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Korea: Generale und der Hunger

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Die koreanische Revolution im Frühling letzten Jahres war ganz vergeblich gewesen. Dem Überschwang der Studenten war bald die Ernüchterung im Volke gefolgt. Syngman Rhee war vertrieben, seine Diktatur zerbrochen worden. Was folgte, war eine Demokratie der Berufspolitiker, der qrruption, der Verbitterung und der D feitteige cfetndkratisch gewählte Ministerpräsident Koreas, Doktor John Chang, in Amerika erzogen, Katholik und Berufsdiplomat bei der UNO, fand sich isoliert. Was immer er unternahm, um der jungen koreanischen Demokratie irgendeinen Inhalt zu geben, wurde zur Donquichotterie.

Als nach einem Jahr ununterbrochener „Kinderkrankheiten“ die Generäle die Demokratie wieder umbrachten, rührte niemand einen Fintger, um sie zu verteidigen. Generäle brauchen Zivilisten, die ihnen die graue Arbeit der Administration abnehmen. Schon drängen sich die alten Kämpfer des Syngman Rhee um den neuen Herrn, und in Kürze wird Korea wieder genau so „weit“ sein, wie es bis zum Frühjahr 1960 war. Ein Jahr Demokratie hat sich buchstäblich in Nichts aufgelöst, und zurückgeblieben ist nur die Überzeugung: so wie es in dem einen Jahr war, geht es auch nicht.

Die Iren des Fernen Ostens

Die Koreaner sind so etwas wie diese: streitsüchtig, rechthaberisch,

aber auch treu ihrer Überzeugung, was immer sie sein mag. Demokratie wird nun auf lange Zeit nicht zu den Überzeugungssätzen der Koreaner gehören. Trotzdem werden die Generäle und ihre Handlanger aus dem Lager Syngman R.hees Säuberung auf Säuberung loslassen müssen, wenn sie der Unruhe ihrer Landsleute Herr werden wollen: wie früher die Japaner, die Chinesen und die anderen, die Herren über das unglückliche Korea waren. Lind auch die persönliche Aufrichtigkeit, die Haudegentugenden der Generäle werden das Land nicht sauberer machen, nur blutiger. Ihre antikommunistische Besessenheit hat 1951 ihr Land gerettet. Oh sie--heute noch genügt? Es muß auch der Hunger gestillt werden.

Der Streich kam nicht unerwartet. ..Der Herbst wird ein neues Korea sehen. Rot oder weiß.“

Zwei Wochen vor dem Staatsstreich, auf dem Wege nach Seoul, führte mich der Flugkapitän der Koren Air-Lines in die Situation seines Landes ein. Auf dem Flugplatz von Seoul war die Zollkontrolle bösartig; aber für zwei amerikanische Dollar kann man sie los werden. Der Taxichauffeur bettelte um Zigaretten. Die besten Zimmer des Hotels waren an Parlamentsabgeordnete und ihren Anhang dauervermietet. Ich wunderte mich, daß das Flugzeug hier landen konnte, in dieser modrigen Luft aus Not, Korruption und Ausweglosigkeit. Der Todesstreich gegen.-,4ie ,, Penwkrajti Jag damals schon m deyTfift efkitrij nrcht un-

In Japan hat män mir gesagt, daß im korruptionsgewohnten Südostasien die Republik von Korea (ROK) als Synonym für Korruption in Reinkultur steht. Aber die Demokratie hat zur Korruption noch drückende Parteienwirtschaft gebracht.

Und in Formosa, wo man Korea mit weniger Ressentiments gegenübersteht als in Tokio, bestätigt man das Urteil:

„Unter Syügman Rhee war in Korea alles käuflich; nur er nicht und seine

Politik. Heute sind sie bereit, auch die Politik auf den Markt zu tragen."‘

Wochen vor dem Staatsstreich fühlte man in Korea, daß ein Umschwung in der Luft liege, man wußte nur nicht, ob der Schlag von links oder von rechts kommen werde; von jenen Kräften, die Sehr schnell gelernt hatten, die Möglichkeit einer korrupten Demokratie auszunützen, und den Militärs, die sich den Sieg von 1951 nicht so leicht aus der Hand nehmen lassen wollen.

USA — Kopf im Sand

Und die Amerikaner? Die Antworten waren in Tokio, in Taipeh, in Bangkok und in Hongkong fast gleichlautend. Für das Washington Kennedys ist die Demokratie in Korea ein Wunderheilmittel gegen die alten Geschwüre des Landes. Die Amerikaner stecken den Kopf in den Sand vor den neuen und gefährlicheren Schwären, die unter dem Wunderheilmittel aufgebrochen sind.

Dr. John Chang, der abgesetzte Mi-’ nisterpräsident, trägt wahrscheinlich die geringste Schuld an dem Debakel seiner Regierung. Syngman Rhee hat ein schwieriges Erbe hinterlassen; Freiheit von der kommunistischen Fremdherrschaft, aber keine Freiheit des Staatsbürgers und schon gar keine Freiheit von Arbeitslosigkeit, Hunger und Bauernelend. Dr. Chang wollte in der Republik von Korea die Freiheit von der kommunistischen Unterdrückung mit der Freiheit des Staatsbürgers verbinden. Er mußte Schiffbruch erleiden, denn er hatte nicht nur gegen die Opposition der alten Syng- man-Rhee-Anhänger, der Sozialisten und der Kommunisten anzukämpfen, sondern auch gegen die massive Opposition in der eigenen, in der Demokratischen Partei.

Er war zu schwach, um die korrupte Bürokratie zur sauberen Ge- SChäftsfjjhrupg zu zwingen, er. h tte nicht die Macht, den Großgrundbesitzern die längst, naBMecdigea Bodenreform abzitringen und die Spekulanten kleinzukriegen. Dr. John Chang hatte aber auch nicht die Macht und die Kraft, den Linksströmungen

Die Freiheit: Wozu?

Und sie hatten gut gerechnet. Das Volk, das vor einem Jahr die Diktatur Syngman Rhees zerbrochen hatte, war dieser Freiheit ohne Brot müde geworden. Es ließ den Putsch der Generäle apathisch über sich ergehen.

Die neuen Männer kommen nicht aus der Ära Syngman Rhee. Sie wuchsen nicht im Untergrundkampf gegen die japanische Besatzung auf, sondern waren seit jeher Militärs gewesen, nichts als Militärs. General Chang Yung kommt aus einer japanischen Offiziersakademie. General Chungkee,

entgegenzutreten, die langsam, aber stetig eine von Nordkorea geleitete kommunistische Aktion vorbereiten.

In dieser Zeit schwoll die Zahl der Arbeitslosen auf drei Millionen an. Der Preis des Reises stieg um fünfzig Prozent, aber es blieb weniger Geld in den Händen der Bauern als früher. Seit jeher hatte es unter den Bauern von Korea den „Frühjahrshunger“ gegeben. Niemals seit 1915 war er so •groß gewesen wie in diesem Frühjahr. Alle großzügigen Bauprojekte des Ministerpräsidenten scheiterten schon im Planungsbüro.

Für die USA wurde Südkorea zu einem Faß ohne Boden; 200 Millionen Dollar gingen jährlich darauf, um die Wirtschaft in Korea halbwegs funktionierend zu erhalten. Wie fast überall, löste die etwas naive und zu einem großen Teil in die falschen Taschen gehende Großzügigkeit Antiamerikanismus aus. Die Kommunisten nützten den günstigen Wind. „Die friedliche Wiedervereinigung Koreas“ und „Ami go home“ wurden populäre Schlagworte. Im März ahmten die Studenten das Beispiel der japanischen Zengakuren nach und stürmten das Parlament mit Protesten gegen das japanisch-koreanische Bündnis.

Die neuen Männer

Seiner Erziehung in den USA und seiner Mentalität entsprechend, hatte Dr. John Chang die 520.000 Mann starke Armee nur mit Reserve und Mißtrauen behandelt. Der Ministerpräsident überhörte deshalb auch die letzte Warnung des Militärs Ende Februar dieses Jahres. Über den Kopf des Innenministers hinweg verhaftete damals die Militärpolizei eine Gruppe kommunistischer Konspiranten. Unter den verhafteten Männern waren drei ■ ns der Fraktion Drs-John Changs. Die .Generijle beobachteten noch-die ,Ö - monstrationen der Studenten und die Propagandakampagne der ‘Bewegung „für die friedliche Wiedervereinigung " Dann schlugen sie zu.

Vizepräsident und, starker Mann des Revolutionskomitees, hatte vor 1950 mit den Kommunisten verhandelt, war aber dann zum gefeierten Truppenführer und Haudegen der antikommunistischen Armee geworden. Es ist kein Zweifel, daß die Militärs genug Kraft und Entschlossenheit haben, um die als progressive Reform getarnte sozialistisch-kommunistische Einheit zu zerschlagen und die kommunistische Gefahr militärisch zu bannen. Aber die wirtschaftlichen Probleme sind, um ein Vielfaches größer, viel schwerer zu lösen.

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