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Lagos, Nigerden, hat den höchsten Preis erzielt: 22 Dollar für den Barrel Rohöl. Aber im Norden des Landes sagte mir der Emir von Zaria: „Das Erdöl fließt nicht, wo das Wasser fehlt.“ Und er meinte die Erdöldollars. Das gilt für ganz Afrika. Unter dem Boom der neuen Erdölpolitik werden die Reichen hier reicher, die Armen noch ärmer. Zwar gibt es die großen Profite für die Erdölherren noch nicht lange Zeit. Prinzip und System von Aufteilung und Investition können sich noch nicht voll zeigen. Doch Indikationen müßte es geben. Die zeigen in die verkehrte Richtung. Die Investitionen sind lokal konzentriert, oder sie gehen in die Industrieländer des Westens; oder die Profite versickern im Handel, in den Importen, im Luxus der neuen Klassen.

Uberall führt das Lechzen nach Beteiligung zu einer Radikalisierung der Schichten, die sich artikulieren können. Sie sehen, wie das Erdöl an ihnen vorbeifließt. Der Haß richtet sich aber nicht gegen die Erdölländer in Asien und Afrika Nur nebenbei gegen die mit den Erdölherren zum Teil verbündeten Verteiler, die multinationalen Gesellschaften. Er wendet sich gegen „Neokolonialismus und Imperialismus“, gegen die Industriestaaten des Westens. Den starken Zug spüren auch die Länder und die Regierungen des gemäßigten Nationalismus, wie Nigerien.

Präsident Gowon hatte im Bürgerkrieg über das sezessioni-stische Biafra gesiegt, die Einheit des Landes erhalten. Er integrierte die Territorien der Erdölfunde im Osten mit einer vielstämmigen und jungen Nation. Er nahm dem Haß zwischen den Stämmen die mörderische Schärfe, was viel ist in acht Jahren eines stürmischen Militärregimes.

Nigerien steht an siebenter Stelle der Weltliste der Erdölproduzenten. Das Erdölglück weicht die Basis des Militärregimes auf, gefährdet das Ergebnis von sechs Jahren Politik der Mäßigung. Gowon ist ein Meister dieses Stils. Sein Militärregkne ist gemäßigt, auch sein Nationalismus. Doch die unmäßige Inflation treibt die radikalen Töne der erstaunlich freien Presse in schrille Höhe. Gowon versprach die Wendung vom Militär zum parlamentarischen Regime für 1976. Erziehungsminaster Alhaji Alminu Kano, Vertrauensmann der Nationalen und der müitanten Afrikaner in Gowons Regierung, fordert aber, daß Gowon diese Rückkehr zum Parlamentarismus als Rückkehr zum Einparteiensystem auffaßt. Aus der Haltung des Ministers ist die Kritik an seinem Präsidenten zu erkennen, das Mißtrauen gegen den Absolventen der britischen Offlziers-akademie Sandhurst. Kanos Begriffswelt des Antümperiaiismus und Afrikanismus spiegelt die Entwicklungen in ganz Afrika.

Überall heizen Ghadaffl und Amin die politische Phantasie der Mittelschichten an. Ghadaffls panislamitischer Fundamentalismus und Amins antiwestliche Provokationsrhetorik sind Balsam für das ramponierte Selbstbewußtsein, Treibstoff für den Ehrgeiz der Intellektuellen. Die Weigerung der arabischen Erdölproduzenten, afrikanischen Staaten Preisprivilegien zu gewähren, wirkt sich gegen den gemäßigten Nationalismus aus. Aus Pan-Islam- und Dritte-Welt-Marxismus vereinigt sich der Strom im Delta des Panafri-kanismus.

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