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Der Vietkong probt den Aufstand co

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Auf den Plätzen Saigons stehen heute zahlreiche Denkmäler. Sie sind Soldaten gewidmet, die sich in der südvietnamesischen Armee mit besonderen Tapferkeilstafen ausgezeichnet haben. Einige wurden auch zum Ruhme bestimmter Einheiten, etwa der Marineinfanterie, errichtet. Mir scheint, wenn man schon Denkmäler in Saigon errichtet, so fehlt eines, das an die 294 Berufsfeuerwehrleute der Stadt erinnert, die zu Beginn der Vietkongoffensive buchstäblich ihr Leben eingesetzt haben, um die Stadt vor einer vollkommenen Katastrophe und einer verheerenden Feuersbrunst zu schätzen. Etwa fünf Prozent der Stadt, die der Sitz der Regierung Südvietnams und des rückwärtigen amerikanischen Hauptquartiers ist, zeigen heute noch Spuren von jenen Stunden, die den Bewohnern Saigons noch lange hn Gedächtnis haften werden.

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Auf den Plätzen Saigons stehen heute zahlreiche Denkmäler. Sie sind Soldaten gewidmet, die sich in der südvietnamesischen Armee mit besonderen Tapferkeilstafen ausgezeichnet haben. Einige wurden auch zum Ruhme bestimmter Einheiten, etwa der Marineinfanterie, errichtet. Mir scheint, wenn man schon Denkmäler in Saigon errichtet, so fehlt eines, das an die 294 Berufsfeuerwehrleute der Stadt erinnert, die zu Beginn der Vietkongoffensive buchstäblich ihr Leben eingesetzt haben, um die Stadt vor einer vollkommenen Katastrophe und einer verheerenden Feuersbrunst zu schätzen. Etwa fünf Prozent der Stadt, die der Sitz der Regierung Südvietnams und des rückwärtigen amerikanischen Hauptquartiers ist, zeigen heute noch Spuren von jenen Stunden, die den Bewohnern Saigons noch lange hn Gedächtnis haften werden.

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Es war die erste Nacht des vietnamesischen Neujahrsfestes, „Tet“ genannt. Wie bei den Chinesen, ist es auch bei den Vietnamesen Brauch, daß sie mehrere Tage lang feiern, wie es nur Ostasiaten tun können. Neujahr, das bedeutet für den Ostasiaten einen neuen Anfang. Zu diesem Zeitpunkt wünscht man sich nacht nur, wie es auch in Europa geschieht, gegenseitig Glück. Man schmückt Straßen und Häuser mit Transparenten und Glückszeichen, man sendet auch den entferntesten Bekannten gute Wünsche. Die Wohnungen werden von oben bis unten gereinigt, und es gilt als unheilbringend, wenn man am Neujahrstag seine Schulden nicht alle bezahlt hat. Neujahr ist nicht nur ein Fest der Freude, ja der Ausgelassenheit, die ihren Ausdruck; in dem tausendfachen Lärm von Raketen findet, sie ist auch die Zeit, in der die Groß familien und Sippen möglichst vollständig zusammen sein möchten. So wie es in Deutschland jede Familie traurig empfindet, wenn am Heiligen Abend nicht alle Familienmitglieder unter dem Christbaum sitzen, so bemühen sich auch entfernt lebende Familienangehörige in Ostasien, am Neujahrstag mit den Ihren zusammen zu sein.

So setzt in den Tagen vor dem Festbeginn ein lebhaftes Reisen und Wandern auf den Straßen Vietnams ein. Wer kann schon kontrollieren, wer auf den Tausenden von japanischen Leichtmotorrädern, auf den Lastwagen mit Lebensmitteln oder Baumaterial sitzt, wer in dem orangefarbenen Gewand als Mönch der Hauptstadt zuwandert und wer in den. überfüllten Omnibussen sitzt, die den Lokalverkehr in Südvietnam mehr schlecht als recht aufrechterhalten? Ja, selbst die vietnamesische Eisenbahn hielt in den Tagen vor dem Neujahrsfest ihren Betrieb wie eh und je auf einem Schienennetz aufrecht, das noch aus der französischen Zeit stammt und trotz der zahllosen Vdetkong-Attentate auf die Bahnanlagen noch funktioniert.

Eingeschleuste Partisanen

Man muß die Ausgangssituation kennen, um zu verstehen, wieso hier die Rede von einigen hundert Feuerwehrleuten ist und wieso die Tage um die Monatswende vom Jänner zųm Februar als die Geburtsstunde für einen bescheidenen Zivilschutz in Vietnam angesehen werden müssen. Mit den Omnibussen, Fahrrädern Leichtmotorrädern waren nämlich nicht nur festesfreudige Verwandte nach Saigon und in ihre Schwesterstadt, Cholon, hineingeströmt, es kamen auch die Vietkongs. Nach glaubwürdigen Berichten war der Befehl zum Angriff auf mehrere süd- vietnamesische Zentren von der Vietkongführung schon drei Monate vorher ausgegeben worden. Amerikanische Offiziere versicherten mir, es hätten genügend Berichte darüber Vorgelegen, daß die Vietkongs einen großen Schlag planten, und es sei auch die Rede von einem Angriff auf Saigon gewesen.

Aber — und das muß man wissen, wenn man das Versagen der Aufklä- rung richtig bewerten will — solche Warnungen und gefahrdrohende Ankündigungen hatte es schon vorher oft und oft gegeben, und es gibt sie auch heute wieder. Wie schwer ist es, zu erkennen, ob eine Information nur eine Tatarennachricht ist oder ob sie zutreffend ist. Wenn man allzu oft gerufen hat „Der Wolf kommt“, dann läßt bei allen Völkern und Rassen die Aufmerksamkeit nach. Ich erinnere mich an eine Nacht nahe der Stadt Bien Hoa nach der Vietkongoffensive, als Alarmstufe „gelb“ angesetzt worden war. Das bedeutete, daß mit einem unmittelbar bevorstehenden Feindangriff gerechnet wurde. Alle militärischen unc zivilen Dienststellen standen in höchster Bereitschaft — es geschah nichts. Ich erinnere mich auch, daß während meines Aufenthaltes in Saigon zweimal Vietkong-Uberläufer mitteilten, an dem oder jenem Tag, zu dieser oder jener Stunde würde ein zweiter Massenangriff auf Saigon einsetzen. Der Angriff blieb aus.

Es mag sein, daß einige solcher Vorankündigungen bewußt gesteuert sind. So rätseln zu der Stunde, da dies geschrieben wird, die Abwehrstellen in Saigon noch darüber, ob ein Überläufer, der sich als Offizier mit hohem Rang ausgegeben hat, nicht in Wirklichkeit ein ganz unbedeutender Dienstgrad sei, der nur einen bestimmten Auftrag ausführe, nämlich mit einer scheinbar glaubwürdigen, detaillierten Ankündigung über Vietkong-Operationen gegen Saigon Unruhe unter der Bevölkerung zu verbreiten. Vielleicht ist dies der Fall, jedenfalls sollte man mit der Kritik sehr vorsichtig sein, wenn man keine Ahnung von dem schwierigen Geschäft hat, zwischen richtigen, halbwahren, erfundenen und gesteuerten Informationen unterscheiden zu müssen.

Leere Särge

Es gab also Warnungen, aber der Druck der südvietnamesischen Soldaten auf ihre Vorgesetzten, ihnen über das Neujahrsfest Urlaub zu geben, erwies sich als zu stark. Manche Einheiten schickten ein Drittel, manche sogar zwei Drittel ihrer Soldaten nach Hause. Wer kann sagen, ob die etwas zahlreichen

Transporte von Särgen aus der Umgebung Saigons in die Stadt hinein hätten auffallen müssen. Manche Särge enthielten jedenfalls keine Toten, in ihnen waren leichte und schwere Waffen verborgen. Obwohl in Vietnam nun schon seit 1941 geschossen und gestorben wird, so hat doch die traditionelle Achtung vor dem Toten und der Wunsch, verstorbene Angehörige würdig und in der Nähe der Familie beizusetzen, nichts an Kraft eingebüßt. Auch in Europa würde es sich die Polizei wohl kaum erlauben können, die Öffnung von Särgen zu verlangen, wenn sie nicht so gut wie sicher wäre, daß sie in den Särgen auch anderes als Leichen finden würde.

Nicht nur als Festgast getarnt, nicht nur in Särgen kam der Krieg nach Saigon. Die Stadt ist völlig von der Versorgung durch das fruchtbare Mekongdelta abhängig. Nördlich der Stadt gibt es Gebiete, in denen die Vietkongs die Verbindungen sperren, östlich liegen riesige Dschungelgebiete. Aber im Süden, dort wo zahllose Seitenarme des Mekong und ungezählte Kanäle sich verschlingen, dort liegt die Lebensbasis für die 2,2 Millionen Menschen, die als Vietnamesen in Saigon oder als Chinesen in Cholon leben.

Es wäre ganz falsch, wenn man sich die Stadt Saigon im 13. Jahr des Krieges gegen den Vietkong als ein halbverödetes Siedlungsgebiet vorstellen würde. Sie quillt von Leben über. Wenn nicht gerade zwischen 20 und 6 Uhr morgens strenge Sperrstunde herrscht, dann geht die Masse der Bevölkerung ihrer Tätigkeit im Freien nach. Der Verkehr in Saigon kann sich mit dem in jeder europäischen Großstadt messen. Daß die schweren Autos nur selten sind, spielt dabei keine Rolle. Kleine Dauphines sind die üblichen Taxi, dazu kommen die Rikscha-Kulis und die bei uns viel seltener gewordenen Mopeds. Ein Fahrrad haben auch viele anne Leute, und schließlich, man kann zu Fuß durch die Straßen laufen.

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