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Was wird aus Hongkong:

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Bnde 1984 unterzeichnete Premierministerin Margaret Thatcher in Peking das Abkommen, das nach 13 Jahren die britische Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China übergeben wird. Die „Eiserne Lady”, die noch vor kurzem für ein paar kahle Inseln in den Falklands einen sinnlosen Krieg geführt hatte, entschied über das Schicksal von 5,5 Millionen, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Vorstellungen über die Zukunft -zum Beispiel in einem Referendum — zu äußern.

Uber dessen Ausgang wären wohl kaum Zweifel entstanden. Denn mindestens die Hälfte der Bevölkerung besteht aus Fluchtlingen vor dem kommunistischen System. Daß bei der entscheidenden Diskussion über das Abkommen im Londoner Westminster die große Mehrheit der Parlamentarier durch Abwesenheit glänzte, deutet darauf hin, daß man sich nicht mit einer Sache identifizieren wollte, die wenig Zukunftsaussichten enthält.

Auf dem Papier sieht die Zukunft Hongkongs rosig genug aus, zumal Peking den Fortbestand des kapitalistischen Systems in dem drittgrößten Finanzzentrum der Welt während 50 Jahren garantiert. „In einem Land zwei Systeme”, lautet die Parole.

Die Optimisten glauben gar, immer mehr Gebiete Chinas können „hongkongisiert” werden, so die anschließenden „Freizonen” gegen Kanton hin, und die neu erschlossenen 14 Küstenstädte, in denen ausländische Firmen nach ziemlich marktwirtschaftlichen Prinzipien operieren dürfen.

Denkbar wäre durchaus, daß die Pragmatiker um Chinas starken Mann, Deng Hsiaoping, den dogmatischen Marxismus, der ja, wie sie erst neulich erklärten, nicht alle Probleme Chinas zu lösen vermag (siehe FURCHE Nr. 1/85), langsam abbauen. Ebenso denkbar aber ist auch, daß sie von einer neuen Rebellion der Maoisten weggefegt werden könnten. Denn die kurze Geschichte der Volksrepublik kennt mehrere solcher radikaler Kursänderungen.

Auch fehlen im Kleindruck des Abkommens wesentliche Punkte, so die Staatsbürgerschaft der drei Millionen, die einen britischen Paß besitzen, der sie aber nicht zur Niederlassung in Großbritannien ermächtigt. Auch die Verfügungsgewalt über den riesigen Grundbesitz der Krone und die Auslandsguthaben ist nicht festgelegt. Und wie soll ein Finanzzentrum funktionieren ohne freien Informationsfluß, den es in keinem kommunistischen Land gibt?

Geld und Gehirne sind deshalb auf Abwanderung begriffen. Ein Drittel der Manager erklärte, sie würden sich in den nächsten fünf Jahren absetzen. Eine kalifornische Bank zeigte ein lange Liste, mit den Namen von Hongkong-Chinesen, die mindestens 100.000 Dollars investierten. Im letzten Jahr brachten 20.000 ihr Geld und ihre Familien nach den USA, Kanada und Australien in Sicherheit.

Costa Rica verlangt eine Investition von 34.000 US-Dollar für die Niederlassung, Dominica 50.000 für ein Haus und 10.000 auf ein Bankkonto, ebensoviel Paraguay. Die Staatsbürgerschaft kann nach einem bis fünf Jahren erworben werden.

Singapur ziert sich, indem es 500.000 Dollar für ein Domizil fordert, Australien 400.000. Im ganzen bemühen sich 100 Länder um Investitionen, darunter auch Frankreich, Westdeutschland, Österreich und Benelux.

Anderseits wies Hongkong im vergangenen Jahr eine Zuwachsrate von 8 Prozent auf. Ausländische Investitionen, vor allem aus Japan, stiegen um zehn, die Exporte um 26 Prozent. 1983 registrierten sich 257 neue ausländische Firmen, deren Zahl nun 1872 erreicht.

Sie hoffen nicht nur auf schnelle Gewinne in den verbleibenden 13 Jahren, sondern zielen auf den riesigen Markt in China, das mit einem langsam steigenden Lebensstandard für Konsumgüter interessant wird, ganz abgesehen von den Investitionen des Staates. Frau Thatcher brachte Prospekte für Flugzeuge, Atom-, öl- und Kohlekraftwerke mit.

Wie es weitergeht, weiß im Grunde niemand. Am guten Willen Pekings, vom bewährten kapitalistischen System den Rahm abzuschöpfen, zweifelt niemand, denn etwa 40 Prozent der Auslandsdevisen stammen aus Hongkong.

Schon sollen 30.000 junge Manager dort in die Geheimnisse der westlichen Wirtschaft eingeführt werden. Aber es heißt, auch 50.000 Agenten stünden im Untergrund bereit, um Unruhen zu organisieren, wenn in den nächsten Jahren nicht alles nach dem Willen der Volksrepublik verlaufen sollte. Was Peking am meisten befürchtet, ist die Einsetzung von einheimischen Behörden durch freie, demokratische Wahlen.

Die Chance dazu hat sich London allzulange verbaut. Die Untertanen ihrerseits begnügten sich nur allzugern damit, unter dem Schutz der Krone Geld zu scheffeln. Nun ist es wohl zu spät dafür.

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