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Christen warnen Park: Krasser Antikommunismus schadet nur

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Diesen Sommer lädt Südkorea erstmals die Spitzenorchester und Stars der Welt zu einem elf Wochen dauernden Musikfest zu Gast nach Seoul; gleichsam ein Zeichen für das neue Selbstbewußtsein und den Lebenswillen eines überaus leistungswilligen Volkes. Schließlich ist Südkorea das Land, das zur Zeit das größte wirtschaftliche Wachstum der freien Welt aufweist. Doch die das südko-reanische Wirtschaftswunder eindrucksvoll dokumentierenden Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Unzufriedenheit im Lande wächst. Denn Millionen von Werktätigen profitieren nicht'am wirtschaftlichen Aufschwung und führen nach wie vor ein Leben am Rande des Existenzminimums. Um sie haben sich vor allem die Christen des Landes angenommen.

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Diesen Sommer lädt Südkorea erstmals die Spitzenorchester und Stars der Welt zu einem elf Wochen dauernden Musikfest zu Gast nach Seoul; gleichsam ein Zeichen für das neue Selbstbewußtsein und den Lebenswillen eines überaus leistungswilligen Volkes. Schließlich ist Südkorea das Land, das zur Zeit das größte wirtschaftliche Wachstum der freien Welt aufweist. Doch die das südko-reanische Wirtschaftswunder eindrucksvoll dokumentierenden Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Unzufriedenheit im Lande wächst. Denn Millionen von Werktätigen profitieren nicht'am wirtschaftlichen Aufschwung und führen nach wie vor ein Leben am Rande des Existenzminimums. Um sie haben sich vor allem die Christen des Landes angenommen.

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1966 betrug Südkoreas Bruttosozialprodukt nur 3,6 Milliarden Dollar, dieses Jahr wird es die 40-Milliarden-Grenze bereits überschreiten. Pro Kopf der Bevölkerung betrug die Produktion 1966 nur 194 Dollar, dieses Jahr dürfte schon die 1000-Dollar-Grenze übertroffen werden. Im selben Zeitraum vermehrten sich die Exporte um das Vierzigfache und im letzten Jahr betrugen sie erstmals 10 Milliarden Dollar. Dieses Ziel wurde fünf Jahre früher erreicht als geplant.

Verschiedene Faktoren erklären dieses Wirtschaftswunder, das nicht nur die Japaner das Fürchten gelehrt hat. Einmal war es die Armee - mit 600.000 Mann, die sechstgrößte der Welt - die sich als Schule der Nation bewährte. Sie bildete in diesem unterentwickelten Land, das kaum das Kolonialjoch abgeworfen hatte, die technischen Berufe und Führungskräfte nach amerikanischem Vorbild heran, die nach ihrer Entlassung der Wirtschaft mit ihrem Know-how wertvolle Dienste leisteten.

Nach japanischem Muster entstanden sodann die großen Zaibatsu-Kon-zerne, die Außenhandel und Industrie beherrschen, um mit einem Minimum an Kapital ein Maximum an Effekt zu erzielen. Sie vermochten im Ausland-vor allem im Nahen Osten - beträchtliche Aufträge für die Bauindustrie zu gewinnen. Jetzt drohen sie schon die europäischen und amerikanischen Firmen aus dem Weltbewerb zu verdrängen.

Die Textilindustrie, gegen deren billigen Produkte selbst die Japaner nicht mehr aufkommen, ist längst nicht mehr die Basis der Wirtschaft. Im Bestreben, die Landesverteidigung mit eigenen Kräften zu sichern, entstand mit staatlicher Hilfe eine leistungsfähige Schwerindustrie. Im Schiffs- und Automobilbau sind die Koreaner weltweit ernstzunehmende Konkurrenten, sogar Panzer und schwere Geschütze produzieren sie heute selbst. Und wahrscheinlich werden sie im Flugzeugbau ebenfalls ihr Glück versuchen. Dank einer gutgelungenen Landreform blüht auch die Landwirtschaft mit einem Uberschuß in der Reisproduktion.

Der wirtschaftliche Aufschwung Südkoreas zählt um so mehr, wenn man bedenkt, daß Nordkorea mit seiner weit geringeren Bevölkerung bei der Teilung des Landes fast alle Mineralvorkommen und Industrieanlagen zugefallen waren. Diese bessere Aus-

gangsbasis half Nordkoreas Kommunisten aber offensichtlich nichts, jetzt ist ihnen Südkorea in der Entwicklung bereits um etwa 15 Jahre voraus. Dem unberechenbaren kommunistischen Diktator Nordkoreas, Kirn IT-Süng, müssen die enormen wirtschaftlichen Fortschritte des Südens jedenfalls ein Dorn im Auge sein, zumal er mit zwei Milliarden Dollar im Ausland tief verschuldet ist. Das schafft am 38. Breitengrad aber auch nach wie vor eine „Pulverfaß-Atmosphäre“, bei der der kleinste Funke genügt, und die beiden Koreas bekriegen sich wieder blutig. Zweimal hat der Norden den Süden schon überrannt und Kim Il-Sung hält noch immer an seinen gewaltsamen „Wiedervereinigungsplänen“ fest.

Zu allem Unglück für den Süden hat der amerikanische Präsident Carter ohne Rückspache mit seinen Befehlshabern auch noch den Rückzug der US-Bodentruppen (mit ihren Atomwaffen) angekündigt. Das würde eine verheerende Lücke im südkoreanischen Verteidigungsbereich aufreißen. Der Abzug der US-Truppen wäre für den Feind im Norden geradezu eine Einladung, den 38. Breitengrad ein drittes Mal gewaltsam zu überschreiten.

Die Schatten, die das Bild Südkoreas im Ausland trüben, sind innen- und außenpolitischer Art: die Einmischung in die amerikanische Innenpolitik durch den koreanischen Agenten Tongsun Park, der massiv Parlamentarier bestach; die Enthüllung, daß die sogenannte „Vereinigungskirche“ des Sektengründers Mun in Wirklichkeit im Dienst der südkoreanischen Geheimpolizei KCIA steht; die Weigerung des ehemaligen Botschafters in den USA, Kim Dong Jo, vor dem Ausschuß des Kongresses über seine Bestechungsaffären auszusagen; vor allem auch die massiven Menschenrechtsverletzungen durch das südkoreanische Regime unter Park Chung Hee: All diese Skandale haben dem Verhältnis zwischen Südkorea und den USA schweren Schaden zugefügt.

Als Park den gutwilligen, aber schwachen christlichen Präsidenten John Chang verdrängte, gab es in Südkorea über 200 politische Parteien, die das Land ins Chaos zu stürzen drohten. So nahm das Regime im Süden, wo die Amerikaner zur Verteidigung der Demokratie-einen Krieg geführt hatten, immer autoritärere Züge an. Diese harte Hand sicherte zwar der Wirt-

schaft das erstaunliche Wachstum (von den 37 Millionen Einwohnern zählen sich heute bereits 40 Prozent zur Mittelklasse), die Arbeiterschaft kam allerdings bis jetzt noch nicht in den Genuß eines, entsprechenden Anteils am Wirtschaftswunder. Schließlich werden ja auch die Gewerkschaften und Oppositionsparteien in ihrer Tätigkeit rigoros behindert, wenn sie nicht regierungskonform sind. Die Begründung des Regimes für fast alle seiner diktatorischen Maßnahmen: „Kampf gegen den Kommunismus!“

Die Ungerechtigkeiten gegenüber der Arbeiterschaft und der krasse Antikommunismus, der in Südkorea als Begründung für Restriktionen aller Art dient, hat in letzter Zeit verstärkt die Christen Südkoreas auf den Plan gerufen. Sie befürchten, daß das Regime mit seinen antikommunistischen Maßnahmen im Endeffekt genau das Gegenteil erreicht: Durch die Beschränkung der Meinungsfreiheit, soziale Unterdrückung der Arbeiterschaft und Verbot oder Behinderung ihrer Interessenvertretungen werde nur zur Radikalisierung der Werktätigen beigetragen und der kommunistischen Ideologie Sympathien verschafft.

Die Katholische und Evangelische Kirche haben aus der politischen Kurzsichtigkeit des Regimes ihre eigenen Konsequenzen gezogen und kümmern sich intensiv um die Arbeiter. Industriemissionare der evangelischen „Urban Industrial Mission“ (UIM) und der katholischen „Young Christian Workers“ (JOC) sind unentwegt dabei, die Arbeiter über ihre Rechte aufzuklären. Dem Regime paßt das freilich nicht, es bezeichnet die kirchlichen Mitarbeiter nicht ungern als Kommunisten beziehungsweise als kommunistische Handlanger. Und die Geheimpolizei KCIA wird nicht müde, das Vertrauen der christlichen Industriemissionen bei den Werktätigen in Mißkredit zu bringen, Zusammenstöße zu provozieren und die Arbeit der Missionen wo es nur geht zu behindern. Man kann ermessen, wie schwierig bei solch massiven Gegenmaßnahmen auch die Verbreitung des christlichen Glaubens ist. Der katholische Kardinal Kim Sou Hwan hat das Regime jedenfalls gewarnt: „Die Ubergriffe des Staates gegen unsere Reformprojekte arbeiten letztlich nur den Kommunisten in die Hände.“

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