6724604-1965_26_07.jpg
Digital In Arbeit

Thailand - das nächste Opfer?

Werbung
Werbung
Werbung

der gemäßigten Republikaner von Goldwater, mußte die Partei die inneren Streitigkeiten teuer bezahlen. Im Gagensatz dazu schlössen bei den Demokraten nördliche Liberale und südliche Konservative jedesmal die Reihen hinter dem Präsidentschaftskandidaten.

Pragmatismus: Licht und Schatten

Daraus darf der europäische Leser nun nicht den an und für sich naheliegenden Schluß ziehen, daß das, was er über den Pragmatismus der amerikanischen Parteien vernommen hat, auf die Republikaner nicht zutrifft. Im Gegenteil. In seiner brillanten Autopsie der Partei „The Agony of the G. O. P. 1964“ sieht Robert D. Novak in dem uneingeschränkten Pragmatismus der gemäßigten Republikaner den Grund dafür, daß sie von Goldwater überrollt wurden. Nebenbei bemerkt ist No-vaks Buch für das Verständnis der amerikanischen Innenpolitik ebenso bedeutsam wie vier Jahre früher Whites „The Making of the President“.

1960 machten die gemäßigten Republikaner hauptsächlich ihre organisatorische Vernachlässigung der Großstädte für Nixons Niederlage verantwortlich. Sie riefen einen Ausschuß zum Studium dieser Frage in Leben, dessen Vorsitzender der Parteichef von Ohio, Ray Bliss, wurde. Bliss ist zwar ein Konservativer, aber ein Pragmatiker reinsten Wassers. Obwohl Goldwater von den Bemühungen des Ausschusses nicht viel hielt, wollte er später Bliss, dessen Ansichten er schätzte, zum Obmann der Gesamtpartei machen. Jedoch ging Bliss nicht rechtzeitig zu ihm über. Erst vor kurzem erhielt er diese Stelle, nachdem der von Goldwater eingesetzte Obmann in dl Wüste geschickt worden war.

Die „vergessenen Amerikaner“

Goldwater selbst war einmal mhr an einem Programm, dessen ideelle Untertöne breiten Anklang hätten finden können. Er ■ wollte an die „vergessenen Amerikaner“ appellieren. Es handelte sich um diejenigen, die den Interessanverhänden nur widerwillig oder nicht angehören. Die Bundesregierung sollte nicht entmannt, sondern in den Dienst dieser Grupöe “gestellt werden.

Der Senator aber kriegte Angst davor,“'“'dtis'-'ausgetretenen Pfade zu ' verlassen, und entschied sich stattdessen für ein Programm, das in seiner Art genauso pragmatisch war wie das der Gemäßigten. Ihm lag eine ethnische Neueinteilung der Wählergruppen zugrunde. Die weißen protestantischen Amerikaner angelsächsischer oder deutscher Abstammung sowie die Majorität der konservativen Katholiken, vorausgesetzt man kam ihrem Antikommu-nismus genügend entgegen, wurden als Garanten des Sieges angesehen. Juden und Neger dagegen wurden abgeschrieben.

Von dieser Konzeption konnte sich die Partei bis heute nicht lösen. Sie brachte einen beschränkten Erfolg in einigen Südstaaten, in denen sich die Partei eine organisatorische Basis schaffen konnte. Dies ist auf lange Sicht gesehen natürlich bedeutsamer als die weitere Tatsache, daß diese Staaten für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten stimmten.

Ein Appell zur Rückbesinnung

Dieser Artikel kann nicht besser beschlossen werden als mit den Äußerungen eines der angesehensten Republikaner über die Zukunft der Partei. In einem Interview mit den „US News“ meinte.der Parteiführer im Senat, Everett Dirksen, die Partei müsse sich auf Abraham Lincolns Definition der legitimen Aufgaben der Regierung zurückbesinnen. Lincolns Ansicht war, die Regierung müsse alles für das Volk tun, was getan werden müßte und das Volk nicht selbst tun könne. Der Gold-water-Flügel beruft sich ebenfalls auf diese Äußerung des Patrons der Partei, legt sie aber in einschränkendem Sinne aus. Dirksen zieht den Schluß, die Partei dürfe keine Opposition machen, wo sie sich der Einsicht, daß die Maßnahmen des Präsidenten im nationalen Interesse liegen, nicht verschließen könne. Tatsächlich unterstützt der Senator nicht nur das außenpolitische, sondern auch das innenpolitische Programm des Präsidenten weitgehend. Im übrigen ist er überzeugt, daß sich die Regierungspartei abnutzen wird und damit die Republikaner wieder an die Macht kommen.

Der jetzige Krieg in Südvietnam ist — vom chinesischen Gesichtspunkt aus — nur ein Vorspiel, ein Vorhutgefecht im taktischen Gesamtplan, der in Südostasien zur Durchführung kommen soll. Der erbarmungslose Dschungelkrieg, das Dröhnen amerikanischer Bombermotoren und die blutigen Kämpfe sind nur — zumindest theoretisch — ein furchtbarer Prolog zu jenem Drama, das möglicherweise in jenem Raum über die Bühne der Weltpolitik gehen soll. Die Genfer Indochina-konferenz 1954 hat die Situation in Indochina zumindest zeitweilig stabilisieren können — die Signatarmacht Rotchina hatte damals nur unterzeichnet, damit Zeit gewonnen

werden konnte und die Kräfte für den neuen Vorstoß gesammelt und organisiert werden konnten —, aber der jetzige Kriegsausbruch in Südvietnam hat das politische Gleichgewicht gestört und die Stabilität in jenem Teil der Welt wiefler gefährdet. Nach chinesischer Ansicht und Geschichtsauffassung ist Thailand, wie andere Staaten in Südostasien auch, eine Art chinesischer Provinz, ein verlorengegangener Teil des großen chinesischen Reiches. Tatsache ist, daß Thailand (Siam) seit der mongolischen Yuan-Dynastie in China wirklich ein chinesischer Tributstaat gewesen ist. 1767 wurde das von den Birmanesen zerstörte Siam-Reich von einem Chinesen, Taksin Chao Pya (chinesischer Name: Tscheng Dschao), in seiner Unabhängigkeit und staatlichen Souveränität wiederhergestellt. Auch heute, genauso wie in der Vergangenheit, stammt ein großer Teil der thailändischen Bevölkerung von Chinesen ab, auch das Wirtschaftsleben lag und liegt weitestgehend in chinesischen Händen. Seit der Begründung der Volksrepublik China hat sich das Pekinger Regime bemüht, vor allem auch thailändische Funktionäre und Gewährsleute auszubilden und zu schulen. Zum Beispiel ist in Schi-Schan, westlich von Peking, ein geheimes Ausbildungslager für jene „Kanpus“ (= kommunistische Kaderleute) aus Südostasien gegründet worden, in dem sich auch viele Siamesen befinden. Als ich an der Pekinger Universität studierte, machte ich Bekanntschaft mit den Töchtern eines chinesischen linksgerichteten Millionärs in Bangkok, Ji Me-Hou. Sie behaupteten, daß sie später, nach Abschluß ihres Studiums und ihrer Ausbildung, nach Muang Thai zurückkehren wollten, um ihr Land zu „befreien“. Auch der damalige thailändische Kommunistenführer Tschiu-Tschi war ein Chinese.

Bezeichnenderweise — laut Meldungen von Renmin Ribao (Pekinger Volkszeitung) — verstärkt sich die chinesische Initiative in Thailand immer mehr. Bereits vor April dieses Jahres mehrten sich die Anzeichen, daß die chinesischen Interessen an Thailand im Steigen begriffen waren.

Am 22. August vergangenen Jahres wurde in Peking eine Konferenz der Wissenschaftler aus Asien, Afrika und Lateinamerika abgehalten, bei der der thailändische Delegationsführer Gurot Schiparit eine Rede hielt, die mit dem zu erörternden wissenschaftlichen Fragenkreis absolut nichts zu tun hatte. Er behauptete: „...Thailand, unsere Hei-

mat, ist noch immer unter das amerikanisch-imperialistische Joch geknechtet, aber diese dunkle Epoche wird nicht mehr lange dauern. Das thailändische Volk wird diese Situation und Lage — bald beenden.. (Renmin Ribao, 22. August 1964.)

Ein anderer chinesischer Verbündeter, Kambodscha, sowie die unter dem chinesisch-nordvietnamesischen Einfluß stehende Pathet-Lao-Bewe-gung in Laos stellten sich außenpolitisch in dieselbe thailandfeind-liche Front wie Rotchina. Die kam-

bodschanische Regierung hat am 26. September letzten Jahres eine Erklärung abgegeben, in der festgestellt wird, daß die USA gemeinsam mit Südvietnam und Thailand einen „agressiven Druck“ auf Kambodscha auszuüben beabsichtigen.

Der Sprecher des Oberkommandos der Pathet-Lao-Truppen führte am 18. November 1964 aus, daß die thailändischen im Verein mit den südvietnamesischen und rechtsgerichteten laotischen Verbänden gegen linksgerichtete Kampfeinheiten Laos' gekämpft hätten, und zwar auf laotischem Territorium.

Eine sich auf chinesischem Gebiet befindliche Rundfunkstation, die in Saisong Panna (Thai-Autonomgebiet) im Süden der chinesischen Yünnan-Provinz liegt und „Stimme des thailändischen Volkes“ heißt, sendete am 8. Dezember 1964 eine Deklaration der sogenannten „Unabhängigkeitsbewegung Thailands“, In der es heißt: Wir wollen die amerikanischen Agressoren aus Thailand hinauswerfen. Wir wollen die verräterische Diktatur der Sarit-Tanong-Clique stürzen. Wir wollen eine Regierung von patriotischen und demokratischen (lies kommunistischen) Parteien, die eine neutrale und friedliche Politik verfolgen, in Thailand begründen.

Die am 1. Jänner dieses Jahres In Peking begründete „Patriotische Front Thailands“ sendete am 22. Jänner durch den bereits erwähnten Rundfunk eine sogenannte „Deklaration an alle thailändischen Landsleute“ aus, die besagte, daß ein verfassungsähnliches Programm für das zukünftige kommunistische Thailand ausgearbeitet sei: Wir wol-

len für die nationale Unabhängigkeit Thailands kämpfen. Wir wollen alle bestehenden Verträge zwischen Thailand und den Vereinigten Staaten von Amerika annullieren. Wir wollen für das demokratische Recht des Volkes kämpfen. Wir wollen die faschistische Regierung in Krung-Thep (Bangkok) stürzen und eine demokratische an ihre Stelle treten lassen. Wir wollen eine Politik des Friedens und der Neutralität verfolgen und aus der SEATO austreten. Wir wollen die Gesamtwirtschaft und die Nationalindustrie entwik-keln und das ausländische Kapital in Thailand ausmerzen. Wir wollen das Leben und den Lebensstandard des thailändischen Volkes verbessern. Wir wollen die Erziehung und di Volksgesundheit heben.

Hanoi jubelt

Sofort nach der Aussendung dieser Erklärung jubelte und frohlockt das Parteiorgan „Nhan Dan“ (Volkszeitung) in Hanoi in seiner Nummer vom 29. Jänner in dem Artikel „Die Siegesfahne des thailändischen Volkes“ : „ ... Jetzt endlich hat das thailändische Volk durch diese Organisation den Weg zu seiner Befreiung gefunden!“ Zum Unterschied von der „Unabhängigkeitsbewegung Thailands“ (eine Art von Volksfront) ist diese neugegründete „Patriotisch Front Thailands“ eine rein kommunistische Organisation.

Am 25. Jänner 1965 hat auch di Volksfront „Unabhängigkeitsbewegung Thailands“ sich mit einer Neujahrsbotschaft an die Bevölkerung vom Mekong bis zum Menam gewandt, deren' Agitation allerdings leer und nichtssagend war.

Der Krieg in Südvietnam ist also nicht nur ein grausamer Dschungelkrieg, sondern auch ein Krieg, der mit raffinierten modernen psychologischen Waffen — der Presse und dem Rundfunk — geführt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung