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Prinz Sihanouk und der Vietkong

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„Meine Kinder und Enkelkinder! Vergeßt bitte nicht, daß unser Staat 1953 unabhängig geworden ist. Das hatte mit dem Genfer Abkommen überhaupt nichts zu tan!“ Solche Rundfunlcansprachen Prinz Norodom Sihanouks hört man immer wieder am 9. November jeden Jahres, dem Staatsfeiertag Kambodschas. „Kinder und Enkelkinder“ ist die beliebte Anredeform des noch jungen Staatschefs an das Volk, das fast soviel wie das Österreichs zählt. Hanoi aber hat die Behauptung Sihanouks mehrmals korrigiert, nicht gerade sehr höflich, schon während der „Konferenz der Voltedelegierten der Drei Indochinesischen Staaten“ in Pnom-petih im Mai 1965. Sihanouk nahm das zwar gelassen hin, revanchierte sich aber später in einer Rede mit folgenden, überlegen klingenden, Erwägungen: „...Laßt den Vietnamkrieg nur weitergehen, zehn Jahre, zwanzig Jahre... bis beide Seiten geschwächt sind. Vielleicht wird dann Kambodscha eine größere Rolle spielen können!“ Der Vertreter Hanois protestierte mit einem demonstrativen Exodus. Nordvietnam setzte dann Kambodscha unter Druck: Der Vietkong darf in der Hauptstadt Kambodschas ein „Delegationsbüro'' — wie in Stockholm —errichten, was praktisch einer diplomatischen Anerkennung gleichkommt. Seitdem rutschte das Khmerreich nach und nach ins Fahrwasser Ho Tschi Minhs, zumindest scheint es äußerlich so. Natürlich ist der Playboy-Staatscbef bis heute noch bestrebt, das Land aus dem Konflikt herauszuhalten und eine intemationalle Garantie der Neutralität zu erreichen. Seine Rede über den Vietnamkrieg mag seinen Speku-iatonsigedainkeri verraten, der wahrscheinlich aus Seinem Kleinlandminderwertigkeitskomplex stammt. Dahinter steckt aber auch eine „quixotische“ Idee: Er sehnt sich nach einer neutralen Föderation, bestehend aus Kambodscha, Laos und Südvietnam; er soll deren Staatschef sein — eine Parallele zu Ho Tschi Minhs Föderationstraum.

Ob Sihanouk sein außenpolitisches Balancespiel besser aufführen kann als Sukarno, ist natürlich sehr fraglich. Noch fraglicher ist die innenpolitische Situation im Reich der Ankor Wat, die Claudel „fünf Ananasfrüchte auf einem Hügel“ nannte und die auf der kambodschanischen Nationalfahne erscheinen. Die Lage verschlimmerte sich seit Ende 1968.

Sihanouks Staatspartei, die „Communaüte Socialiste Populaire“ (Sang-kum Reastr Niyum), die den seiner Meinung nach einmaligen „buddhistischen Sozialismus“ — fast eine Parallele zum „buddhistischen Marxismus“ U Nus von Birma — oder den „königlichen Sozialäsmus“ einführt, erzielt, ehrlich gesagt, nicht viele Erfolge, außer dem Bau des symbolisch-repräsentativen Hafens Sdhanouk-ville in Südkambodscha — ein Duplikat von Sukarnapura (früher Hollandia und dann Kota Baru) des gestürzten „Bunig Karno“ auf Westiran; und dem Plan des Prek-Thnot-Dammes am unteren Mekongfluß, nahe der Hauptstadt, der von Australien, Großbritannien, der Bundesrepublik Deutschland, Indien, Italien, Japan, den Niederlanden und den Philippinen ausgearbeitet wurde und in der ersten Aufbaiuphase 27 Millionen Dollar benötigen wird.

Die 25.000 Mann starke kambodschanische Armee kann dem Vietkong — geschweige denn Nordvietnam — auf keimen Fall die Stirn bieten. Deswegen schloß der königliche Sozialist seit langem schon ein „Gentle-men's Agreement“ mit dem Vietkong ab, um letzterem nicht nur diplomatisch und politisch, sondern auch indirekt wirtschaftlich und militärisch zu helfen. Das Geld, das Peking an den Vietkong überweist, geht über das staatliche Devisenamt Kambodschas an einige prochinesische Kaufieuite, die das Geld in Reis, Salz, getrocknete und gesalzene Fische und Munition umwandeln und „weiterleiten“. Die chinesischen Waffen, die durch den Hafen Kampong Som nahe am Sikanoukhafen eingeführt wurden, werden von der kamboseha-nischen Armee mit Lastwagenkonvois bei Nacht bis nach Memot, Chlong, Kratie und Ratanakiri transportiert, um weiter an den Vietkong im Süden Südvi'etnams und im Zentralhochland übergeben zu werden. Der Vietkong braucht nur zehn Minuten vor seinem Durchmarsch die kambodschanischen Grenzbehörden zu verständigen; außerdem richtet der Vietkong Militärspitäler, Munitionslager und Trainingszentren auf kambodschanischem Hoheitsgebiet ein.

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