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Dem Kriegstribunal entgegen...

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USA-Generalstabschef Georges Brown gibt'Saigon noch ein Jahr. „Sie kämpfen mit dem Rücken gegen die Wand.“ Wo ist die Wand, welche Wand? Konsequent haben “die KommuJ^sten * die ganze Welt mobilisiert.Und nach den gewonnenen Schlachten in Indochina kann eine Nahostkonferenz in Genf jetzt nur ein Kriegstribunal werden: Araber als Ankläger, die Sowjetunion als ihr Privatbete|lig-tenvertreter. Die USA als Ex-offo-Verteidiger, um kurze Verhandlungsdauer und geringe Geschäftsstörung bemüht.Israel der Angeklagte.

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USA-Generalstabschef Georges Brown gibt'Saigon noch ein Jahr. „Sie kämpfen mit dem Rücken gegen die Wand.“ Wo ist die Wand, welche Wand? Konsequent haben “die KommuJ^sten * die ganze Welt mobilisiert.Und nach den gewonnenen Schlachten in Indochina kann eine Nahostkonferenz in Genf jetzt nur ein Kriegstribunal werden: Araber als Ankläger, die Sowjetunion als ihr Privatbete|lig-tenvertreter. Die USA als Ex-offo-Verteidiger, um kurze Verhandlungsdauer und geringe Geschäftsstörung bemüht.Israel der Angeklagte.

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Die UNO ist der Senat. Und der hat seinen Richtspruch schon mit seinem Jubel für Arafat vorweggenommen. Dem Senat in Genf wird das alte Urteil von 1967 vorliegen. Das war noch in eine Hülle von UNO-Gerechtigkeit verpackt. Die aggressiven Kräfte hatten damals noch nicht die Kette von Erfolgen auf den anderen Schauplätzen und damit den Weltkonformismus hinter sich.

In den Urteilsspruch von 1967 konnte das Todesurteil noch nicht so ohne weiteres verflochten werden. Und nach ihrer Niederlage von 1967 mußten die Araber beteuern: die 20 Jahre des Terrors und der Politik unter dem Motto „Die Juden ins Meer“ waren ein Hirngespinst. Zehn Jahre später hat das Genfer Tribunal eine weit bessere Ausgangsposition.

In die Zwischenzeit fällt die Demontage aller Positionen des Westens in Asien, das Yom-Kippur-Patt im Nahen Osten. Und eben sind die offensiven Kräfte dabei, in Indochina einen Präzedenzfall zu schaffen und ihre Feinde ins Meer zu werfen.

1974konnten es die Araber sich schon leisten, das alte Gespenst aus der Schachtel zu lassen. Der Erfolg des Israelzerstörers in spe Arafat vor der UNO war das Fanal für die letzte Wegstrecke in Indochina und das Signal auf dem Weg zum Tribunal von Genf.

1975kann nur noch ein Richtspruch im Sinne der Anklage erwartet werden. Und ungeduldig, wie sie heute auf die Kapitulation von Phnom Penh und Saigon warten, werden alle Staaten der Welt drängen und drohen, daß Israel das Ku-Klux-Klan-Urteil anerkenne und mit der Anerkennung sein Todesurteil unterschreibe.

Die Siege in Indochina entscheiden über die Kräfteverteilung in Genf. Das wissen die Kommunisten und sie vermeiden jedes Risiko. Längst gibt es in Indochina keinen Volkskrieg mehr. Wieder liefern Sowjets und Chinesen Waffen. Hochtechnisiert führt die nordvietnamesische Armee den Krieg gegen eine südvietnamesische Armee, deren Waffenbestand ausrinnt

Dennoch bleibt die Weltmeinung bei ihrer Vietnamformel: Die südvietnamesische Regierung hält sich nur durch Terror. Die provisorische Regierung ist die wahre Vertreterin des Volkes in Südvietnam.

Aber entweder sind die Bauern im Zentralplateau oder die Zeitungen im Westen .schizophren: Zeitungen, die, durchaus im Strome der Weltmeinung schwimmend, für eine rasche Beendigung des „Spuks von Saigon“ sind, berichten von den kommunistischen Siegen und von deren Folgen.

Ein fünfzig Kilometer langer Flüchtlingsstrom, 500.000 Menschen, strebt den südvietnamesischen Linien zu. Tagelang ziehen sie schon — von südvietnamesischen Panzern gedeckt, von MIGs dezimiert.

Bauern flüchten ziemlich selten aus ideologischen Gründen. Die Hunderttausende auf der Flucht, aus einer einzigen Provinz, optieren für ihr Leben und gegen kommunistische Volksgerichte. Jeder Flüchtling läßt Dutzende zurück, die nicht fliehen konnten oder wollten. Aus ihrer Zahl holen sich die Kommunisten die Fische zum Abschlagen.

Mit jedem Flüchtling wird aber die Legitimation der provisorischen Regierung unter Vietkong-Auspizien fadenscheiniger, die professionelle Weltmeinung verlogener. Verlogenheit überdenkt und überprüft nicht. Wer heute einer provisorischen Regierung die Legitimation nicht zuerkennt, ist ein Faschist, ein Zionist. Hier prägt die Pseudolinke das Vokabular.

Auch in Jerusalem erkennt man die Zusammenhänge. Vor dem Quartier des gebrochenen Kissinger demonstrieren sie mit Spruchbändern: Jerusalem ist nicht Phnom Penh, nicht Saigon.

In der amerikanischen Sicht schrumpft der Unterschied. Die Linke der Opportunisten hat sich zum Blue-jeans-Sektor des Establishment schlagen lassen. Hier prägt jetzt das Geld das Wort.

Die Zeitungen repetieren die Abgrenzungen zwischen nordamerikanischen und israelischen Interessen. Die Demokraten, gestern noch vorbehaltlose Fürsprecher alles Israelischen, setzen Israel auf die Liste des allgemeinen politischen Ausverkaufs. Die Republikaner, den Erdöl-gigantw, verhaftet, lassen sich sö-gemd,' aber gerne zwingen.

Kissingers verzweifelter Versuch war von der Koalition zwischen Moskau und der Dritten Welt von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Jeder in der Dritten Welt wußte es — bis auf die USA-Missionen. In Thailand sagte mir der Exaußen-minister Thanom: „Unsere Freunde zieht es fort So können sie keinen Frieden zustande bringen. Besser allein!“

Verächtlichkeit schadet im Westen nicht mehr, in Asien sehr viel. Die Verächtlichkeit der westlichen Haltung bindet die gemäßigten Staaten an die aggressiven und ist Ozon für die internationale Claque. In dieser Situation wird das Tribunal von Genf vorbereitet.

Es kursiert ein Ondit, das den Mann in der Hofburg ehrt. Bundespräsident Kirchschläger soll dem Heeresminister sein Unbehagen darüber geäußert haben, daß er es den Angeklagten im Wandl-Prozeß erlaubt hatte, in Uniform auf der Anklagebank zu sitzen.

Bekanntlich besteht ein Erlaß, wonach Bundesangehörige vor Gericht vn Zivil zu erscheinen haben. In Krems war es anders — am Vorabend des Prozesses erreichte die Angeklagten eine ausdrückliche ministerielle Erlaubnis, vor Gericht Uniform zu tragen.

Damit aber hat sich der Heeresminister, der einst im Parlament erklärte, jemand ohne Generalstabsausbildung habe in Heeresfragen überhaupt nicht mitzureden, symbolisch neben die Angeklagten von Krems auf die Anklagebank gesetzt. Einmal mehr hat er bewiesen, daß er trotz seiner Generalstabsausbildung von politischen Grundbegriffen offenbar nichts versteht.

Es ist beruhigend, zu erfahren, daß der Bundespräsident als Oberbefehlshaber des Heeres da anders denkt, anders empfindet. Und dies auch den Herrn Minister Lütgendorf wissen läßt.

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