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Warten auf eine echte „Dritte Kraft"

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In einem Interview bot der chinesische Vizeaußenminister Zhang Wenjin der kommenden US-Regierung Reagan Zusammenarbeit in der internationalen Politik an - und zwar unter der Bedingung, daß Reagan seine Wahlversprechen über eine Aufwertung Taiwans nicht wahr mache. Sensationell unter den chinesischen Vorschlägen wirkt der erste öffentliche Hinweis auf die Bereitschaft Chinas, die Unterstützung der Roten Khmer zu reduzieren, falls dies Vietnam veranlassen könnte, die militärische Besetzung Kambodschas zu beenden.

Dieser Vorschlag dürfte das Resultat der Demarchen sein, die der thailändische Premier Prem Tinsulanond und der Premier von Singapur, Lee Kuan Yew, kürzlich auf ihren Besuchen in Peking unternahmen. Beide hatten als Sprecher der fünf ASEAN-Staaten versucht, die verhärteten Fronten aufzulockern; aus Hanoi wie aus Peking kommen die ersten Signale, daß alle Beteiligten von den bisher erhobenen Maximalforderungen abzurücken gewillt sein könnten.

Das heißt im Klartext, daß Peking nicht länger auf einer Wiederherstellung des absolut diskreditierten Pol-Pot-Regimes und auf totalen Abzug Vietnams besteht, Hanoi anderseits gewillt ist, wenigstens einen Teil seiner 200.000 Truppen abzuziehen und andere politischen Kräfte als seinen Statthalter Heng Samrin anzuerkennen.

Der malaische Außenminister Tengku Ahmad Rithauddeen wird demnächst Hanoi besuchen, um Vietnam zur Teilnahme an der von den ASEAN-Staaten befürworteten internationalen Konferenz über die Zukunft Kambodschas zu überreden.

Diese Konferenz wurde von den ASEAN-Staaten sofort gefordert, nachdem am 23. Oktober die UNO-Generalversammlung mit 97 gegen 23 Stimmen (bei 22 Enthaltungen) beschlossen hatte, den UNO-Sitz weiterhin den Roten Khmer zu überlassen.

Hanois Versuch, für das von ihm eingesetzte Regime Heng Samrins internationale Anerkennung zu finden, war damit erneut abgeschlagen, aber niemand im westlichen Lager kann mit der unnatürlichen Partnerschaft mit den Roten Khmer zufrieden sein, umsowe-niger, als dauernd neue Meldungen über die unvorstellbaren Greueltaten Pol-Pots bekannt werden. (Schätzungsweise ein Viertel der Bevölkerung kam unter ihrer Herrschaft um, 80.000 buddhistische Bonzen wurden umgebracht, ebenso Hunderttausende der islamischen Minderheit des Chamvolkes, darunter sämtliche Hakimslehrer.)

Das Dilemma besteht darin, daß nur die 10.000 Roten Khmers heute, dank massiver Hilfe aus China, ein ernstzunehmender militärischer Faktor sind. Der Abzug der vietnamesischen Truppen würde sie wieder zur Macht bringen und dem geplagten Volk nur neue Experimente des integralen Kommunismus mit seinen mörderischen Folgen bescheren.

Chinas Zwecken aber sind sie soweit dienlich, als sie das mit ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfende Vietnam Weißbluten und die Konsolidierung seiner Kolonialherrschaft über das alte Indochina der

Franzosen verhindern. Anderseits kann es aber nicht in Chinas Interesse liegen, daß Vietnam dadurch in immer stärkere Abhängigkeit von der Sowjetunion gerät. Hanoi selbst muß an einer Befreiung interessiert sein.

Die Lösung wäre die Etablierung einer glaubwürdigen „Dritten Kraft", die eine echte Neutralisierung Kambodschas durchführte. Unter dem Sammelnamen „Blaue Khmer" operieren verschiedene antikommunistische Gruppen unter dem früheren Premier Son Sann. Sie sind aber unter sich selbst immer noch zerstritten. Ihre Stärke wird auf 5000-10.000 Mann geschätzt. Damit sind sie keineswegs in der Lage, die beiden Gegner, die Roten Khmer und die vietnamesischen Besatzer, zu vertreiben.

Sie verkörpern aber eine moralische Macht als glaubwürdige Alternative, die von der UNO und der freien Welt akzeptiert werden kann. Die einzige mögliche Integrationsfigur ist Prinz Sihanouk, der heute teils in Peking, teils in Pyöngyang auf seine Stunde wartet.

Wenn die neuesten Signale aus Peking und Hanoi richtig interpretiert werden, könnte Sihanouk mit Son Sann und Heng Samrin an einem Tisch sitzen und einen Kompromiß aushandeln, der einen teilweisen Abzug der Vietnamesen ermöglichte und die Roten Khmer, die ohne chinesische Unterstützung nicht lange operieren könnten, neutralisierte.

Von der UNO beaufsichtigte Wahlen, wie die ASEAN-Staaten fordern, wäre dann der Abschluß des Stabilisierungsprozesses. Sihanouk allerdings ist sich bewußt, daß dieses Drehbuch ein in der internationalen Politik selten anzutreffendes Maß von Weitsicht und gesundem Menschenverstand voraussetzt. Die Alternative wäre in seiner Sicht ein großangelegter Feldzug Chinas gegen Vietnam, aber wer kann sich dies - mit aller Unwägbarkeit der Konsequenzen - schon wünschen?

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