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Jetzt sind sie erkennbar: Die Gruppen der Gewinner und die Gruppen der Verlierer. Die Feudalherren und die junigtürkischen Gewaltigen über die nahöstlichen Erdölterritorien sind mit den multinationalen Erdölgesellschaften in den Gruppen der Gewinner — dahinter die Großmacht des Sowetkammunismus und die Großmacht des Kapitalismus. Die Industrieländer Europas und die Paupers der dritten Welt sind die Verlierer.

Die feudalen Herrscher über Erdölterritorien haben in dem Monat nach dem Beginn des Erdölboykotts — nach US-Schätzungen — mehr als dreihundert Millionen Dollar investiert. Die fortschrittlichen Länder der nationalen Revolutionen haben in derselben Zeit der UdSSR, den USA, England und Frankreich Waffen- und Investitonsaufträge in ähnlicher Höhe erteilt. Die Erdölgesellschaften in den USA haben 1973 ihre Profite um 30 bis 59 Prozent erhöht. Sie setzen den Profitspiegel für Investitionen bis 1985 auf 600 bis 750 Millionen Dollar.

Ergo: die wirtschaftlichen Gewinne der direkt Beteiligten sind hoch. Die politischen Gewinne der beiden Großmächte noch höher.

Der Dollar hat als Folge der Spekulationen der Erdölherren und der Aufträge aus den arabischen Ländern die alte Kraft wiedergewonnen.

Angesichts der Nahost-Manifestation werden die Sowjets 1974 ihre Erdölproduktion auf die Rekordhöhe von 450 Millionen Tonnen hinaufschrauben. Denn So-wjetöl — von der Nahost-Konkurrenz befreit — soll im Satelliten-bereich und unter den erdölarmen Verbündeten dem Wort Moskaus Nachdruck verleihen. Und die Erdgasleitungen aus den sowjetischen Feldern sollen zu endgültigen Lebensadern im ganzen Sowjetblock werden.

Die Taktik der Gewinner (der kapitalistischen, der sozialistischen) ist übelste Ausbeutung: Preiserhöhung durch Warenmangel. Die Nahost-Erdölstaaten verheimlichen den wahren Umfang ihrer Exporte, die USA unterließen es, den Import von 600.000 Barrels Erdöl aus Kuwait zu registrieren; die „Multinationalen“ lassen Tanker auf hoher See kreuzen: Zeitschinden, bis der politische Einfluß und die Preise steigen. Die UdSSR ließ die Co-mecon-Behörden wissen, daß ohne Investitionsbeteiligung der Satelliten auf den sowjetischen Feldern wenig Erdöl fließen wird.

Die Industriestaaten Westeuropas und die erdölarmen Staaten der dritten Welt verlieren in der Zange doppelter Erpressung. In Panik und trotz der schönen Worte in Kopenhagen laufen die europäischen Industriestaaten, vor allem Frankreich und England, nach der Moral „Rette sich, wer kann“ nach allen Seiten auseinander — dem Erdölgeruch nach. Aus der Illusion gerissen, als Partner der dritten Weit von den Erdölreichen der dritten Welt bevorzugt behandelt zu werden, verfallen Erfolgs- und Krisenländer in Asien in Pessimismus und Defätismus: Japans Stolz, „Nippon Steel“, wird 1974 die Produktion um mindestens 25 Prozent einschränken. Indiens Export- und Valuteneinnahmen werden im nächsten Jahr um 15 bis 20 Prozent sinken.

Die Gewinner planen die Zukunft der Welt und die Verlierer suchen — jeder für sich — nur noch ihre Plätze in diesen Plänen.

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