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Die Jagd auf Boat people

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400.000 Indochinaflücht-linge drängen sich in Thailands Lagern. Wohin mit ihnen? Katholische Hilfsorganisationen aus aller Welt suchten in Wien nach einer Antwort.

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400.000 Indochinaflücht-linge drängen sich in Thailands Lagern. Wohin mit ihnen? Katholische Hilfsorganisationen aus aller Welt suchten in Wien nach einer Antwort.

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Was soll mit den Flüchtlingen geschehen, die sich — teilweise seit 13 Jahren — in den Lagern Thailands drängen? Diese Frage wurde unter anderem auf der Konferenz von Katholischen Hilfsorganisationen aus aller Welt vergangene Woche in Wien gestellt.

Zeigte sich in den siebziger Jahren in allen westlichen Staaten ausnahmslos Hilfsbereitschaft und Sympathie für die Boat people, so stoßen die flehentlichen Bitten der thailändischen Behörden, es mögen sich doch schnell-

stens Zweitaufnahmeländer melden, heute bei den einstmals aufnahmewilligen Ländern auf taube Ohren.

„Es war deshalb im Grunde genommen eine verzweifelte Pu-blic-Relations-Aktion, als die thailändische Küstenwache im Jänner begann, Flüchtlingsboote zu versenken“, sagte Mark Raper, Koordinator des „esuit Refugee Service“ in Bangkok, zur FURCHE.

Die Vorfälle - die Thailänder hatten sogar Piraten ermutigt, Jagd auf Boat people zu machen — lösten nur einen zaghaften internationalen Protest aus. Wie viele Flüchtlinge ums Leben kamen, kann nur schwer eruiert werden. 110 konnten jedenfalls nachgewiesen werden.

Allein im Jänner gingen 3.400 Vietnamesen in den Buchten der Provinz Trat an Land, wo die Pendelboote der Fluchthelfer ihre Menschenfracht seit neuestem abladen. Der Vorteil dieser Route: Sie ist um ein Vielfaches kürzer als die stürmischen Fahrten früherer Jahre, die durch das Südchinesische Meer führten. Denn nun starten die Boote nicht schon in Vietnam, sondern erst in Kambodscha, direkt vor der Grenze zu Thailand. Das verkürzt die Seefahrt um Stunden.

Handelt es sich dabei noch um Flüchtlinge im eigentlichen Sinn? Mark Raper: „Natürlich fliehen diese Menschen hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Vietnam ist eben eines der ärmsten Länder der Erde (FURCHE 16/1988). Aber die Wirtschaft ist ja auch Ausfluß einer bestimmten Art von Politik — wo soll man da die Grenze ziehen?“

Viele der Flüchtenden haben außerdem schon Familienangehörige jenseits der Grenze.

Den Hauptgrund der Fluchtwelle sieht Raper in folgendem: Offizielle Ausreisemöglichkeiten erlaubten seit 1986 ein paar tausend Vietnamesen den Weg in den Westen, zumeist in die USA. Anfang dieses Jahres kam jedoch das Gespräch zwischen Hanoi und Washington über humanitäre Fragen zum Stillstand. „Mit einem Schlag sahen viele Vietnamesen ihre Hoffnungen zusammenbrechen, und sie gerieten in Panik. Sie wollen nun eben auf anderen Wegen aus dem Land heraus.“

Mehr Interesse der westlichen Welt an den Flüchtlingen sieht der Australier Raper als einzigen Ausweg, um eine Wiederholung der Vorfälle vor der thailändischen Küste zu verhindern.

„Wenn keine Reaktion aus dem Westen kommt, wird Thailand eben wieder Flüchtlinge wegjagen. Auch Länder wie Österreich, die keine große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen können, sollten initiativ werden, indem sie eine internationale Konferenz über dieses Problem fordern.“

Daß sich die Arbeit für Flüchtlingshelfer in nächster Zeit verringern könnte, gilt leider als unwahrscheinlich. Im Gegenteil. Die Entwicklung in Thailands Nachbarstaat Kambodscha deutet auf einen Kompromißfrieden auf Druck Moskaus hin. Michail Gorbatschow möchte nach dem Erfolg in Genf über das Schicksal Afghanistans nun auch die teuren Abenteuer seines Schützlings Hanoi zu einem baldigen Ende bringen.

Jenseits der kambodschanischen Grenze, im thailändischen Dschungel, rüsten die Roten Khmer schon für einen Endkampf. Man erwartet eine Teilung Kambodschas in eine vietnamesische und eine Rote-Khmer-Hälf-te. Und wiederum unvorstellbares Flüchtlingselend.

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