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Kontrolle nur in Stadtgebieten

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Tatsächlich kontrolliert Saigon, kontrollieren die Amerikaner kaum die Hälfte aller Südvietnamesen — im besten Fall sechs Millionen Menschen —, der Rest, etwa vier Millionen, lebt im Niemandsland des Krieges, weitere fünf Millionen bewohnen die Vietkonggebiete.

80 Prozent der Vietnamesen sind Bauern, Leute, die in Dörfern, abgeschieden, im Delta, im Zentralen Hochland, an der Küste, in den Bergen leben. Nun übt die Regierung vor allem über die Stadtgebiete ihre Gewalt aus. Man kann annehmen, daß bei den von ihr zitierten 5,8 Millionen Wahlberechtigten etwa 30 Prozent in den Städten wohnen. Bleiben immer noch 70 Prozent Bauern. Diese Leute — die, obwohl sie in der Einflußsphäre der Regie rung stehen — sind alles andere als Freunde der Herren in Saigon. Aber selbst wenn man annähme, die Bauern wären Cao Ky und den Generälen wohlgewogen, bleibt das Problem, wie man sie zu einer freiwilligen Stimmabgabe veranlassen könnte.

Die Regierung in Saigon will in einem nur vierzehn tägigen Wahlkampf diese Monsterarbeit tatsächlich bewältigt haben. Das kann nicht möglich gewesen sein. Eine Arbeit, die kaum von einem wohlfunktionierenden Verwaltungswesen geschafft werden kann, will das Regime Cao Kys, das beinahe täglich an Desorganisation, an Korruption und Unfähigkeit zu scheitern droht, vollbracht haben? Nein! Das war unmöglich. Wie will Saigon die

Leute begeistert, politisch geschult, wie will man sie zu freiwilliger Stimmabgabe veranlaßt, wie will man Wahlen veranstaltet haben in Gebieten — die, wenn sie auch von der Regierung kontrolliert werden — oft nur unter schwerer Militärbedeckung betreten werden können? Wer in Vietnam war, wer diese Dörfer draußen im Delta, im Dschungel, der Ebene der Binsen, im Hochland kennt, weiß, daß dies nicht der Fall gewesen sein konnte.

„Mehr als 80 Prozent wählten“

„Trotz des Terrors der Vietkong kamen mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen“, verkündete Saigon am Montag nach der Wahl. Eine Feststellung, die genauso lächerlich ist wie Verkündungen der Propagandisten über die freiwilligen Stimmabgaben. Von einem Terror des Vietkong während der Wahlen konnte fast überhaupt keine Rede sein. Gewiß, einige Wahllokale wurden gesprengt, einige örtliche Guerillakommandos inszenierten Überfälle, aber das war so ziemlich alles. Hätte der Vietkong die Wahl tatsächlich durch Terror verhindern wollen, es wäre ihm zweifellos gelungen.

In Südvietnam verfügt die FNL heute bereits über mehr als 350.000 Soldaten, dazu kommen rund 100.000 Männer aus Ho Tscbi-minhs Volksarmee. Diese Truppen und mit ihnen weitere hunderttausend „Gelegenheitsguerillas“ halten die mächtigste Militärnation der Erde in Schach — und ihnen sollte es nicht gelingen, das Saigoner Wahltheater zu verhindern, wenn sie es gewollt hätten? Das ist wenig glaubhaft. Terrorkampagnen des Vietkong sehen anders aus als jene Einzelaktionen, die man während der Wahlen veranstaltete. Wie wirksam sie, sein können, hat Saigon, haben die Amerikaner oft genug am eigenen Leib erfahren.

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