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Digital In Arbeit

Angst aus dem Norden

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Als Thailands Premier Thanom Kittikachorn an der Spitze einer antikommunistischen Militärjunta Mitte November die Macht übernahm, gab er als Grund dafür die Aufnahme Rotchinas in die UN an. Das war eine sehr vereinfachende Darstellung komplexer innerer und äußerer politischer Gegebenheiten.

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Als Thailands Premier Thanom Kittikachorn an der Spitze einer antikommunistischen Militärjunta Mitte November die Macht übernahm, gab er als Grund dafür die Aufnahme Rotchinas in die UN an. Das war eine sehr vereinfachende Darstellung komplexer innerer und äußerer politischer Gegebenheiten.

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Hinzufügen hätte er können, daß die Maoisten die Arbeit an einer wettersicheren Straße mit zwei Fahrspuren wieder aufgenommen hatten, die sie seit 1967 durch das gebirgige nördliche Laos zur Grenze Thailands zu bauen begonnen hatten. Weniger als 20 Meilen fehlen noch, um den Nachschub für die importierte und die bodenständige maoistische Insurgenz in Thailand außerordentlich steigern zu können.

Thailands Stabschef, Luftmarschall Dawee Chullasapya, stellte kürzlich mit Hilfe der Luftaufklärung die Wiederaufnahme der Arbeit fest. Gut informierte Nachrichtenquellen bestätigten dies im Oktober 1971.

Seit Juni 1970 hatte es nämlich eine (unerklärte) Pause im Bau der Straße gegeben, ein Stillstand, der sich wesentlich länger hinzog, als durch die Monsunregen entlang des Mekongtales begründet gewesen wäre. Dann aber, im Oktober 1971, begannen die Maoisten neuerlich mit der Rodung der Dschungel und mit ihrer ameisenhaften Betriebsamkeit in der Nähe von Muong Houn.

Es handelt sich um eine Verlängerung der Straßen in der chinesischen Provinz Yunnan, die einer beschränkten Zahl von Amerikanern bekannt ist, die sie benutzten und dabei beobachteten, wie hier die historische „Burmastraße“ des zweiten Weltkriegs wiedereröffnet wurde.

Die „Thailandstraße“, südwärts der Grenze Yunnans verlaufend, ist keine Autobahn, sondern aus dem am Ort gefundenen Material erbaut: Geröll aus den Flüssen, Felsen, Sand, Bindemischungen für die Oberfläche, alles hergestellt von Zwangsarbeitstruppen chinesischer und anderer Herkunft.

Die Straße läuft durch Pathet-Lao-Gebiet. Gegenwärtig scheint nicht einmal die Kenntnisnahme der Tatsache auf der Linie amerikanischer Militärpolitik zu liegen, daß besagte Straße sich schnell in die Nähe der ungesicherten thailändischen Grenze vorschiebt und daß rotchinesische Artillerie bald dort postiert werden wird. Artillerieunterstützung für die kommunistischen Guerilleros in Thailand wird nämlich allgemein als Hauptzweck des Straßenbaus angesehen. Was immer auch der eine oder andere wirtschaftliche Nebeneffekt für die spärliche Bevölkerung der gebirgigen südostasiatischen Grenzregionen sein wird, ihr Hauptzweck jedenfalls ist militärisch.

Der Bau ist bereits bis südlich des Zusammenflusses von Mekong und Nam Beng vorgetrieben. Abgesehen von ihrem militärischen Charakter, ist es eine jener Straßen, die nir-gendwohin führen. Zwei reisende amerikanische Senatoren wollen im April gehört haben, daß auch während der Arbeitseinstellung 20.000 Maoisten, inklusive 3000 bis 3500 Artilleristen, entlang der Fernstraße postiert waren. Der Großteil der Chinesen sollen Arbeiter gewesen sein, die dort warteten, bis Peking seine Pläne und Prioritäten zurechtgemacht hatte.

Die US-Botschaft in Vientiane, Laos, scheint sich zu scheuen, die Wiederaufnahme der Arbeit zu bestätigen. Tatsächlich bezeichnen einige das Schweigen der Amerikaner in dieser für die Thais lebenswichtigen Angelegenheit als einen der Gründe für die Äußerungen des thailändischen Luftmarschalls, und tatsächlich spielte auch die wachsende Bedrohung im unblutigen Staatsstreich von Bangkok eine Rolle. Premier Thanom zeigte sich mehr als besorgt über die Wirkung der rotchinesischen Mitgliedschaft in den UN auf Thailands 3 Millionen Chinesen — ungefähr ein Zehntel der Bevölkerung: „Wir wissen nicht sicher, welche Ideologie sie bevorzugen.“

Es gibt viele „Überseechinesen“, die dies bestreiten und die darauf hinweisen, daß nur ein Dummkopf oder ein Unzufriedener unter den In politischer und wirtschaftlicher Freiheit Lebenden den Kommunismus bevorzugen könne. Aber wer kann sagen, welche Wahl bleibt, wenn ein kommunistischer „Volkskrieg für die nationale Befreiung“ mit aller Macht über ein Volk hereinbricht?

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