der vollen Verantwortung durch die Regierung. Insoferne gelang es hier, Musterbeispiele der Entkolonialisierung ohne Blutvergießen, Wirren und Chaos vorzuexerzieren.

Was die wirtschaftliche Entwicklung anbetrifft, sind sich die Beobachter darüber einig, daß sie sehr positiv zu bewerten sei. Im Falle Bophuthats-wanas war daran nicht zu zweifeln, weil das Gebiet reich an Bodenschätzen ist. So verfügt es über die größte Platinmine der Welt. Die Transkei hingegen wird meistens als armes Land eingestuft, die Siedlungsgebiete der Baritu an der Ostküste sind ausnahmslos klimatisch begünstigte Agrarländer. Um einen größeren Wohlstand herbeizuführen, bemühen sich jedoch die Führer aller Heimatländer um den Aufbau einer eigenen Industrie. Dazu inserieren sie fallweise in internationalen Wirtschaftszeitungen, um ausländische Investoren zu veranlassen, in ihren Ländern Fabriken zu errichten. Dabei wird nicht vergessen, auf die niedrigen Löhne und das Fehlen militanter Gewerkschaften hinzuweisen.

Seit dem Unabhängigkeitstag investierten vorwiegend deutsche und britische Unternehmer rund 40 Millionen DM in der Transkei. Verträge mit weiteren 20 Firmen wurden abgeschlossen, ihre Investitionssumme wird weit über 50 Millionen DM betragen. Die Hauptstadt Umtata erlebt einen Entwicklungs-Boom erstaunlichen Ausmaßes, das Stadtbild wird von zahlreichen Großbaustellen geprägt. Einen Flugplatz gibt es bereits, im Bau befindet sich neben einem großen Krankenhaus auch eine Universität und ein eigener Seehafen ist geplant.

Uber die innenpolitische Entwicklung in Bophuthatswana kann noch nichts gesägt werden. In der Transkei zeigt sich jedoch, daß die Schwarzen trotz eines jahrzehntelangen demokratischen Lernprozesses nicht dasselbe verstehen wie der Westeuropäes. Es ist nicht zu leugnen, daß im Lande Ordnung, Disziplin, ja sogar Begeisterung herrschen; aber der Gag, der regierenden Partei zur Unterdrückung oppositioneller Widersprüche ist unverkennbar. Wer die Regierung kritisiert, läuft Gefahr, als Staatsfeind abgestempelt zu werden. Der Opposi-tonsführer etwa wurde kurzerhand inhaftiert.

Dafür versucht Chefminister Ma-tanzima, die Stammeshäuptlinge in sein Konzept einzubinden und sie zu Trägern des Staatsgedankens und staatlicher Autorität zu machen. Der Zug zum Einparteiensystem ist in ganz Afrika evident, wahrscheinlich eine moderne Tarnform des ererbten Despotentums, von dem sich der Schwarze Erdteil nicht ganz lossagen kann.

Von diesem weitverbreiteten Makel abgesehen, gibt es keinen stichhältigen Grund, der Transkei die internationale Anerkennung zu versagen, Übertrifft .sie doch an .Bodenfläche, Volkszahl und Prokopfeinkommen zahlreiche UN-Mitgliedstaaten. In letztgenannter Hinsicht steht Bophuthatswana noch besser da, das Prokopfeinkommen beträgt S 4430-, für einen afrikanischen Staat eine beachtliche Zahl. Doch ergibt sich hier eine andere Schwierigkeit: Das Staatsgebiet ist nicht abgerundet, es besteht aus sechs getrennten Teilstücken. Aus diesem Grund wird Bophuthatswana in absehbarer Zeit noch schwerer um seine Anerkennung zu kämpfen haben als die Transkei.

Es ist an sich gewiß kein abwegiger Plan, einen Landkomplex von 1,2 Millionen Quadratkilometer, der von einer Vielzahl von Völkern bewohnt wird, in Nationalstaaten aufzuteilen. Daß dieses Vorhaben in der Welt kein Echo findet, liegt weniger an den echten Schwierigkeiten, etwa an den stark verzahnten Siedlungsgebieten, sondern an dem von Moskau verfolgten Ziel, dieses Gebiet nach dem Sturz der weißen Herrschaft als Ganzes in Gewalt zu bekommen. Mit dem Kreml sind die schwarzafrikanischen Nationalisten im Bunde, unter deren: Einfluß die ganze UNO steht, und nicht einmal die westlichen Staaten finden die Kraft zu einer eigenen, konträren politischen Linie.

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