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Sturmzeichen am Gelben Meer

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Schon ein Jahr vor dem Aufhören der Viermächteverwaltung in Deutschland wurde im ehemals japanischen Korea die Zusammenarbeit zwischen den amerikanischen und den sowjetischen Besetzungsbehörden abgebrochen. Ein Vergleich der Geschichte Koreas und Deutschlands seit 1945 ergibt viele Parallelen; bei denen jedoch immer in Rechnung zu stellen sein wird, daß das deutsche Volk in dem Kräftespiel der Mächte ein anderer politischer Faktor ist als das Dreißigmillionenvolk der Koreaner, das bisher unter Kolonialverwaltung lebte; und die Russen waren ursprünglich früher in Korea als die Amerikaner. Wie in Österreich und Deutschland kamen nach ihrem Einmarsch zunächst radikale linksgerichtete Elemente in den lokalen Behörden ans Ruder; diese, aus eigener Machtvollkommenheit residierenden sogenannten „Volkskomitees" entsandten am 6. September 1945 anderthalbtausend Delegierte in die Hauptstadt Söul und proklamierten dort die „Koreanische Volksrepublik". Zugleich beschlossen sie, Landeswahlen für eine Konstituante auszuschreiben. Das geschah zwei Tage, ehe die USA-Streitkräfte in Söul eintrafen, das, südlich des 38. Breitegrades gelegen, mit in das amerikanische Besetzungsgebiet fallen sollte.

Ehe nun die allgemeinen Wahlen stattfanden, suchten die Volkskomitees die gesamte Ordnung Koreas kommunistisch zu formen; die Großgrundbesitzer und die reiche Schichte der Pächter wurden enteignet, Kolchosen gebildet, der städtische Mittelstand durch Verstaatlichung verdrängt und ein strenges Polizeiregime errichtet. Die Amerikaner wandten sich gegen die Eingliederung Koreas in das russische Sozialsystem, erklärten, daß nur eine gewählte, demokratische Volksvertretung derart tiefgreifende Änderungen in der Struktur des Landes vornehmen dürfe, verhinderten die Durchführung der Gesetze und schritten gegen die Volkskomitees in Südkorea mit Verboten ein. Damit begann die Spaltung des Landes.

Auf der Moskauer Konferenz im Dezember 1945 kam man überein, daß eine gemischte sowjetisch-amerikanische Kommission die Möglichkeiten zur Konstituierung einer gesamtkoreanischen Regierung studiere. Eindreiviertel Jahre lang untersuchte die Kommission die Lage und konnte sich nicht einigen. Es war ja auch ersichtlich, daß es den Russen daran gelegen war, die provisorische Regierung in dem von Jhnen besetzten Nordteil des Landes möglichst lange am Ruder zu halten und ungehindert die politische und soziale Ordnung in ihrem Sinne gestalten zu lassen. Je länger die Kommission tagte, um so zahlreicher wurden die von den Volkskomitees im Norden geschaffenen vollzogenen Tatsachen, deren Beseitigung die USA vergeblich verlangten, um den Boden für die Bildung einer neuen, gewählten gesetzgebenden Körperschaft zu bereiten. Endlich erklärte der Sowjetvertreter, das Fortbestehen der Kommission habe keinen Sinn mehr und verließ die Beratungen. Das war im September 1947, ein Jahr vor dem gleichen dramatischen Schritt Marschall Sokolowskijs in Berlin.

Nun brachten die Amerikaner den Korea- Streitfall vor den Sicherheitsrat, der gegen die Stimmen der kommunistischen Länder nun seinerseits eine Kommission nach Korea entsandte, die über die Durchführung demokratischer Wahlen wachen sollte. Die Sowjets verwehrten der Kommission die Einreise in nordkoreanisches Gebiet, worauf der Sicherheitsrat empfahl, bloß im Süden des Landes, unter UNO-Aufsicht, die Wahlen durchzuführen. Das geschah: im Mai dieses Jahres wurde eine „Nationalversammlung Koreas" mit dem Sitz in Söul gebildet, während die von den Sowjets ge- stützte provisorische Landesverwaltung in Pchöng-jang, einer russisch kontrollierten Stadt, ihren Sitz aufschlug.

Ehe aber noch die Wahlen zum Südparlament durchgeführt worden waren, traten die Volkskomitees, die sich währenddessen zu einer großen Zahl von Verbänden und Parteien umgebildet hatten, in Pchöng-jang unter Teilnahme zahlreicher Vertreter aus Südkorea zu einer Tagung zusammen und erklärten die von den Amerikanern und der UNO betriebenen Wahlen in Südkorea für ungesetzlich. Diese Parteienversammlung in Pchöng-jang ist ungefähr mit dem in der deutschen Sowjetzone gebildeten „Deutschen Volksrat" zu vergleichen, der aus den bei den Russen lizenzierten Parteien und Vereinigungen gebildet worden ist.

Als die im Süden gewählte „Nationalversammlung“, die sich zwar als Rumpfparlament, aber als die einzige rechtmäßige parlamentarische Körperschaft Gesamt- Koreas bezeichnet, eine von ihrem Präsidenten Li Söng Man vorgeschlagene Regierung am 5. August 1948 bestätigte, schrieb die Versammlung von Pchöng-jang im Norden Wahlen für das Gebiet Gesamt- Koreas aus. Da die Amerikaner die Durchführung von Wahlen, die man in Pchöng-jang ausschrieb, nicht zuließen, der Norden aber für die Zusammensetzung dieser „Obersten Volksvertretung" in seinem Geiste vorgesorgt hatte, war der Ausgang der Wahlen genau so wie er sein mußte und die gewählten „Volksvertreter", die am 25. August zusammentraten, waren durchaus würdige Nachfolger ihrer „provisorischen" Vorgänger.

Nun hatte Korea zwei Parlamente und zwei Regierungen. Die Zer- trennung des Landes war endgültig geworden. Fortan waren die Besatzungsmächte bestrebt, jeweils „ihre n“ Regierungen weiteste Machtbefugnisse zu erteilen, um der Bevölkerung in der Nachbarzone „die Augen zu öffnen’, wo das wirklich freie und souveräne Regime bestand.

Die USA gewannen zunächst einen zeitlichen Vorsprung, denn sie anerkannten die Südregierung sofort nach ihrer Konstituierung, entsandten einen diplomatischen Vertreter nach Söul und vermochten die Regierungen der Philippinen und Tschiang- Kai-Schek-Chinas zu demselben Schritt zu bewegen. Sie erklärten, das Land möge sich nun nicht mehr als besetzt betrachten, die USA-Streitkräfte würden sich nur mehr auf Überwachungsaufgaben, besonders bezüglich der noch nicht zerstörten Kriegsindustrie und des sonstigen japanischen Eigentums beschränken. Der amerikanische Hochkommissär begann Verhandlungen mit der Söuler Regierung, damit die von den USA den Koreanern zunächst spontan eingeräumten erweiterten Selbstbestimmungsrechte in einem Abkommen schriftlich festgelegt würden.

Dieses Abkommen legte Ministerpräsident Li Bum Suk in den ersten Septembertageri der Nationalversammlung zur Annahme vor. In diesem Augenblick war die Stimmung im ganzen Lande einschließlich des Nordens auf der Seite der Amerikaner, die sich zur Aufgabe des eigentlichen Besatzungsregimes entschlossen hatten. In diesem Augenblick aber wurden auch die Russen aktiv. Sie verstanden es geschickt, die Lage zu wenden: sie veranlaßten das Nordparlament, in einer Resolution am 10. September festzustellen, die weitere A n- wesenheit ausländischer Soldaten auf koreanischem Boden sei überhaupt überflüssig geworden; nach Washington und Moskau erging ein Brief mit der Bitte um Abzug der Besatzungen.

Zehn Tage später beschloß der Oberste Sowjet, dasGesuchzugenehmigen. In ihrem Antwortschreiben an die Nordregierung gibt Moskau das Versprechen, die russischen Truppen bis 1. Jänner 1949 aus Korea zurückzuziehen. In einer Dankadresse .ihres Präsidenten nach ‘ Moskau drückte die „Oberste Volksvertretung" in Pchöng-jang die Hoffnung auf eine ebenso positive Antwort Washingtons aus. Doch Washington wird aber nicht antworten, da Amerika die Regierung von Pchöng-jang als Zentralregierung nicht als existent betrachtet.

Aber auch das freundliche Entgegenkommen der USA gegenüber der Regierung von Söul hat nun plötzlich an Glanz verloren! Als es im Südparlament zur Abstimmung über den neuen koreanisch-amerikanischen Vertrag kam, waren zur größten Bestürzung der Regierung nur 78 von den 200 Abgeordneten im Saal erschienen. Die Sowjetpresse behauptet, die anderen 122 hätten aus Furcht vor der Wut des Volkes nicht zu erscheinen gewagt; auf jeden Fall haben diese 122 unter dem Eindruck des Sowjetbeschlusses vom 20. September ihre Unzufriedenheit mit den Zugeständnissen der Amerikaner offen geäußert.

Die Südregierung ist damit in eine schwierige Lage gekommen, da die Russen

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