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Indonesien: Vom Blasrohr zum Internet

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Schwerpunktland für die Sammlungen in Österreichs katholischen Gotteshäusern am Sonntag der Weltkirche - 22. Oktober 1995 - ist Indonesien.

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Schwerpunktland für die Sammlungen in Österreichs katholischen Gotteshäusern am Sonntag der Weltkirche - 22. Oktober 1995 - ist Indonesien.

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Als portugiesische Seefahrer im Jahre 1512 auf der Suche nach kostbaren Gewürzen die Mo-lukken-Insel Ambon erreichten, hatte die Inselwelt am Äquator schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Seit der Altsteinzeit besiedelt und schon in der Antike für ihre Gewürze berühmt, erlebte sie zwischen 100 und 1400 nach Christus die Blütezeit hin-duistischer und buddhistischer Königreiche. Ab 1400 kam die Islamisie-rung durch Händler aus Persien und Indien ins Bollen. 1596 gab die Landung des ersten niederländischen Schiffes auf Java den Startschuß für die systematische Kolonialisierung aller Inseln durch die Niederlande.

Muskatnüsse, Gewürznelken und Pfeffer bestimmten die nächsten 300 Jahre das Schicksal der Bewohner der „Gewürzinseln”. Die Kolonialherren setzten ihr Handelsmonopol und den Zwangsanbau der Gewürze durch. Nach blutig niedergeschlagenen Aufständen bot erst das Ende des Zweiten Weltkrieges die Chance der Befreiung vom Joch der Kolonialmacht. Nach der Kapitulation der Japaner, die 1942 Indonesien besetzt hatten, rief die Regierung Indonesiens am 17. August 1945 die Unabhängigkeit aus.

Mit ehrgeizigen Entwicklungsprogrammen schaffte der junge Staat in den 50 Jahren seines Bestehens ein beachtliches wirtschaftliches Wachstum. Heute pocht Indonesien bereits an die Türe des Clubs der asiatischen „Tigerstaaten”.

Dem raschen wirtschaftlichen Aufschwung hinkt die politische und gesellschaftliche Entwicklung noch nach. Alle Macht ist in den Händen von Präsident Tni Suharto konzentriert, der sich auf die Regierungspartei Golkar Und das Militär stützt. Den zwei genehmigten Oppositionsparteien kommt daneben kaum mehr als die Rolle parlamentarischer Feigenblätter zu.

Im Zentrum der hektischen Zehn-Millionen-Metropole Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens, schießen die Hochhäuser und Glaspaläste der Banken, Versicherungen und Firmen in die Höhe, während in den Regenwäldern auf Irian Jaya nackte Jäger den Fährten ihrer Beutetiere folgen. Dieser ungeheure Kontrast unter den Bewohnern der Inselrepublik läßt die Kulturen hart aufeinanderprallen. Zum Beispiel im Bahmen des staatlichen Transmigrationsprogramms: Hunderte Familien werden von den dicht bevölkerten Inseln Java und Bali auf die Inseln Sumatra, Kali-mantan, Süd-Sulawesi, Irian Jaya oder nach Osttimor umgesiedelt und in eine fremde Kultur und Sprache verpflanzt. Auf Irian Jaya kommt es bereits zu tödlichen Landrechtskonflikten zwischen den Neusiedlern und der einheimischen Bevölkerung.

Gewalt im besetzten Osttimor

Oder das Beispiel Tourismus, der als wichtigste Devisenquelle der Zukunft gilt. Durch die Erschließung abgelegener Begionen droht alten Kulturen plötzlich die kommerzielle Vermarktung. Hier springt die katholische Kirche in die Bresche, indem Priester und Ordensschwestern das Selbstbewußtsein der Stämme und Völker bezüglich ihrer traditionellen Werte stärken und ihnen dabei helfen, in der hereinbrechenden modernen Zivilisation nicht unterzugehen.

Im Brennpunkt der internationalen Kritik steht die politische Lage in Osttimor. Seit 20 Jahren hält Indonesien die ehemals portugiesische Kolonie besetzt. Bei der Invasion des indonesischen Militärs kamen über 200.000 der damals rund 650.000 Einwohner ums Leben. Gewaltsame Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung stehen seither auf der Tagesordnung.

Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo ist Apostolischer Administrator von Dili, der Hauptstadt Osttimors. Permanent tritt er für den Dialog aller osttimoresischen Gruppen untereinander wie auch mit der Regierung ein. Sein Vorschlag lautet, die Bevölkerung Osttimors selbst eine Entscheidung zwischen einem Verbleib bei Indonesien, allerdings mit mehr Autonomie, oder der staatlichen Unabhängigkeit treffen zu lassen. „Der Konflikt in Osttimor wird solange nicht gelöst werden, als man den Einwohnern verweigert, bei der Lösung mitzureden”, stellt der Bischof klar. „In zehn Jahren wird unsere Hauptstadt Dili eine javanische Stadt sein”, prangert Bischof Belo zugleich die staatlich forcierte Unterwanderung der einheimischen, vorwiegend katholischen, Bevölkerung durch javanische Muslime an.

Trotz der Minderheitenrolle von knapp drei Prozent von 191 Millionen Einwohnern im mehrheitlich muslimischen Indonesien ist der gesellschaftliche Einfluß der kleinen Kirche groß. Katholische Schulen und Universitäten werden wegen ihres hohen Standards auch von Andersgläubigen geschätzt, ebenso die kirchlichen Kindergärten, Spitäler, Altersund Waisenheime. Die noch junge Glaubensgemeinschaft verbreitet ein eher fortschrittliches Flair und ist auch für die Mittel- und Oberschicht der Städte attraktiv.

Die Priesterseminare sind übervoll, dennoch gibt es zu wenige Priester, da die katholische Kirche derzeit ein rasantes Wachstum erlebt. 181.805 Taufen weist die Statistik für das Jahr 1993 aus. In aktiver Sorge um die Gläubigen fördern die indonesischen Bischöfe die Gründung von Gemeinden unter der Führung von Laien. Wiederholt sprach sich die Bischofskonferenz auch für die Priesterweihe verheirateter Männer aus. Inmitten der gesellschaftlichen Umbrüche sieht sich die Kirche verstärkt herausgefordert, eine sozialkritische Haltung zugunsten jener Millionen von Menschen einzunehmen, über die der Fortschritt hinwegrollt.

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